Faksimile 0475 | Seite 473
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Ohr
Ohr, n., –(e)s; –e; –chen, lein; -:
Nbnf. zu Ohr, doch (s. d. 12) üblich nur in best. technischen Anwendungen, und zwar ein zur Aufnahme von etwas Hinein- oder Hindurchzusteckendem dienender gebogner, rundlicher Theil, z. B. (vgl. öhren 4) nam.:
1) an Nadeln (s. d. 1b) die zum Durchziehn eines Fadens etc. dienende Offnung (vgl. Auge 13b): Ö. einer Näh-, Stopf-, Strick- oder Tapisserie-, Packnadel; Jede Platine [in der Jacquardmaschine] hat ihre Nadel und steckt in einem kleinen runden Ö. desselben. Karmarsch 3, 605 etc.; Wenn ich . . Nähnadeln .. einfädelte, fand ich das Ö. nicht. Platen 4, 14; Mügge Erb. 1, 124 etc.; Es ist leichter, daß ein Kamel gehe durch ein „Nadelöre“ [„Naddelöhre“ Mark. 10, 25] denn, daß etc. Luk. 18, 25; Sie brächten einen Dromedar durchs Nadel-Ö., | geschweige denn ein bloß Kamel! (welch tiefer Geist!). Platen 4, 103; Rückert Morg. 1, 60; Schon der Klang seiner Nase, wenn er sich schneuzte, könnte dich durch ein Nadel-Ö. jagen. Sch. 133b; 195b etc.
2) das zur Aufnahme des Stiels best. Loch in Hämmern, Beilen, Axten, Sensen etc. (s. Auge 13b, schwzr. Öhri): Der Schräm- oder Spitzhammer, über dem Ö–e noch mit einer Bahn versehen. Karmarsch 1, 167; Die Sense mit neuem Ö–e gerüstet. V. 2, 160 (vgl. 222); Die Axt. .. Im Ö–e war ein zierlicher Stiel etc. Od. 5, 235; 21, 422, vgl. Haus 12 und Platte 22 etc.
3) an einer Schere oben die Ringe, wodurch man die Finger zum Handhaben hindurchsteckt. Freiligrath Garb. 15, auch Öhse.
4) Das Ö. oder Ohr (s. d. 12v) eines Schlüssels. 5) bei Knöpfen der in der Mitte des Unterbodens befindl. zur Befestigung dienende Ring oder Haken (Öhse). Karmarsch 2, 445 ff. 6) bei etwas zum An- und Aufhängen Bestimmtem der dazu oben befestigte kleine Haken, Ring, Henkel etc., z. B.: Das Ö. an einem Bilderrahm, an einem Henkeldukaten etc. 7) Hak’ und Ö. (od. Öhse), Heftel, s. Heft 2a. 8) Nach dem Austritt aus den vordersten Walzen [der Spinnmaschine] läuft jeder Faden durch ein Draht-Ö. Karmarsch 1, 142 u. ä. m. 9) (s. Ohr 12f) an Gefäßen (oder deren Deckeln etc.) ein Henkel, Handgriff, Handhabe: Die Deckeln sind oberwärts mit eisernen O–en versehen, um sie mittels einer Zange fassen zu können. Karmarsch 2, 102 etc.; Faßte ein Ö. der Bütte an, um ihr die Last auf den Kopf heben zu helfen. Kinkel E. 396; Einen großen, güldenen Kelch mit zwei Ö–en. Mathe— sius Wag. 102 etc.; Eine Amphora | mit weißen Alabaster- O–en. Freiligrath SW. 5, 191 etc.; Degen-Ö. (od. -Griff), Kannen-, Kessel-, Krug-, Pfannen-, Topf-Ö. Spate etc. 10) (schwzr.) Henkelam ledernen Pferderiem, in den der eiserne Zugstrick eingreift, woran die Pferde ziehn, und: der damit versehne Lederriem, auch: Der Ohrig. Stalder. 11) selten übrtr.: Die schroffen Zacken, die dein Fuß versucht, | die Schlucht, in deren Ö. du schwin- Sanders, deutsches Wörterb. II. delnd hangst. Seidl (Echtermeyer 140), etwa = winzige Offnung, (?, s. 1). 12) Kugel-O., s. Lehre 1f. 13) s. Or.