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quälen
Quǟlen: 1) tr.:
a) Qual verursachen, peinigen: Er wird gequälet werden mit Feuer und Schwefel. Off. 14, 10; 20, 10; Wie die Gottlosen mit Zorn und Gericht gequälet werden. Weish. 11, 10; Sie mit ihren eigenen Gräueln q. 11, 23; Jch bin gequälet von meinen Pfeilen. Hiob 34, 6 etc.; Der von Allem, was die Menschheit peinigt, auch gequälet worden. G. 33, 117; Was einen Menschen quält und Andre plagt. 13, 205; Peinlich q–d, .. Insektenscharen. 313; Die schwarze Galle quält auch mich. Sch. 15b; Da quälte man den Helden mit Feuersgluth den Leib. Simrock N. 2048; Der Gedanke daran quält mich Tag und Nacht; Der Hunger, das Podagra quält ihn etc.
b) (s. a) in abgeschliffnerem Sinn = plagen, lästige Mühe und Beschwerden verursachen: Die Schüler mit unnöthigen Arbeiten q.; Da werden wir durch die Schulklassen gequält und wie Gänse genudelt mit allen möglichen Brocken von Sprachen und Geschichten. Voigts H. 226 etc.
c) (s. b) ungemein in Jemand dringen: Er hat mich sehr gequält [vgl. genöthigt], dort zu bleiben; Er hat (mich) sehr gequält, ich sollte bleiben oder: daß ich bleiben sollte; Sie hat mich um das Buch gequält, so daß ich’s ihr nicht abschlagen konnte, bis ich’s ihr gab; Da fing ich an, mit tausend Zärtlichkeiten | und treuer Bruderliebe dich zu g. Sch. 245b etc.
d) mit Angabe des Erfolgs zu a, b, c: Einen zu Tode (G. 9, 263), ihn (halb) todt, ihm die Seele aus den Leib q. etc.
e) zUw. mit sachl. (einigermaßen person.) Obj., vgl.: Es wird das Werk [das Götzenbild] sammt dem Meister gequälet werden. Weish. 14, 10 etc., nam. (Maler.): Die Farben g., die aufgetragnen mit dem Pinsel so zerreiben, daß sie Frische und Glanz verlieren etc., s. Quäler 1H. 2) intr. (haben) oder vielmehr (s. 1) ohne Nennung einer Person, z. B.: Wer leise reizt und leise quält [1a]. G. 10, 229; Der Andere quält um Nichtigkeiten [1c]. Immermann M. 4, 92; Die arme Frau .. | ist eine Christin, muß aus Liebe q. [1b]. L. Nath. 5, 3; Da Ahndung eines Übels oft mehr quält [1a] als Überzeugung. Tieck Cymb. 1, 7 etc., s. auch 4a. 3) refl. (s. 1), z. B.:
a) (s. 1a) Qual empfinden: Besser wär’ ein kurzer Tod, | als sich so lang zu q. in unerhörtem Leid. Simrock N. 2025; Wenn Gott den Kranken doch erlösen wollte! er muß sich schrecklich q. etc.
b) (s. 1b) Mühe, Beschwerde, Sorgen auf sich nehmen, sich mühen, abarbeiten etc.: Solche unselige Mühe hat Gott den Menschenkindern gegeben, daß sie sich darin müssen q. Pred. 1, 13; Sich mit Etwas, um Etwas, für Andere q.; Wenn man sich den ganzen Tag gequält hat, will man doch wenigstens des Abends Ruhe haben; Wenn du lange dich gequälet, | weiß er gleich, wo dir es fehlet. G. 4, 46; Die am Phänomeon sich freuen, | mehr sich mit Gedanken q. 6, 104; Zween abgelebte Kater | quälten sich, ihm beizustehn. Lichtwer 33; Mit Gesindel jeder Art muß er sich von Sieg zu Sieg a. Grabbe Hann. 9; Ich will mich darum nicht weiter q. [mir Sorge darum machen]; Ich muß mich sehr q., meine Familie anständig zu ernähren etc., vrsch. c.
c) (vgl. a, vrsch. b): Warum quäl ich mich, eine That zu wagen, die zu wagen ich schon von Anbeginn der Welt bestimmt war? FMüller F. 95 = warum zögr’ ich und lasse mich durch die Gewissensqual, die ich empfinde, von der That abhalten?
d) (s. b u. 1d) Wo man bedrängt von tausend Hindernissen, | sich müde quält und dennoch muß verderben. Platen 2, 140; Hab’ ich doch über dem Zeuge, wie brav der Nachbar mir beistand, | fast mich von Sinnen gequält. V. 2, 91 etc. 4) Adjekt. Partic.:
a) des Präs. (s. 2): Q–de Zweifel, Gewissensbisse etc.; Ein für mich sehr q–des Gefühl, auch (s. decken, Anm.): Daß ihm dieser Streit q–d war. Schubart Nachts. 169 etc., aber ugw. (oder Druckf.?): Fragt, | was Jedem von uns quält. Dyk 8, 415.
b) pass.: Ein gequälter Mann, der gequält wird, oder: sich quälen muß; Der Menschheit Angst und Wehen | fühlet mein gequältes Herz. Sch. 55b etc., auch mit Bstw. (entsprechend einem „von“): Zu wogen schien ein klarer See davor, | den Durst gequälten lockend. Cham. 4, 30 etc. u. als Ggstz.: Von Geiz und Hochmuth ungequält. Nicolai 1, 100 etc. 5) dazu:
a) Quäler (s. u.).
b) selten: Gestorben in Angst und „quelung.“ Eppendorf 12, vgl.: Es sieht das halb Theil des Lebens dem Tod gleich oder „erquelung“, so wir nit Ruh haben. 31.
Zsstzg. vgl. die von martern, peinigen, mühen, ringen etc., z. B. Áb-:
1) [1d] Einem Etwas a., es von ihm durch Quälen erhalten; ihn so lange quälen, bis er es giebt: Der mir endlich einen Brief abgequält. L. 12, 378; Die Pfennige, die er euch abquälte. Sch. 104a etc., auch: Diese dem Verstand abgequälten Bilder und Allegorieen. Gutzkow Z. 4, 241 etc., vgl. abringen. 2) [1d; 3d] Einen, sich a., müde quälen, verstärkt ver-, zer-q.: Der .. uns wie die Pferd’ abquälet. V. 2, 7 (vgl. abrackern, abmarachen etc.) und nam. refl., vgl. sich abarbeiten, abmühen: Der Knabe quält sich förmlich ab, ein Jüngling zu werden. Gutzkow R. 3, 242; Wollt ihr euch mit der Schaufel und Haue um einen Bissen trocken Brot a. Sch. 109a; Der hat sein ganzes Leben lang sich ab- | gequält, sein altes Grafenhaus zu fürsten. 391a etc. und im subst. Infin. ohne sich (s. d. †): Aus dem A., immer originell und frappant zu sein. ETAHoffmann Ausgw. 7, 438. Án- [1d]: Einem Etwas a., ihn so lange quälen, bis er es annimmt; Kritikaster, die .. sehr beschränkte .. Begriffe sich angequält. Heine Lut. 2, 4, sie mit Müh und Qual sich angeeignet. EWagner 10, 29 etc. Āūf- [1d], z. B.: Von Liebesjammer unerträglich aufgequält. G. 10, 302, qualvoll aufgerieben; Einem Etwas a., aufdringen etc., auch [3b]: Er quälte sich nicht weniger mit Zweifeln und Sorgen auf und nieder [mit auf- und niederschwankenden Zweifeln etc.]. Möricke N. 255. Āūs- [1d]: Ich müßte mir die Seele a. Tieck N. 7, 229; Ob das Mädchen sich verzehrt und [sich] sein armes junges Leben ausquält. G. 9, 252 etc., auch intr.: zu Ende quälen; aufhören zu quälen. Be-: veralt. st. des Grundw.: Tantalus, welcher mit dieser Pein bequälet wird, daß etc. Schaidenreißer 50a; 47a; 70b etc. Danīēder- [1d]: Dieses Land, | das so mit Mißwachs Götterzorn daniederquält. Solger Soph. 1, 17. I. Dúrch-, z. B.:
1) Eine Zeit d., qualvoll durch-, hinbringen; Nach hundert durchgequälten Stunden. Kosegarten Po. 2, 339; O selige Nacht! .. Ach, der traurigen, die ich d. mußte, waren auch zu viele. B. 253b etc. (s. II). 2) refl.:
a) [2d] sich qualvoll und kümmerlich durchbringen: Jch habe Jahre lang | mich durchgequält. G. 4, 43 etc.
b) sich ab-q.: Sich mit Reue durch-zu-g. 3, 127. II. Durch-: mit durchdringender Qual füllen, quälend durchbohren (s. durchmartern und I): Daß sie die Kinder der Kirche.. mit ihren giftigen Pfeilen d. Luther 1, 539b; Er war mit Hunger so durchquält. Waldis Es. 351a etc. Eīn- [1d]: Steffen’s langweilige Lebensbeschreibung, die mir in Sanssouci eingequält worden ist. Humboldt Ense 96, vgl. an-g. Entgêgen- [3d]: Warum quälen [bemühen] Sie sich mir entgegen? Höfer Hausbl. (60) 1, 46. Er- [1d]: Wer nicht .. Sinn für Volksthümlichkeit hat, wird keine Geschichtsschreibung ersitzen, erochsen ..., erquetschen, e., ergrübeln. Jahn M. 294 etc.; zuw. auch st. des Grundw.: Erquälter Missethäter Blut. Michaelis 137, s. [5b]. Hêr-, Hín- etc. [1d; 3d]: Er hat ihn zu sich hingequält, ihn so lange gequält, gebeten, bis er hingegangen; Einen hin-q., todt quälen, z. B. H. Merck 2, 17; Rollen- hagen Fr. 42 etc. (s. Hin 4) etc.: Sich noch einige Zeit hin-q. (s. Hin 3); Quält Mancher sich um Nicht’ges | in einer Woche hin [bewegt sich mühvoll von hier dorthin], könnt’ ich denn nicht | in einem Tag hin gleiten. Tieck Cymb. 3, 2 etc.; Sie hat sich mühsam durch das Gestein hin- aufgequält [hinaufgearbeitet] und quält nun Jeden . ., den sie hinaufführt. G. 15, 27; Ein aus der Bauchhöhle mühsamheraufgequälter Ton. Seydelmann 262 etc.; Hauptgut oder Interessen herbei-zu-g. [mühsam herbeizuschaffen] genöthigt. W. H. Sat. 1, 3, 87 etc.; Sich an (G. 27, 29; 33, 244) oder mit Etwas herum-q. etc. mit Andern gemeinsam etc. Nāch-, z. B.: Giftig ist jeder Nachwinter des Nachzürnens; höchstens ein Nachleiden, nicht ein N. ist erlaubt. IP. 36, 125. s. danieder-q. s. ab-q. 2, durch Qualen verderben, zu Grunde richten etc.: Römische Schuldichter, mit denen meine Jugend inzwischen verquält worden war. Arnim XV; Als sollte sie ihr Leben an ihm [wie an einem Marterpfahl] v. 326; Die mir zu schaden sich v. G. 3, 112; Der Geist .., | verquält in stumpfer Sinne Schranken. 12, 301 etc. Zer- [1d; 3d]: (s. ab-q. 2) bis zur Zernichtung quälen: Sich um Abgaben und Zinsen z. Brentano Wehm. 138; Die Schmerzen alle, welche mich z. Daumer 1, 13; Kriegsvölker, die das ganze Land durchraubten und die Einwohner grausam zerquälten. Ense Biogr. 4, 198; Freytag Bild. 2, 186; Von heißer Reu zerquält. Reithard 349; 102; Du .. | zerquälst dich, das Unmögliche zu wissen. Sch. 600a; Bange mit Thränen und Seufzern und innigem Gram sich z–d. V. Od. 5, 83; 157; Trauernd das Herz um Diese zerquält er sich. Jl. 18, 446; Zerquält den Kopf nicht mit Ausgrübelung! Sh. 1, 100; Zelter 1, 464 etc.
Mít-: Nīēder-: Ver-: