reifen
II. Rēīfen: 1) intr. (sein — s. 2 — und z. B. bei Adelung:
— s. er-r. — haben): reif (s. d. I und Anm.) werden, zur Reife gedeihn, eig. und übertr.:
a) ohne abhäng. Vh.: Das Getreide, Korn, Obst reift; Die Früchte, Äpfel, Trauben r. etc.; Die Mädchen r. oft schon im 13ten Jahre. 2, 171; Während in seinen Vorstellungen die größten Möglichkeiten reiften. Denkw. 5, 233; R. im Essig die Gurken. 1, 272; Bestimmtere Entscheidung in sich r. lassen. 237; Weil nicht alle | Blüthenträume reiften. 7, 250; Vielleicht reift in der Götter Rath schon lange | das große Werk. 13, 31; Sobald sie [die Ernte] reift. 195; Nach den Gesetzen einer in ihm später gereiften Vollkommenheit. 32, 125 etc.; Nur halb gereiftes Nichts, seit gestern bin ich kaum. 172; Die Häute [in den Gruben] . . r. lassen. Ph. 1, 39; Halbgereifte Nachtgedanken. 4, 295; Ihr r–der Verstand. 1, 12; Die gereiftesten, erfahrungsreichsten Geister. 4, 1086⁰); Sie brachte Blumen mit und Früchte, | gereift auf einer andern Flur. 71b; Ruhig das Schicksal r. zu lassen. 675a; Den .. Nachthimmel, von welchen des Mondes vollgereifte Pracht herniederstrahlte. Jt. 2, 365; 4, 141 etc. —
b) mit abhäng. Präpos., z. B. zur Bez. Dessen, woraus Etwas — und nam.: wozu (wofür) es sich entwickelt, wird etc.: R. vom Mädchen zum Engel, vom Engel zum Seraph. Po. 1, 73 und so mit „zu“: Bald reifte der Gedanke zum Entschlusse. 4, 29; Der Jüngling reifet zum Manne; | besser im Stillen reift er zur That oft als im Geräusche | wilden Lebens. 5, 35; Diese Felder .. r. zur morgenden Ernte. 78; Zum jüngsten Tag fühl’ ich das Volk gereift. 11, 179; Der Samen gestreuet, den nur der lebhafte Geist . . zur Blüthe und Frucht r. lässt. Ausgw. 7, 180; Alb. 98; Den zum Untergang R–den. 6, 37; 2a; 236a; 2, 1279¹¹); 1, 83 etc., ähnlich auch: Wie ausgestreute Saat ... aufschießt und spät in nahrhafte Früchte reift. 1, 462; Die Liebe soll immer mehr in eine Freundschaft r., die etc. Kom. Op. 3, 411 etc.; ferner: Für Jemand oder Etwas r. und statt Dessen in gehobner Rede auch mit Dat.: Dort wird der Freundschaft edle Frucht dir r. 4, 20; Wo mir [Atropos] gerechte Ernten r. | in offner Feldschlacht. 6, 373; 2, 1296³⁰) etc.; Daß sie .. sündigen und der Strafe r. F. 200; Saat von Gott gesät, | dem Tag der Garben zu r. 1537³²), vgl.: Zu r.| auf der Garben großen Tag. (1538³) etc. —
c) Dazu (selten): Alsdann warteten sie die Reifung [des gesäeten Getreides] ab. 3, 429 etc., gw.: das R. — 2) tr.: faktitiv zu 1: reif machen; zur Reife bringen: Die Sonne, der Sommer reift das Getreide etc.; Die Zeit bringt Rath, sie wird die Sache r. 4, 77; 6, 399; Emerentien hatte diese schöne Liebe rasch gereift. M. 1, 112; Od. 2, 115; Wo Phöbus früher die Traube reift. 2, 240; Eine kurze Nacht | hat meiner Jahre trägen Lauf beflügelt, | frühzeitig mich zum Mann gereift [s. 1b]. 368b; Schon vierzig Sonnen reiften unsre Saat | .. und jede reifte mir ein neues Weh. Sch. 1, 3; Die thaten-r–de Energie des Charakters. 1106a; Meine Seele für die Hölle zu r. [s. 1b]. N. 6, 102; Der Himbeerstrauch reift .. seine süßen Beeren. Th. 270; Wo die [die Frucht] r–den Mond’ es erfüllet. Ov. 1, 167; Sie r. sich das Verderben [s. 1b]. 3, 9) etc. — 3) intr. (haben): unpers.: Es reift, es fällt Reif (s. d. III und Zsstzg.), so auch: Es rauhreift, wasserreift; Es hat gerauhreift etc.; Laß [es] schneien, r. und frieren .., so wird es doch wieder Sommer etc. 5, 468b; 81b etc. Dazu: Das R. = der Reif (III) oder: der Reifen. — 4) tr.: mit Reifen (s. Reif II) versehn, und zwar:
a) Ein Faß, eine Tonne r. (be-r., Ggstz. ent-, ab-r.). —
b) Das gelbliche Aug blutroth gereift, | ansprang den Kaiser der Tiger. 2, 20), mit einem blutrothen Reif oder Zirkel umgeben etc. — Nam. aber:
c) (s. Reif II 6) = reifeln 1a, auch „riefen“ (s. d., vgl. rillen; furchen, rippen etc.), z. B.: Die Säulen sind gereift [kanneliert, reifig]. It. 2, 224; Gereiftes Tafelglas. 2, 156 etc.; Die bekannte kreuzweise Reifung des Marokins. 568; Das Farbenspiel der Perlmutter rührt .. von der Struktur der Muschelschale her, bestehend in einer . . parallelen Reifung. 842; Beryll .. in langen sechsseitigen Prismen mit Längenreifung. 3, 412 etc. —
d) (s. c) Schlosser.: Die Arbeit aus Eisenblech r., ab-r., riffeln (s. d.), blank feilen, vgl. Kloben 10.
Zsstzg. nam. zu [1], was unbez. bleibt, und dazu seltner faktitiv, s. [2], — z. B.: Áb-:
1) ganz reif werden oder machen (vgl. aus-, durch-r.): Die Mispeln müssen auf dem Lager nach- und a.; Ihr abgereifter Witz beschämte tausend Frauen, | die .. im Reden Kinder sind. 621. —
2) [4a] Das Faß a. — 3) [4d]. — 4) (mundartl.) Einem Etwas von seinem Besitzthum a., abzwacken, s. 2, 104c. — Án-: heran-r. (s. d.): Jede Hülle niederstreift | der Haß, dem Hause der Despoten, seit sechszig Jahren angereift. Sav. 124; Das Alles war Nichts als A. zur seligsten Frucht der Liebe. 1, 94; Mit halb angereiftem Samen. Th. 267. — Āūf-: reifend emporwachsen etc. (empor-r.): Auf zum Manne nun vom Knaben | war gereift mein Hiawatha. H. 49; 127; Wo zum Glanz der vollen Ernte aufgereift der Vorzeit Saat. 83; M. 11, 637 etc., seltner fakt., s. aus-r. — Aūs-:
1) s. abr. 1:
a) zur vollen Reife sich entwickeln: Der Keim . ., der bestimmt war, einst im Bilde | der Schaumgebornen wonnig aus-zu-r. J. 172; Jn deinen erquickenden Strahlen reift ich zum Menschen erst aus. 1, 19; Die Früchte, welche an diesem . . Orte am leckerhaftesten a. Kochk. 163; Ausgereifte Erbsen. 116; Ausgereift nach Form und Inhalt. 12, 197) etc. —
b) [2] Wo .. den Wein ausreifet die Herbstnacht. 121 etc. —
2) [4c] Den Büchsenlauf’a. — Be-:
1) [3] tr.: mit Reif bedecken: Der Frost hat mir bereifet des Hauses Dach. 1, 369 und intr.: sich mit Reif bedecken, z. B. in Bezug auf das Ergreisen: Wenn .. uns die Bärt werden b. Fastn. 739, 10 etc., am häufigsten im Partic.: Die Wiesen bereift. 14, 180; Bereift sind eure Flügel. 2, 847¹⁷); Ihr durch den weißen Thau bereiften schönen Saaten. (319!); Auf den bereiften Spitzen des . . Kaukasus. F. 3, 19; Sein dünnes Haar bereift mit Duft. 11, 5 etc.; Eis- bereift. 1, 255 etc., ferner z. B.: Ihr braunes Haar, vom Puder wie bereifet. 1, 97 etc. und nam. oft von greisem Haar: Ein bereiftes Haupt. 2, 163; 193 etc.; Mit dem frühbereiften Haar. 2, 342; Wofern zu einem Mann | mit .. halbbereiften Haaren | Frau Klare sich entschließen kann. 11, 297. —
2) [4a]. — I. Durch- und II. Dúrch-: s. ab-r. 1; aus-r.: Diese ganz durchreiften und feinen Früchte. A. 1, 394 etc., vgl.: Trauben, die des Südens Sonne | durch- und durchgereift etc. — Eīn-: z. B.:
1) [3], vgl. ber. 1: Eingereift sind auf der Eisbahn | Locken ihm und Bart. —
2) [4a] Eingereifte Faßdauben. 11, 76. —
3) [4c] Die eingereiften Rillen etc. — Empōr-: auf-r. — Ent-:
1) reifend entsprießen: Süß entreift ihr [der Palme] die Dattel. 145; Was ihrer [der Zeit] Saat entreift. Ep. 1, 267; Was der Natur der Ding’ entreift. 274; Des Ölbaums .., | der jüngst entreift der Erde Schoß. v. 1, 146). —
2) [4a]. — Entgêgen-: z. B. reifend entgegenblinken: Pfirsichbäume, von denen uns die verbotenen Früchte den Sommer über gar appetitlich entgegenreiften. 20, 40 etc. und bes. oft: reifend einem Ziele, seiner Bestimmung etc. entgegengehn, näher kommen (vgl. heran-, zu-r.): Früchte reiften mit gedrängtem Segen | der nah und nähern Sonnengluth entgegen. 6, 50; 1, 272; Ob reifet ihre Saat | der Sichel schon entgegen. 3, 311; 9; 1, 32; Wenn das Schöne seinem Schicksal so entgegenreift. H. 2, 5; 2, 154; Darüber reifen wir dem Haß .. entgegen. Kl. 3, 241; Des Götterthums, dem wir e. Ur. 6, 8; Nun, da das Fräulein einem Mann entgegenreift. 11, 167 etc. — Er-: aus-r.: Die Kirschenblust (Blüthe) . ., wann sie erreifet hat, schwärzer als die Kohle. Barf. 215. — Hêr- etc.: z. B.: Der Weinstock, | dessen Frucht schon rebengesenkt herabreift. 2, 171 etc.; Reift vollends hinan zum Greis er. 197 etc.; So reifte heran die germanische Kunst, um entgegenzugehn der Vollendung. 4, 192; 6, XIV; 2, 51; Dem jungen Leben, das für eine neue Welt heranreift. H. 1, 47; Die Bewegungen .. sind zu der glühendsten, vollsaftigsten Traube der Revolution herangereift. Rob. 2, 130; 316a; Ep. 1, 107; Daß die Welt zu einer großen Revolution heranreife. 17, 76 etc. und [2]: Reift meinen Willen erst die Zeit heran. Sh. 7, 251 etc.; Ins männliche Alter . . hinüber-r–d. gH. 4, 42 etc. — Nāch-: nam. von Früchten, die, vom Baum genommen, noch erst zur Vollreife gedeihn, milde und süß werden, s. Th. 66; 2, 242 etc.; seltner mit Dat.: reifend nachfolgen: Dem Greise .. | ist schnell das Kind zum Sterben nachgereift. A. 192. — Rāūh- [3]. — Über-:
1) überreif werden oder machen: Der Hanf überreifete. U. 1, 201 etc. —
2) [3]: mit Reif überdecken: Wann der Frost die Halmen überreifet. Mensch 9. —
3) [4a] mit Reifen überspannen: Den Wagen ü., um die Plane zu befestigen. — Ver-: reifend verwelken, vergehn: Jedes erlebte Jahr die Ansicht einer Aue verwelkten Grases! hingestorbener Entschlüsse! zu früh gereifter und verreifter Glückseligkeiten. 4, 450³⁴); Frühlinge blühten und Sommer verreiften. Po. 2, 97; Th. 7, 120 etc. — Vōr-:
1) vorreif werden oder machen: Vorgereifte Treibhauspflanzen. — 2) eine der vollen vor- angehnde und sie vorbereitende Reife erlangen oder — verleihen: Dies vollendete, wozu der Kleine aus Nachahmerei seiner Bekannten schon vorgereifet, eine feste Überzeugung in ihm etc. 70. — Wásser- [3]. — Zū-: reifend einem Ziele zuschreiten, vgl. entgegenr.: Wenn seine Wissenschaft, der Schönheit zugereifet, | zum Kunstwerk wird geadelt sein. 25b; Der Apfel röthet sich und reift der Verwesung zu. NKr. 3, 4 etc.
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