Faksimile 0456 | Seite 454
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Genuss
Genúss, m., –es; Genüsse; -:
1) (ohneMz.) das Genießen (s. d. worauf sich die Hinweise in [] beziehn, auch 4c u. Genieß), nam. das In-sich-Aufnehmen od. Sich-Verschaffen von etwas unsre finnlichen od. geistigen Bedürfnisse angenehm Befriedigendem u. (mit Mz.) das auf solche Weise Befriedigende, mit subjekt. Genit.: Der G. der Sinne, des Geistes etc. u. oft mit objekt. (s. Zsstzg.): (Un)mäßig im G. des Weins [1a], im G. von Speis und Trank [1], im G. der Liebe oder des Beischlafs [2] sein; Vom G. des Abendmahls [1] ausgeschlossen; Der G. dieser Frucht [1] erregt Erbrechen; Der G. der frischen Luft [2a]; Sich dem G. [2a] des schönen Abends, der schönen Aussicht, der Natur, der Musik, der Ruhe, der Seelenruhe, des Seelenfriedens, seiner selbst hingeben oder überlassen; Seine Unterhaltung ist ein wahrer G. für mich, etwas höchst Angenehmes, Verlangen Erregendes; Das bietet immer neue Genüsse; In sinnlichen Genüssen schwärmen etc.; Ein mißverstandenes Christenthum hat uns den G. gegen die Hoffnung abgelistet. Börne 3, 371; G. selbst scheint mir also als Empfindung ohne Bewusstsein gedacht werden zu müssen. Forster Br. 1, 770; Kein Verschließen gegen die Eindrücke der lieben Mutter Natur, wenn sie uns zum G., zum frohen, ungemischten, heitern G. ruft. 385; Die Schmerzen selbst um solch ein Kleinod sind G. G. 10, 294; 15, 229; So tauml’ ich von Begierde zum G. | und im G. verschmacht ich nach Begierde. 11, 142; G. und Entbehrung. 30, 12; Daß sie immer mäkelnd über Vergangnes, im G–se mißtrauisch sind und sogar schon über die Zukunft grämeln. Gutzkow R. 6, 25; Daß die Sinne in ein Meer von G. versanken. Klinger Giaf. 142; Was nützt die Dauer der Jahre | ohne der Jahre G.? Knebel 1, 19; Genug, daß wir in dem G–se [2b] ihrer Früchte sitzen. L. 4, 99 = im Besitz etc.; Nach des Tages Last und Mühe in frohen Abendstunden durch G. unserer selber .. neue Stärke sammeln. JvMüller 5, 184; Platen 4, 279; Des G–ses wandelbare Freuden | rächet schleunig der Begierde Flucht. Sch. 72a; Wer müßig geht in Überfluß | hat seines Lebens nie G. V. 3, 212; W. 17, 90 etc.
2) weidm.:
a) Der G. der Fährte [3a].
b) G. oder Genieß (s. d. 2).
c) der Magen des Wildbretts (als Behältnis für die genoßnen Speisen).
Zsstzg. zu 1, nam. objekt. oder subjekt. Genit. entsprechend, leicht zu mehren nach den folgenden: Aūgen-: s. Augen-Weide, -Schmaus: Ein seichter A., der nicht in den ganzen Menschen so eindringt wie die Form. Heinse A. 1, 285.
Fést-: festlicher, einen Festtag bezeichnender, ihm gemäßer Genuß: Ach nur einmal deine Lippe | . .. reiche mir zum F. Daumer 1, 74.
Frēī-: freier, durch Nichts beschränkter: Im F. des Guts, das sie erwarben. Matthisson A. 9, 7.
Frúcht-: Genuß von Früchten. Rückert BE. 138 (s. Obst-, Wein- G.); auch = Frucht- oder Nutznießung.
Gēīstes-: geistiger (vgl. Ggstz. Sinnen-G.): Zu höheren, freieren und eben so wahren als dichterischen Weltansichten und Geistesgenüssen vorbereitet. G. 22, 53.
Hōch-: ein hoher, vorzüglicher Genuß: Vollkommner Vaterfreude H. 13, 231; Zum H. des Lebens entzückend. 31, 390.
Kráft-: das Frohgefühl in der Anwendung seiner Kraft. Ense Denkw. 6, 116.
Kúnst-: Genuß, den die Kunst gewährt: In und um Dresden zu Kunst- und Natur-G. sich aufgehalten. G. 27, 256; Es wird immer ein gelehrter K. für wenige Gebildete bleiben. Schlegel Dram. 2, 2, 426; Wo er Diesen tief in den toskanischen Kunstgenüssen traf. Schwab (WhMüller 1, XXX).
Lêbens-: In einem heitern, sittlichen L. aufgewachsen. G. 22, 11; 158; 21, 288; Du strebst nach einem L., den nur innere Vollkommenheit geben kann. W. 17, 92; 22, 101.
Mít-: das Mitgenießen (s. d.); der Einem mit Andern gemeinsame: Es reizt Genuß zum M. am Leben. Arnim 1, XVIII; Eine Leibrente, auf deren M. auch E. Anspruch hatte. LDiefenbach Nov. 217; Das Miteigenthum im Naturzustande, welches richtiger das Recht des M–ses heißen würde. Fichte 6, 143; Eine Flasche, wegen der mich meine Nachbarn beriefen, denen ich sogleich den M. angebot. G. 25, 53; 32, 142; Thümmel 5, 75 etc.
Nāch-: das Nachgenießen, das wonnige Nachgefühl des Genusses. Arnim 121; Wahrer Freude folgt N., Ausgelassenheit rächt mit Nachwehen. Jahn V. 345; 398; Dies zur Vor- und N. so reiche und reizende Glück. König Kl. 3, 243; Auch der N. ist beseligend und der Vor-G. des N–ses. HVoß JP. 4.
Natūr-: s. Kunst-G.: Sinn für N. Ense Denkw. 6, 55.
Öbst-: Mäßiger O. ist gesund.
Prácht-: prächtiger etc.: Mich verschwenderisch | mit Prachtgenossen zu erdrücken. G. 13, 311.
Rūh-: Nach einigen Augenblicken eines solchen süßen R–ses wachte er auf. 29, 221.
Sélbst-: der Genuß des eignen Selbst; der aus dem eignen Selbst entspringende Genuß: Den Künstler muß, nach dem Beispiele der Gottheit, der S. ermuntern und befriedigen, den er sich in seinen eigenen Werken bereitet. Forster A. 1, 84; Ein thätiges Wesen ist alsdann weder frei noch gezwungen, wenn alle Handlungen, die es thut, auf seinen eigenen S. hinauslaufen; gezwungen ist es, wenn sie zum Genuß, den ein andres Wesen hat, abzwecken. G. 32, 80; H. Ph. 3, 254; IP. 36, 88; W. 9, 243 etc.
Sínnen-: s. Geistes- G.: Was wir durch S. erhalten in unserem Leben, | Alles vergeht: wie schnell flieht vor dem Auge der Reiz! | Düfte .. verschwinden etc. Knebel 1, 76.
Über-: übertriebner, unmäßiger: Die Verderbnis der Zeit durch Verweichlichung und Ü. G. 22, 259.
Un-: Ggstz. von Genuß; Pein, Qual: Dieser Peiniger . . | berauschte sich . . in meinem U–se. Thümmel 7, 7.
Vīēl-: Des Weines Gluth, den V. der Speisen. G. 2, 7, den Genuß vieler Speisen etc.
Vóll-: voller, vollständiger, unverkürzter, Nichts ermangelnder Genuß: [Der morgendliche Fleiß] gewährt dem ganzen Tag | Nahrung, Behagen, müder Stunden V. 10, 275; 280; Im V. | der trunknen Lust. Matthisson A. 7, 225; Mügge Standp. 270; Pfeffel Po. 3, 169; Mitten in dem V. des Glücks. Schwegler (46) 43; Sie erquickten mein schmachtendes Herz mit dem so lang entbehrten V–se eines, in der edelsten und weitesten Bedeutung des Worts, guten Gesellschafters. Thümmel 4, 214; Den V. aller geistigen und irdischen Thätigkeit. W. 18, 206; 12, 35; 51 etc.
Vōr-: (s. Nach-G.) das wonnige Vorgefühl des eigentl. Genusses: Sollten die Keime Dessen, was uns begegnen wird, nicht schon von der Hand des Schicksals ausgestreut, sollte nicht ein V. der Früchte, die wir einst zu brechen hoffen, möglich sein? G. 16, 282; V. der Zukunft. H. (Wackern. 4, 448 Z. 31); Des Traumgotts Zauberspiegel, | der diesen V. von seinem nahen Glück | ihm gönnt. W. 11, 221; Wo ich im V. bereits die Hymnen höre, | die mir die Nachwelt singt. 25, 131 etc.
Wéchsel-: z. B.: Bietest dem Auge du stets freundlichen W. [immer wechselnden, neuen]. Platen 2, 301.
Wēīn-: Eine Trunkenheit, die sehr wohl ohne allen W. denkbar ist. Daumer 1, IV.
Wélt-: (vgl. Lebens-G.): Hier [in Aristipp] sind Philosophie und W. durch eine kluge Begrenzung so heiter .. verbunden. G. 27, 433.
Wōhl-: ein wohlthuender, mit Wohlbehagen erfüllender Genuß, vgl. Hoch-G.: Wann mich ihr Purpurmund begabt, | ach welch ein W.! B. 13a; Ein Wesen, bei dem die erste Sprosse seines W–ses und Verstand doch nur aus sinnlichen Empfindungen keimt. H. Ph. 4, 131; Abneigung vor Schmerz, Verlangen nach W. Forster Voln. 29 etc., auch: etwas solchen Genuß Gewährendes: Von hier aus wurden diese Wohlgenüsse auf ägyptischen Schiffen durchs rothe Meer geführt. 24 etc. U. ä. m.