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bequemen
Bequēmen: 1) tr.:
veraltend (a) und veraltet (b—f):
a) zu Etwas bequem (s. d. 2) oder passend machen, anpassen, dazu oder danach einrichten: Ich mag der Erfahrung einen Gegenstand b., wie ich will. Kant 2, 386; Einen Riesentanz . ., darinnen sie das Schwirren ihrer Fessel nach dem Klange der Saiten bequemten [die Ketten nach dem Takt schüttelten etc.]. Lohenstein A. 1, 1355; Unter den Stuben war auch eine zum Balbieren und Putzen bequemet [eingerichtet]. Mandelslo 70a; Nachdem er sein Gut und Erbe in Taschenformat bequemt [eingesackt, in die Tasche gesteckt]. Musäus M. 3, 115; Sie suchen, die übrige Welt nach sich zu b. Tieck 9, 80 etc.
b) (s. a) bewirken, daß das (persönl.) Obj. sich schickt und fügt (vrsch. e): O Geist, den Nichts bequemt [beugt]. Gryphius 1, 491; Du sperrest dich umsonst, wir kommen, .. dich .. | des höchsten Gotts Befehl gehorchend zu b. Weckherlin 728 etc., vgl.: Diese Zwiste hätten beide Theile zu freundschaftlichen Verabredungen b. [beilegen, ausgleichen] sollen. Hippel 6, 59.
c) (s. a) Etwas einrichten (überh.); die dazu nöthigen Anstalten treffen etc., z. B.: Eine Hochzeit (Opitz W. 1, 181); einen Zug (Werder Ar. 14, 72) b. etc.
d) (s. c) Ich bequeme mir Etwas, treffe solche Einrichtungen, daß es mir zur Benutzung bequem zur Hand ist, z. B.: Christen, die viel Huren sich [Dat.] b. Logau 2, 1, 46, sie sich halten oder zulegen.
e) (versch. b) Jemand b., es ihm bequem machen od. einrichten: Und besser zu b. | das Fräulein, so will er, daß sie das Kreuz [die Kruppe] verlaß | und sich in Sattel setz. Werder Ar. 1, 76.
f) Ein Vieh stirbt hin und seine Noth | scheint hierin wohl bequemt [versorgt etc.]. Roberthin (Wackern. 2, 368⁵). 2) refl.:
a) zuw.: mit persönl. Subj.: sich nach der Gelegenheit einrichten; es sich so bequem machen, als die Umstände zulassen: Die nassen Koffer und Mantelsäcke wurden zu Sitzen gewählt; ein Theil der müden Wandrer bequemte sich auf dem Fußboden. G. 16, 187; Sie hieß mich an den Ofen sitzen, weil es daselbst gute Gelegenheit hatte, sich mit der Laute zu b. Iucundiss. 172; Sich herrlich nur b., | in vollem Sause leben. Logau 3, Zug. 228; Wir, in Feindes Land, | mußten derweil uns schlecht b. [behelfen]. Sch. 321b etc. Gew. aber jetzt = sich in Etwas fügen, schicken, danach richten, sich demgemäß bezeigen etc. (b—h) und zwar:
b) ohne abhängiges Verhältnis, z. B.: Der Vortrag wurde die Hauptsache, das Vorzutragende mochte sich b. Fichte 8, 13; Er gebot ihnen, zusammenzudrücken. .. Man fing an, sich zu b. G. 16, 275; Ich wäre sehr wunderlich und ungeschickt mich nicht zu b. 29, 240; Olearius Ros. 55a etc.
c) mit Infinitiv und „zu“, mit persönlichem (oder personific.) Subj.: sich, den Umständen nachgebend, obgleich widerstrebend zu Etwas entschließen etc.: Nur spät und sparsam bequemte sie sich, den norddeutschen Fortschritten nachzutreten. Devrient 3, 312; Ich mußte mich b., hinabzusteigen. Forster Jt. 2, 171; Er [der Gott] bequemt sich, hier zu wohnen, | lässt sich Alles [wie einem Menschen] selbst geschehn. G. 1, 195; 6, 60; Beide Dichtungsarten sollten sich b., einander gegenüberstehend, sich wechselsweise gleichen. Rang zu vergönnen. 40, 422; V. Od. 13, 265; W. 10, 42 etc. Auch zuw. mit Fortlassung eines Infin. (von Zeitw. der Bewegung): Willst du dich endlich mal her- [zu kommen] b.?; Es war ein Kind, das wollte nie | zur Kirche [zu gehn] sich b. G. 1, 178 etc., versch. e.
d) mit Dat.: Daß Demeter, die Große, | sich gefällig einmal auch einem Helden bequemt [ihm mit ihrer Liebe zu Willen gewesen]. 232; Das Köpfchen | ruhet und drucket den Arm, der sich dem Halse bequemt [sich ihm anschmiegt]. 233; [Sie] | reichet den Rocken der Faust, die sich dem Schmerze bequemt [fügt]. 238; Das Fohlen .. kniet nieder, um [saugend] sich dem Euter zu b. 31, 272; Wenn er sich der fremden Landesart mit Neigung bequemt, deren Sprachgebrauch sich anzueignen trachtet. 4, 158; Ein Ton scheint sich dem andern zu b. 12, 198; Berengarius .. bequemte sich wiederum seinen Feinden. L. 8, 322; Kein Ehrenmann wird sich der Schmach b. Sch. 521a etc. Ferner mit abhäng. Präpos. (e—h), so:
e) Sich zu Etwas b. (vergl. c): Buben, die zu Recht und Pflicht | aus Furcht nur sich b. Freiligrath Pol. 1, 49; Zur Rechtsgelehrsamkeit kann ich mich nicht b. G. 11, 79; Die Masse der Erde hat die Fähigkeit, sich zu der Figur, die das Gleichgewicht Fordert, von selber zu b. Kant 9, 7; Sich zu Amt und Dienst b. Logau 2, 8, 40; Die Stadt bequemte sich zu allen Veränderungen, die er in ihrem Gottesdienst machte. Sch. 843a etc., auch (s. c am Schluß): Da sich aber denn doch der längste Tag endlich zum Abend bequemt [neigt etc.]. G. 18, 111.
f) Sich nach Etwas b., sich danach modeln, fügen, richten etc.: Der Volksgeist bequemt sich nicht nach den Theorien. Auerbach SchV. 88; Wer sich aber nicht nach Rom bequemt, ist den wahrhaft römisch Gesinnten ein Gräuel. G. 30, 44; Das göttliche Wesen . . muß sich überall nach der Materie b., wohinein etc. Heinse A. 1, 243; Er muß sich nach meiner Moral b. L. 4, 402; 1, 301; Eine Sitte, nach der sich auch die mächtigsten Kaiser hatten b. müssen. Sch. 970b; Schlegel Dr. 2, 2, 7 etc.
g) bei „unter“ mit leichter Nüance mit Dat. oder Accus., Jenes, um zu bez.: daß man, unter etwas Zwingendem stehnd, den Widerstand dagegen aufgiebt und sich darin fügt, Dies: daß man sich nicht sträubt, sich unter das Mächtigere zu stellen und ihm zu fügen: Das Kind bequemt sich meist mit Ergebung unter die Autorität der Eltern, der Knabe sträubt sich dagegen. G. 39, 69; Ich lernte, mich unter der Noth b. Tieck 2, 350 etc.
h) in andern Fügungen vereinzelt, vralt.: Als sei es ihnen leid, daß sie sich gegen ihm nicht besser bequemet. Olearius 55b = ihm, ihm willfahrt etc.; mit Genit.: Würde mancher Mann | des Bessern sich b. Neumark Lustw. 46. 3) intr. (haben):
a) nur scheinbar, mit fortbleibendem „sich“ (s. d. †) des Refler., im Infin.: Lügen heißt b., | b. heißt politisch sein. Logau 2, 2, 13 etc., s. 4.
b) unpersönl.: Etwas bequemt Einem, ist ihm bequem oder genehm. Campe: Von diesem König nun vernehmt, | soviel ich weiß, wenn’s euch bequemt. Ders. 4) im sächl. Infin. (vgl. 3 und 5), nam. bei Logau (2, 6, 39; 3, 2, 13) = Vortheil, s. L. 5, 308; Das Lust- B. ebd. [erwünschter, behagender Vortheil]. 5) Von einer solchen Bequemung nach heidnischen Jdeen finden sich Beispiele genug in der Bekehrungsgeschichte. Zöllner Reis. 304, s. 2f und an-b.
Zsstzg. z. B.: Án- [1a]: tr., refl.: Etwas oder sich so gestalten und formen, daß es zu etwas Anderm passt, sich Diesem anschließt, anschmiegt und fügt: Den Unterrichtsstoff dem Fassungsvermögen der Schüler a.; Das Zarte und Gründliche seiner Natur gab sich im Gespräch gar liebenswürdig hervor, wo es dem Mitredenden sich mehr anbequemte als sonst dem Leser. G. 27, 214; Daß er sich anbequemte und Gedanken annahm, die etc. Gutzkow R. 9, 251; Ich fühlte, daß ich mich dem Zustande a. müsse. .. Dieses Anbequemungssystem. Immermann M. 2, 134; Viele Versetzungen führten die Völker in eine ihrer heimischen verwandte Natur, so daß sie sich ihr a. konnte. Vischer Ästh. 2, 180; Anbequemung. Ense Tag. 1, 32; Strauß Streitsch. 1, 43 etc.
Eīn-: Das ist der wahre Tod, wo sich das Fortschreitende in den Stillstand e. will und dadurch wirklich aufhört, sich vernichtet. Ense Tag. 1, 310. Hêr- etc.: s. [2c], auch [1]: Deßhalb er denn die .. französischen Opern herüber-zu-b. bemüht war. G. 22, 391, sie dem Deutschen an-b–d herüberzuführen.
Nāch-: tr., refl.: vgl. an-b., auch z. B. im sächl. Infin.: Daß sie bei allem ihren N. dennoch ihren eigenen Sinn behielten. FHJacobi 5, 42.