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Ratte
Rátte, f.; –n; –n-:
1) Bez. für größre mausartige Thiere, deren versch. Gattungen und Arten durch Zsstzg. (s. d.) bez. werden. Ohne Zusatz versteht man gw. die Haus-R., doch in einzelnen Fällen auch die Schlaf- und die Stink-R. In genauerer Unterscheidung braucht man für die letztgenannten beiden Thiere die Form: Ratz, m., für die Haus-R. aber: R. oder Ratze, f., obgleich z.B. bair. auch hier der Ratz gilt (s. Schm.) etc. und auch sonst zuw. die best. Angabe des grade gemeinten Thiers schwer fällt (s. Spiel-R.):
a) z. B. von der Haus-R. (vgl. R–n-König etc.): Die R., sie raschle, so lange sie mag! | ja, wenn sie ein Bröselein hätte! G. 1, 157; 161; 11, 62; Es war eine Ratt’ im Kellernest | . . . Die Köchin hatt’ ihr Gift gestellt. . . . Sie fuhr herum, sie fuhr heraus | und soff aus allen Pfützen, | zernagt, zerkratzt das ganze Haus etc. 86, vgl.: Mir war’s in all Dem, wie einer R., die Gift gefressen etc. Stolb. 95; ETAHoffmann Ausgw. 7, 329; Platen 2, 259; Da krabbeln sie nun wie die R–n auf der Keule des Herkules. Sch. 106b etc.; Sie scheren dich so kahl wie eine Ratze. HKleist Hint. 156, s. ratzenkahl; Die Mäuse .. und die Ratzen. Hagedorn 2, 33; 27 etc. Vgl. auch: Ein R–n-Männchen oder R–n- Kater oder Ratterich (ich weiß mich nicht auszudrücken). Rabe Meklbg. (47) 198 etc.
b) von dem Schlafratz, s. Siebenschläfer (auch wie dies übertr. auf Pers. = Langschläfer etc.): Glis ist ein Ratz oder Ratt. . . In latinischer Sprach werden all solche Thierlein, als Ferch, Hermelin, Murmelthier, Jltis [s. c], Marder, Wiesel und andre dgl. alle unter den Namen Maus verstanden. Ryff Th. 56 etc.; Schlafen wie Maulwürf und R–n. Fischart B. 123a; Er schnarchte wie ein Ratz. Goltz 3, 88; Ratz und andre Siebenschläfer. Jahn M. 129; Du bist der Ratzen Art, | du schnaubst die ganze Nacht. Rachel 4, 199; Wenn du nicht satt vom Schlafen wirst wie Ratzen. Rückert Mak. 1, 39; Zu schlafen wie eine Ratze. Temme SchwM. 2, 155; Er schläft bei Tag | mehr als ein Ratz. V. Sh. 2, 46 etc.
c) vom Iltis (s. d.): In Sicherheit gebracht, ungefähr so wie die Küchlein vor dem Ratz sicher sind. Freytag Bild. 2, 396, auch: Pi-, Stänker-, Stinkratz. 2) (s. 1) übertr. auf Personen, z. B.:
a) (s. 1a) Die frommthuenden, aber dennoch sehr bissigen R–n, die in den Sakristeien Baierns und Östreichs herumrascheln. Heine Verm. 1, 105; Der Kater [hier als Bez. des Grafen von Habsburg] schied vom Haus, | nun fechten’s wohl die R–n mit seinen Jungen aus. Reithard 88 etc.
b) In Halle sah ich drei Halloren tauchen,| doch Das ist Nichts, seit ich die Ratz’ erblickt! HKleist 272, dies schwimmende und tauchende Mädchen, s.: Wasser-, Strom-, Land-R. und c.
c) Eine kleine R. von einer Dirne, niederd. Bez. einer kleinen schlauen oder sich schon einigermaßen fühlenden Dirne, s. Brem. W. 3, 533; Schütze Holst. 3, 309 etc., s. d und Brot-R.
d) (s. c) Kleine Anfänger und Anfängerinnen [beim Ballett] mit dem technischen Ausdruck „R–n“ genannt. Hackländer Nam. 1, 267; 271 u. o.; Mehre junge Tanznixen der Pariser großen Oper, welche man R–n nennt. Heine Lut. 2, 261 etc.
e) s. 1b.
f) s. Zsstzg. 3) (s. 1a) = wunderliche Laune, Marotte (s. Maus 1c und g und Grille 2): Wenn dir eine R. durch den Kopf läuft, daß du einen Morgen Nichts reden magst oder bei Tische das Maul hängst. G. 34, 213; Meine Frau hat heute so ihre R., sie meint Das nicht so arg. vHorn rhD. 2, 214; Es ist ein junges Blut und wenn Denen die R. durch den Kopf läuft. Jfland 3, 1, 113; Warum soll ich dir meine R. verbergen? L. 13, 358; Allem Vermuthen nach müssen sie [die Abderiten] die R–n in ihren Köpfen, die sonst immer mehr Spuk darin gemacht hatten als alle R–n und Frösche in ihrer Stadt und Landschaft, in Macedonien zurückgelassen haben. W. 14, 197 etc. 4) Kegelsp.: = Fuchs 10: Es muß möglich sein, wie es in der Kunstsprache heißt, eine „R.“, ein ,,Loch“, sowohl als eine Methode zu schieben. Gartenl. 9, 684a etc. 5) s. Rade I, Anm. 6) s. Rappen I. 7) s. Roche.
Anm. In Bed. 1 (nam. 1a) ahd. rato, mhd. ratz, ags. ræt, vergl. die roman. Formen Diez 282, vergl.: Herr Rattbot! [Anrede an eine Maus]. Ramler Lichtw. 37 etc. Wohl ursp. das „nagende“ Thier, vgl. mundartl. Ratz, f. (Schwäb. W.), m. (Schm.) = Raupe (dazu: Bäume (ab)- ratzen = (ab)raupen, von Raupen säubern), s. lat. rodere, nagen etc. und Ratz 2e. Spate 2, 7 (vgl. 1, 1859 und 1524) untersch.: Die Ratzen (1a) und die Rāzen = Saugflasche.
Zsstzg. vgl. die von Maus, zur Bez. der theilweise schwankenden Gattungen und Arten von [1], was unbez. bleibt, s. namentl. Giebel, Oken etc. mit der Nbnf. Ratze und Ratz, welches letztre für die Zsstzg. von [1b und 1c] das Gw. ist, z. B.: Álp(en)- [1b]: Murmelthier, „Bergratz“.
Anēas-: Didelphys dorsigera, die Jungen in Gefahr auf dem Rücken tragend, wie Aneas seinen Vater durch Troja’s Flammen.
Bérg-: s. Alp-R.
Bēūtel-: Didelphys: Beutelratze. W. Luc. 4, 167.
Bílch-: Neotoma.
Bīsam-: Ondatra.
Bórken-: Phloeomys.
Bórsten-: mit borstigem Haar, in Agypten. Brōt- [2c]: Bez. für die „Brot verzehrenden“ Kinder.
Búsch-: Didelphys virginiana.
Dách-: Mus tectorum.
Félsen-: Petromys.
Férkel-: Capromys.
Grúnd-: Aulacodus swinderianus.
Hāsel-: Haselmaus.
Hāūs-: Mus rattus, nach den versch. Räumlichkeiten: Keller-, Kirchen-, Kloster-, Küchen-, Mühl-, Stall- R. etc., die aber auch übertr. auf Pers. gelten [2].
Höllen-: z. B. übertr.: Das heil’ge Tau des Glaubens ist zerrissen, | das diese Welt an ihren Gott gebunden, | vom Nagethier, dem Zweifel, überwunden, | vom Zahn der H. abgebissen. Lenau A. 65.
Hólz-: s. Holzmaus und Mause-R.
Kä́nguruh-: Hypsiprymnus.
Kéller-:
1) s. Haus-R.
2) [2] Jemand, der sich viel in Kellern und Spelunken aufhält.
3) eine Art dünner aufgewickelter Wachsstock, nach frz. ratde–cave, vergl. Schleppkatze. Kírchen-: s. Haus-R. Klétter-: Ferkel-R. Klōster-:
1) s. Haus- R., z. B. w. 11, 266.
2) s. [2a] Heine. Kórn-:
1) Hamster.
2) [5]. Küchen-:
1) s. Haus-R.
2) Küchenjunge, s. Schm. Lánd-: Gegensatz zu Wasser-R., eigentl. und namentl. [2] im Mund der Seeleute verächtl. Bez. für Nicht- Seeleute (s. Landkrabbe, Sand-, Strom-R. etc.): Der nichtsnutzigste Sandpatscher von euch L–n. Höfer Leb. 86; Laube Kön. 1, 63 etc., dazu: Daß wir allgemach anfangen, das Landrattenthum abzustreifen [uns zur Marine zu bilden]. LHerbert Nap. 2, 116 etc. Lánzen-: Loncheres. Māūs(e)-:
1) Haus-R., s. Rattenmaus. 2) [2] mausende (s. d. 3b) Pers., ähnlich: Stehlratz. Schwäb. W.; Holz-R., Holzdieb, Forstfrevler. Mǖhl-:
1) s. Haus-R., nam. bair.: Der Mühlratz.
2) [2] Spottbez. für (diebische) Müller. Nīl-: Ichneumon: Die Nilratze kann unmöglich eine stärkere Antipathie gegen Krokodile haben. Thümmel 7, 64. Pérchal-: Mus perchal. Phārao(n)s-: Nil-R. Pī- [1c]. Pīlori-: Mus pilorides. Ráms-: Cercomys canicularis. Sánd-:
1) Geomys pinetis. 2) [2] = Land-R. (2). Schlāf-:
1) [1b] Die Bilche oder Schlafratzen. Oken 7, 765.
2) [2] Einer, der viel und lang schläft. Schwánz-: Aneas-R. Schwimm-: Hydromys, vgl. Wasser- R. Spīēl- [2]: Einer, der aufs Spiel versessen ist: Blücher, diese alte Sp. Heine Verm. 1, 24 etc., häufiger Spielratz(e), s. Bernd; Schm.; Schwäb. W., vielleicht nur Umdeutung, s. böhm. hraó [spr. Ratz] = Spieler (vgl. auch rasseln 2). Spítz-: Gymnura. Spríng-: Springmaus. Stáchel-: Echinomys. Stáll-: s. Haus-R., auch [2]: Die Roßführer, Eselstreiber und St–n. Garzoni 574a. Stä́nker-, Stínk- [1c], auch [2]: Du Lumpenpack, du Bagage, du Stinkratze! V. Sh. 3, 249. Stêhl-: s. Maus-R. Strōm-: s. Wasser-R., eig. u. übrtr. [2] als Bez. von Flußschiffern, im Ggstz. der das Meer befahrenden (vgl. Land-R.): Du St.! Salzwasser ist lustiger. HSmidt gL. 2, 48. Súmpf-:
1) Schwimm- R.
2) [2] verächtl. Bez. für Bewohner von Sumpfgegenden. Táschen-: Ascomys. Wáld-: Beutel-, nam. Busch-R. Wánder-: Mus decumanus. Wásser-:
1) Arvicola amphibius. 2) [2] Seemann, s. Land-R. 2; Strom-R. etc.: Sie können gar nicht denken, was diese W–n zusammenfluchen, den Sund verwünschen. Mügge Silt 4, 164 etc.