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pfropfen
II. Pfrópfen, tr.:
1) (veralt.) ein Pfropf (s. d. I) oder Reis einsetzen, pflanzen: Sie p. noch säen nicht, haben doch keinen Mangel weder an Früchten noch Getreid. Schaidenreißer 36a [9, 108]. Heute gw. nur (s. pflanzen 1) von dem Einsetzen des Pfropfreises zur Ver- edlung auf einen andern Stamm, s. impfen 1 (auch in Bezug auf das Obj.): Ein Edelreis auf einen Wildling p.; Den Wildling p.; Zwei Pfirschen | von einem selbstgepfropften Bäumchen. G. 8, 94; Als .. ich selbstgesä’te Bäume selber pfropfte. 13, 281; Ein Landmann .. sä’t, er pfropft etc. Günther 657; Opitz 1, 125; Die sauren Früchte eines Baums, der ungezwei[g]t (ungepfropft) in der Wildnis aufgewachsen. Pestalozzi 4, 253; Einen Pippin vom vorigen Jahre essen, den ich selbst gepfropft habe. Schlegel Sh. 6, 359 etc.; In den Kerb, in die Krone oder Rinde, in den Sattel, in den Spalt etc. mit dem Auge (s. okulieren), mit dem Klebreis, mit dem Zünglein p. etc. Ubertr.:
a) (s. impfen 2a, auch Bsp.): Ob etliche von den Zweigen zerbrochen sind und du, da du ein wilder Ölbaum warest, bist unter sie gepfropfet. . . So sprichst du: Die Zweige sind zerbrochen, daß ich hineingepfropfet würde . . . Gott kann sie wohl wieder ein-p. etc. Röm. 11, 17—24; Wieland pfropfte ein neues Reis auf den alternden Stamm der Bodmer’schen Poesie. Danzel 406; Als ein abgelöster Pflänzling, auf den eine ganz veredelte Frucht gepfropft ist. Gervinus Sh. 1, 131; Lit. 5, 228; Er erwartet, auf gesunden derben Stamm | gepfropfter guter, edler Früchte sich zu freun. G. 6, 345; Demnach kann wahre Tugend nur auf Grundsätze gepfropft werden. Kant SchE. 23; Er ist einer der Philosophen, auf Schöngeist gepfropft. Klinger F. 50; Der Haß, den man auf verloschene Freundschaft propft, muß unter allen die tödtlichsten Früchte bringen. L. Philot. 3; IP. 58, 175; Du pfropfest in die Brust der Sinnen Wunderkraft. Scultetus (L. 8, 272); Das österreichische Hochdeutsch auf die .. obersächsische Schriftsprache gepfropft. W. 33, 369 etc. Ugw. in der Bed.: [Er] wird gleich Cypressenlaub um meine Schläfe p. Günther 1021, mir Trauer erwachsen lassen, und in der Fügung: In einer auf einer Monarchie gepfropften Republik. Börne Par. 1, 33 etc.
b) (s. impfen 2a) die Häufung zu bez.: Eins aufs Andre, eine Lüge auf die andre p.; Auf das Büchlein ein Buch mit seltner Fertigkeit p. G. 1, 267; Zu intrigieren, um eine neue Fabel auf eine alte p. zu können. 22, 187 etc.
2) (s. II. Pfropf 1 und Anm.) Etwas in einen Raum durch eine enge Offnung hinein pressen und stopfen, und: diesen Raum dadurch füllen, voll stopfen (voll p.): Die Bücher in die Mappe p.; Die Mappe mit den Büchern voll p.; Speisen in den Magen p.; Sich den Magen mit Speisen voll p.; Eine Gans nudeln und p.; Der Mensch kann auf keinerlei Weise das P., Stopfen und Nudeln verdauen. Jahn V. 178; Vollgepfropft | bis an die Kehle. W. Att. Mus. 2, 1, 11; Dich mit Leckerbissen vollzustopfen ... Weil du dich mit Feigen bis an den Hals voll p. kannst. Luc. 5, 141; 2, 27 etc.; Auch hüte ich mich, meinem Knaben den Kopf mit schönen Grundsätzen voll-zu-p. G. 29, 297; Wie die Engländer die französischen Stücke mit Episoden erst voll-p. müssen. L. 7, 67; [Indem er] die hinten weiß gebliebene[n] Blätter mit seinen Ahnen vollpfropft. Stilling 1, 113 etc. und nam. oft: Jeder Winkel ist vollgepfropft und jedes Gesims besetzt. G. 16, 219; Sich über den beschränkten, vollgepfropften .. Marktplatz hindrängen. 20, 14 etc.; Die kleine Stube war von Menschen vollgepfropft. 16, 274; Mit Justrumenten vollgepfropft. 11, 20; Platen 4, 185; Sealsfeld TrR. 1, 120 etc. und in umgekehrter Stellung: Der ganze Rheingau ist davon gepfropft voll. Forster Br. 2, 149, vergl.: Zu voll, zu gepfropft. H. R. 9, 10 etc.
3) mit einem Pfropf (s. d. II 1) verschließen: Das auf Flaschen gezogne Bier muß gut gepfropft werden etc., s. korken.
4) Baukunst: Eine Säule, ein Stück Holz p., mit einem Pfropf (s. d. II 2 und Anmerk.) versehn, ein Ergänzungs-, Verlängrungsstück anfügen (an-, auf-p.), vgl. ein-p. 1c.
5) Dazu nach den versch. Bedd.:
a) Die Pfropfung, das P., z. B. (1a): Die Geschichte .. dieses Volks [,Stamms“] von seinem ersten Keime bis zur Pfropfung. G. 14, 265 etc.
b) Der Pfropfer, p–de Pers., aber auch (s. I. Pfropf) = Pfropfreis. Spate 1, 450. Zsstzg, vergl. nam. die von impfen etc. und korken, z. B.: Ab- [1]: zuw. statt nach-p.
An-:
1) [1] ein Pfropfreis anfügen, s. auf-, ein-p. 2) [2] voll pfropfen: Seine angepfropften Backen. BSternau. 3) [4]. Āūf-:
1) [1] Ein fremdartiges Reis, das der deutschen Poesie mit Gewalt aufgepfropft worden. Danzel 449; Guhrauer Beil. 2, 33; Rußland, dessen halbasiatischer Roheit .. Peter d. Gr. deutsche Bildung aufpfropft. Vischer Ästh. 2, 284 etc.; ugw.: Wenn Aurora .. ihrer Perlen Naß | den Blättern aufgepfropft. Mühlpforth Leich. 280.
2) [4].
3) [3] etwas Zugepfropftes öffnen, ent-p. Be-:
1) [1] mit einem Pfropfreis, übertragen mit etwas Aufgepfropftem versehn, z. B.: [Die neugriech. Sprache] ist . . ästezerbrochen, bepfropft mit mancherlei Fremdartigen. Heinse A. 1, 51.
2) [3]. Bēī- [1]: Der Rose .. pfropft Venus .. die Wollustdörner bei. Lohenstein Ros. 78. Eīn-:
1) [1] Dem Birnbaum ein Apfelreis e. etc., seltner meton.: Daß eingepfropfet der Birnbaum | Äpfel trägt. V. Ge. 2, 33 etc.
a) [1a] Röm. 11, 23 ff.; Er möchte ihr das Feuer ihrer Augen ausstechen, um es seinem Erdenkloße einzupfropfen. Arnim 155; Einem eingeschränkten Verstande Regeln e. Kant 2, 155; Auf ein Ästchen der blätterreichen Büreaukratie eingepfropft. König (Monatbl. 1, 536b); Nicolai 4, 16; Dem aller Laster mannigfache Keime | so eingepfropft sind. Sch. 575a.
b) Die Blattern e., gw. (ein)impfen, s. d.: Die Einpfropfung der Blattern. Zimmermann Nat. 114; 168 etc.
c) (Bienenz.) Einen Weiser e., in einen mutterlosen Stock ein aus einer Scheibe ausgeschnittnes Stück durch ein gleichgroßes, eine Weiserzelle und junge Brut enthaltendes Stück aus der Scheibe eines gesunden Stocks ersetzen.
2) [2] Die in die Schulstube ein- (oder zusammen-) gepfropften Kinder etc. Ent- [3]: auf-p. (3), entkorken: Er entpfropfte eine Flasche Chierwein. Musäus M. 5, 57; Benedix 7, 246. Hinēīn-: ein-p. (1 und 2). Nāch-:
1) [1] einen schon gepfropften, aber noch nicht veredelten Stamm nochmal pfropfen: Mit kundiger Hand Nachpfropfungen vorzunehmen. Scherr Sch. 1, 120 etc.
2) [2] in einen durch Pfropfen schon gefüllten Raum noch Etwas hin- ein-p. Uber-: mit Hineingepfropftem überladen, s. ver-p.: Das Schiff wgr mit Auswandrern fast überpfropft; Der Lehrer hüte sich, das Gedächtnis seiner Schüler zu ü. (od. ver-p.) etc. Unter-: s. II. Pfropf, Anm. und [4]. Ver-: z. B.
1) [3] mit einem Pfropf verschließen, verkorken, selten verallgemeinert: Der Bosheit wird das Maul gestopft | und gar verpfropft. Waldis Ps. 117, 13 etc.
2) Etwas durch Pfropfen verderben, z. B. nam. durch Über-P. (s. d.): Sich den Magen v. [2] etc.; Einen Baum v. [1], durch schlechtes, ungeschicktes Pfropfen verletzen und verderben etc. Übertr.: Man sieht, wie Nichts so leicht zu verschrauben und zu v. ist, wie der vernünftige und allweise Mensch. Zelter 1, 212. Vóll- [2]. Zū- [3]. Zusámmen- [2]: vgl. zusammen-stopfen, -pressen, -pferchen etc.