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Philister Philisterei philisterhaft philisterios Philisterium philistern Philisterthum philistrieren philistrig Philistrismus philiströs
* Philist~er, m., –s; uv.:
1) Bewohner von Philistäa, dem Landstrich im Südwesten Palästina’s, aus der Bibel bekannt als Feinde des „auserwählten Volks“: P. über dir, Simson! Richt. 16, 14 etc.; Trat hervor aus den Lagern der P. ein Riese mit Namen Goliath. 1. Sam. 17, 4 etc. und anspielend darauf (s. 2): Ich hatte lange gewartet, ob sich Niemand an den plumpen Goliath der gelehrten P. machen wollte. L. 12, 222; Daß ich mich einst räche an diesen P–n [wie Simson]. Stilling 2, 10; Den ungläubigen P. V. 4, 119 etc.
2) burschik.: ein Nichtstudent (vgl. Barbar und über den Urspr. der Bez. Wiedeburg Beschr. d. Stadt Jena 1785 S. 155 und danach z. B. Hausbl. (1860) 1, 151 ff., vergl. auch: Pegen, ein Schmähwort, so die Studenten auf Universitäten Denen geben, die nicht ihres Ordens sind. Jablonsky 787a):
a) nam. der Hauswirth des Studenten, best.: Haus-P., weibl. Philistresse. Vollmann und Phileuse, s. o.
b) der Pferdeverleiher: Eine rossige Stute, welche der P. uns eingespannt. CFBahrdt 2, 91 etc., best.: Pferde- P.
c) überh. Jeder, der nicht oder nicht mehr Student ist: Bemooster Bursche zieh ich aus . . . Muß selber nun P. sein. Schwab; Und soll ich nach P.-Art | mir Kinn und Wange putzen. Cham. 3, 197; Immermann 12, 8; Ein geborner Feind vom Fuchs und vom P. Zachariä 1, 4 etc.
d) übertr. wie Pfahl-, Spießbürger etc. zur Bez. eines ledernen Menschen von beschränkten banausischen Ansichten, der für das Höhere und für eine freiere, geniale Auffassung keinen Sinn hat, s. Volmann 364 ff.; Ausw. d. Lieder; Benedir 1, 138; Bodenstedt 2, 215; Börne 1, 261; 3, 213; 5, 249; Echte Studenten (nach meinem Sprachgebrauch heißen alle fortschreitenden, nicht P. gewordenen Gelehrten so). Cham. 5, 153; Der Blocksberg ist der lange Herr P., | er macht nur Wind wie Der. Claudius 3, 117; Aus jungen P–n werden alte P. und wer dagegen einmal wahrhaft jung gewesen, Der bleibt’s Zeitlebens. Eichendorf Lärm 55; Was ist ein P.? | ein hohler Darm, | mit Furcht und Hoffnung ausgefüllt. G. 3, 121; 2, 208; 303; 7, 179; Les’ er die Zeitungen, wie jeder P. und trinke Kaffe wie jede alte Frau. 18, 41; Daß er [Grübel] mit Bewusstsein ein Nürnberger P. ist. ... So einen wackern Bürger. 32, 138; Weil sein Geist reger ist als der des P–s, der Nichts wagt und deßhalb nur gewinnt. Gutzkow R. 7, 387; P., deren Zopf unter der rothen Mütze hervorlauscht. Heine Lut. 2, 89; 1, 106; Reis. 3, 7; P. ist ihm Jeder, in dessen Produkten .. nicht eigentliches Genie ist. WHumboldt (Forster’s Br. 2, 813); Jahn V. 243; O du krasser P.! Körner 248b; Platen 2, 139; Ein P., wie Nikias, konnte einen von [dem genialen] Alkibiades entworfenen Plan unmöglich ausführen. Rüstow gK. 81; Sch. 26a; G. 1, 254 etc.
e) Zsstzg. z. B.: In Kneipen und Wirthshäusern vor den Bier-P–n (c) zu singen. Prutz Mus. 3, 44; Eine pompöse Pauke hast du den Dorf-P–n [Bauern] gehalten. Holtei Mensch. 2, 37; Ein Erz-P. (d), s. Stock-P.; Mein Haus-P. (a). Cham. 5, 93; Sind es doch italiänische Orangen-P. und keine plumpdeutschen Kartoffel- P. Heine Reis. 4, 15; Pferde-P. (b). Scherr Pr. 64; Mit den Augen eines Reise-P–s. König Leb. 1, 150; Ein Stock-P. KlGroth 119, s. Erz-P. etc.
3) burschik.:
a) eine Neige im Glas.
b) ein Rest in der Tabackspfeife Beides auch „Polack“.
4) Böttcher.: ein eingeschobnes Stückchen Holz, wodurch ein zu weiter Reif festgehalten wird, „Schwabe“ (s. d.).
5) Tuchmach.: abgenutzte Kardätschen zum Rauhen des Tuchs etc.
~erēī, f.; –en:
Wesen und Thun eines Philisters (2d), Spießbürgerlichkeit: Die P., diese widerliche abgeschmackte Mischung von Engherzigkeit und Geistesflachheit. Börne 2, 381; Eingefangen von ihren Fraubasereien und P–en. G. 14, 158; 3, 238; Gegen Alles, was wir unter dem Wort P. zu begreifen gewohnt sind, gegen stockende Pedanterei, kleinstädtisches Wesen, kümmerliche äußere Sitte, beschränkte Kritik, falsche Sprödigkeit, platte Behaglichkeit, anmaßliche Würde etc. 27, 429; Die heimathlichen Verkehrtheiten und P–en. Heine Sal. 1, XIV.
~erhaft, a.:
in der Weise eines Philisters (2d): Wer entband euch aller Schranken | p. einklemmender Gedanken? G. 12, 92; 27, 206; In der p–en Verzopfung. Lewald Ferd. 1, 43; Sch. G. 2, 96; Tieck N. 4, 402 etc.; Die P–igkeit. Prutz GschTh. 323; DMus. 1, 1, 75; 1, 2, 575 (Waldau) etc.
~eriōs, a.:
philisterhaft. Keller gH. 2, 56.
~ērium, n., –s; 0:
der Stand eines Philisters (2c): Jns P. treten etc.
~ern, intr. (haben):
sich als Philister (2d) behaben (s. philistrieren), auch tr: z. B.: Daß Sie das unschuldige muthige Jugendleben und die unschuldige Zunge ein wenig p. [nach Philisterweise in Zaum halten etc.]. Arndt Ber. 154 etc. und Zsstzg. z. B.: Weil das sich Neugestaltende immer eine unglaubliche Lust hat, sich umzugestalten, um uns einen Schlendrian, über den das ungeheure Unglück uns hinausgehoben hat, wieder mit größter Behaglichkeit an-zu-p. G. Zelt. 2, 253, philisterhaft einzuführen; Daß sie .. sich wie die Seidenraupen einphilisterten. Tieck NKr. 2, 9, sich philisterhaft einspinnen etc.; Wenn aufgedunsne Kleinheit | mißgünstig sich an ihm emporphilistert [philisterhaft hebt]. Platen 1, 257; In Frankreich, wo die meisten Provinzialstädte ver-p. Hartmann (DMuseum 1, 2, 883), intr. (sein): philisterhaft werden, vgl. verbauern etc.
~erthum, n., –(e)s; 0:
Philisterwesen (vgl. Philisterium): Auf andern Wegen würdest du ins P. gerathen. Brentano Fr. 1, 152; Duler Grabbe 60; Kühne Char. 1, 301 etc.
~rīēren, intr. (haben):
philistern: Mag vollends nicht mit dem Heiligen davon p. [in Philisterweise sprechen]. Cham. 5, 154, vgl. ledern.
~rig, a.:
philisterhaft: Eine p–e Natur (Ense Denkw. 6, 367), Bemerkung (Raumer Päd. 3, 2, 227) etc.
~rismus, m., uv.; 0:
Philisterthum. ETAHofmann Ausgw. 7, 359 etc.
~rȫs, a.:
philisterhaft. Freytag Bild. 2, 333; HHerz 108 etc.