Faksimile 0666 | Seite 664
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Rausch
Rāūsch, m., –es; –e; Räusche; Räuschchen, lein; -:
1) rasch aufloderndes (und vergehndes) Feuer, eig.: (oberd. nach Adelung) Einen R., ein Räuschchen im Ofen machen. 2) (s. 1) übertr. (s. Feuer 5f; Hitze 2a): heftiger Andrang, s. Schm. 3, 139, in der Verbind.: Im ersten R. (vgl. 3b), in der ersten Hitze, im Ungestüm der ersten Erregung. Stalder 2, 264 und z. B.: Im ersten „Rusch“ trieben sie die Feind aus ihrer Gegend. Steinhöwel 14, s. Schilter. 3) (s. 2) gw. aber von der Trunkenheit (s. d. und vgl. als Ggstz. Nüchternheit 1b; d und e), als dem Zustand, in welchem das Blut rascher und heißer durch die Adern pulsiert, die Lebensgeister erregter, aber die Besonnenheit und die Klarheit des Bewusstseins gemindert ist (s. berauschen):
a) eig. (s. 8) von diesem Zustand, insofern er durch den Genuß geistiger Getränke etc. erregt wird (vgl. Affe 1h etc. und s. z. B. 100 Ausdr. Volmann 387 ff.): Ein kleiner, leichter, halber (oder Jesuiter-) R., Räuschchen, Räuschlein (Spitz, Stieber etc.), Ggstz.: ein guter, gehöriger, tüchtiger, derber (W. Luc. 4, 151), starker, dichter, dicker (oder Kapuciner-) R.; Einen R. haben, wie ein Haus. Auerbach D. 4, 272, vgl. haushoch zur Bez. von etwas sehr Großem; Sich einen R. trinken; Einen R. kaufen (Hebel 3, 137 etc.), mitbringen (262; Tieck A. 2, 63), veralt.: zu sich nehmen (Olearius Reis. 375a); Den gestrigen R. (V. Ländl. 2, 296), sein Räuschchen (Arnim 296) verschlafen, ausschlafen; In einen dumpfen R. versinken (87); Sich aus einem dicken R. aufraffen (W. Luc. 3, 191) etc.; Im R. zertrümmert .. | er Schüssel, Glas und Teller. Blumauer 1, 138; Das bacchantische Leben, das endlich alle Verstellung vergaß, brachte mich hernach doch etwas aus meiner Unüberlegung, obgleich noch ganz im R–e (s. b). Heinse A. 1, 169; Im Stieber [leichten R.] .. Was er im Räuschel versprochen. Spindler Vog. 1, 57; Manchem Vollsauf, welcher .. im dicksten R. und Bausch den Geist aufgiebet. Simplicissimus 1, 102 etc.; Ein so allgemeiner R., lobt er auch die Trinker nicht, so lobt er doch den Wein. Börne 1, 313; Es reget der Wein dann jegliche Kraft auf | seines heftigen Wollens. .. Milder ist er . ., wenn das Räuschchen vorbei ist. G. 5, 40; Bist du betrunken, so geh und laß deinen R. bei einem Kammermädchen aus. 34, 222; 28, 288 etc. Bsp. der Mz. ohne Uml.: Lasst uns unsrer R–é Zahl| überschlagen. WhMüller 2, 25; Allda es gute R–e gegeben. Schweinichen 2, 205 etc. und öfter mit Uml.: Da es denn Abends gute Räusche gab. 3, 4; 14; 47; Sealsfield Kaj. 2, 326; Klingemann Faust (1815) 93 etc.
b) (s. a) übertr. auf ähnl. Zustände: Diese Lust ist nicht ein jäher R. | der Sinne nur. Alxinger D. 113; Von der Liebe R. umnebelt. B. 38b; Den R. aus dem Kopf ins Herz zwingen. Cham. 4, 259; Daß die Schauspielkunst den wilden R. der Selbständigkeit, in dem sie sich studentisch austobte, bald durch den kläglichen Katzenjammer einer armseligen Ernüchterung büßen werde. Devrient 1, 285; Wie den Bezauberten von R. und Wahn | der Gottheit Nähe .. heilt. G. 13, 127; Ihr Enthusiasmus veredelte den R. gemeiner Naturen, die sie zum Kampfe anfeuerte. Gutzkow R. 5, 175; Frankreich lebt nicht mehr in dem kecken R–e seiner unüberwindlichen Obmacht, es ward ernüchtert etc. Heine Lut. 1, 217; Reis. 3, 117; Welche süße Träumerei der Liebe! . . In ihrem fortgehenden R. und Fluge. H. R. 7, 15; Hölderlin H. 2, 118; Erhalten Sie in Ihrer lieben Seele das Räuschchen der Freundschaft. Knebel 3, 14; Palleske Sch. 1, 193; Vom R. der Liebe. Rückert Rost. 41a; Diesen R. des Entzückens. Sch. 110a; Den süßen R. des Haufens nicht zu stören. 253b; Im R–e ihrer Freuden. Simrock Gudr. 56; Im R. des Selbstbetruges. W. 20, 217 etc. Bsp. der Mz.: Auch solche warme Rausche zum Guten sind vielleicht nicht gut. H. Erinn. 1, 374; Tristia und Briefe aus Ponta sind Räusche eines Dichters. Hippel Leb. 1, 14 etc.
c) Zsstzg. zu a (was unbez. bleibt), und b nam. nach dem Erregenden, vergl. die von Trunkenheit, Taumel etc., z. B.: Jean Paul’s im Bier- R. gezeichnete, erbärmliche Karikatur [des echten Humors]. Reinhard G. 291; Ein leichter Champagner-R.; Wenn ihm der Doppel-R. (b) der Jugend und des Ruhms | zu Kopfe steigt. Rückert Rost. 19a; IP. 54, 74 etc.; Der Nationalkatzenjammer, den wir jetzt, nachdem der übertolle Freiheits-R. (b) verdampft, auch im politischen Leben der Franzosen bemerken. Heine Sal. 1, 119; Nach schnell verrauschtem Freuden-R. (b) | packte doppelt mich das Weh; Ein Trost kam auf einmal in die Wildhöhle, ein Hoffnungs- R. Kürnberger Nov. 2, 216; Vom Jesuiterräuschlein bis zum Kapuciner-R. (s. a). Schm. 3, 139; So peitschte Luciane den Lebens-R. (b) im geselligen Strudel immer vor sich her. G. 15, 182; Die verathmenden Ohnmachten des höchsten Liebes-R–es (b). Immermann M. 3, 276; Rückert Nal 285; Sind im Lust-R. dabei vorübergegangen. Iffland 3, 3, 52; Mannräuschlein (b) nannte man im 17. Jahrhundert gar ausdrucksvoll die Geliebte. G. 3, 178, so z. B. Schweinichen 2, 111; 131; 188 etc.; Der Nach-R. des Weins, der nachwirkende oder nachbleibende; Wie das Nektarräuschchen [b, der Liebe] schwindet. W. 10, 134; Im Opiums-R. Prutz Woch. 140; Der halbwache Schlummer-R. (b). VWeber 2, 8; Der Menschen Seelen-R. (b), die Liebe. Pfeffel Po. 3, 3; [Die tropische Natur] ruft im ersten Augenblick nur angenehme Gefühle in seiner Seele hervor, aber der Sinnen- R. (b) erlischt. Burmeister gB. 2, 275; Falmerayer Or. 2, 4; Sinnen-R. löscht eine Flamme nicht, | die für das Himmlische erglommen. Müllner 6, 92 etc.; Soldaten-R. SClara EfA. 1, 56; Im Wein-R. Sch. 896a; Dich bethöret der Wein-R. V. Od. 18, 331; 391 etc.; Der Brief hat mich aus einem Wonne-R. (b) aufgeschreckt, in dem meine Seele .. umhertaumelte. Pfeffel Pr. 8, 60 etc. 4) (ver- einzelt, s. 5—7) etwas Rauschendes, Flitter etc. (vgl. R.-Gold etc.): Hätt’ ich irgend wohl Bedenken, | Balch, Bochara, Samarkand, | süßes Liebchen, dir zu schenken, | dieser Städte R. und Tand? G. 4, 84. 5) (vgl. 4) am Oberrhein: ein rauschender Wasserfall: Einem Strom mehrere Räusche verschaffen. Campe, dagegen in Thüringen etc.: Rausche, f., z. B.: In Gebirgsländern, deren Flüsse rasch dahineilen und nicht selten Rauschen, Stromschnellen und Wehre bilden. BSigismund (Gartenl. 10, 123b). 6) (s. 4, 5) das Rauschen, s. d. und Zsstzg., z. B.: Kein matter, wankender Geist, der beim ersten Auf-R. kühler Morgenlüfte in molkige Farbe zerfließt. EWagner 9, 53 etc. 7) (s. 6) R., Laub-R., eine Krankheit der Bäume, wobei das Laub dorrt und rauschend abfällt, der rothe Brand (s. d. 14a), vgl. Laubrost (beim Weinstock). 8) (s. 3a) mundartl. = R.-Korn (s. d.), R.-Beere (s. d.), auch ausgedehnt auf einige ähnl. Beeren. 9) Alb-R., bair. = Alpenrose (s. d.). Schm. 10) Bergb.: „(in Tirol etc.) vollkommen klar gepochtes und ausgesiebtes Erz.“ Adelung; „Stücke Bleierz, die beim Absondern von Galmei und wildem Gestein durch ein Waschwerk am ersten zu Boden sinken.“ Schm.
Anm. In der gw. Bed. 3 altn. rüss, dagegen das Rauschen rusk. Ob und inwieweit Beides urvrwdt oder nur allmählich sich vermischt (vgl. rauschen 1h das letzte Bsp. und berauschen 1 und 2), bleibt fraglich, s. ahd. rüzjan, rüzon, knirschen, schnarchen (ags. hrutan, rausen. Schwäb. W. 426) und rauschen, mhd. rüen, neben riuschen, rûschen (rauschen). Graff 2, 562; Wackern. Gl. 442; 448, vgl. Schm. 3, 139; Stalder 2, 264; 294; Brem. W. 3, 561 und rausch, a. als Nbnf. zu rasch (s. d., Anm.).
Zsstzg. s. 3c, ferner Alb-R. 9; Auf-R. 6; Laub-R. 7.