Faksimile 0441 | Seite 439
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niedrig niedrigen Niedrigkeit Niedrigung
Nīēdrig, a.:
Ggstz. von hoch (s. d., nam. 2 und vgl. nieder 2): 1) körperlich, von geringer Höhe, sich wenig über den Boden erhebend, eine relative Bez., abhängig von dem angelegten Maßstab, Vergleich etc.: Dieselbe Erd-Erhöhung kann, als Hügel betrachtet, hoch; als Berg, n. heißen; N–e Bänke (s. 2d), Schemel, Stühle, Stufen, Stuben, Häuser, Hütten, Sträuche, Absätze an den Schuhn, Wälle, Schäfte der Seidenwirker, Schäfte an den Stiefeln, Ufer etc.; Durch ein n–es Wasser kann man hindurch waten, nicht durch ein tiefes (s. d.); Der n–e Flug eines Vogels; Der Vogel fliegt n.; Etwas hängt, liegt, steht n.; Mit dem Kopf sehr n. liegen; Den Kopf, die Hand etc. n. halten; Ein Bild etwas n–er, um 2 Zoll n–er hängen; Eine etwas n–ere Bank; Die n–sten Bänke, Berge etc. Weidm.: Der Hirsch geht n. [Ggstz.: hoch], wenn er das Geweih abgeworfen und noch nicht wieder bekommen. 2) übrtr.:
a) von Zahlen etc.: Eine n–e [aus wenigen Einheiten bestehnde, kleine] Zahl; Diejenigen, welche eine n–e Nummer ziehn, haben sich festgelost; Der n–ste [geringste] Einsatz, Gewinn etc.; Der Preis ist sehr n. gestellt, berechnet; Zu n–en Preisen ein- und zu hohen verkaufen; Der Zinsfuß ist sehr n. etc.
b) Mus.: N–e [Ggstz.: hohe, s. d. 2a] Töne, gew.: tiefe, dagegen n., insofern ein Ton die Höhe, die er haben sollte, nicht ganz erreicht: Das Klavier stimmt nicht, das tiefe C ist fast um ¼ Ton zu n.; Die n–e Stimmung der Instrumente; Der Kammerton ist fast um einen ganzen Ton n–er [oder tiefer] als der Kornett-Ton etc.
c) von Farben, im Ggstz. zu hohen [s. d. 2a od. tiefen] Farben gew. nur in den Blaufarbewerken: N–e Smalte, helle, hellblaue, s. Äschel.
d) infofern in einer geordneten Reihe das über Etwas Stehnde das Bessere, das unter Etwas Stehnde das Schlechtre, Geringre, von geringrem Werth etc. ist, wobei jedoch zu bem., daß, wo in Bezug auf Rangordnung nur Zweierlei einander entgegengesetzt oder höchstens noch ein Drittel als Mittleres angenommen wird, gew. nicht n., sondern nieder (s. d. 2a) steht, also z. B.: Hoher und niedrer Adel; Hohe, mittlere und niedere Jagd etc.; Leute aus den niedern Ständen, wo man eben nur Zwei- oder Dreierlei annimmt: höhere, mittlere und niedere, also mehr umfassend u. darum nicht eine so tiefe Schichte bezeichnend wie: Aus den n–en Ständen; Aus einem der n–sten Stände; Die Parias sind die n–ste Kaste; Aus Unternach Ober-Sekunda, d. h. aus der niedern Abtheilung in die höhere versetzt werden; Aus einer n–en Klasse in eine höhere versetzt werden; In der Klasse auf einem n–en Platz, auf einer n–en Bank, sehr n. sitzen (vrsch. 1); Auf einer sehr n–en Stufe der Bildung stehn; Die N.-Gebornen. Börne 2, 360; Der am meisten elende und n–ste Theil der Bevölkerung. Stahr Par. 2, 206 etc.
e) (s. d) in Bezug auf geistige Höhe sich wenig erhebend, des geistigen Schwungs ermangelnd, oft ganz nahe an f (s. d.) grenzend und unmerklich darein übergehnd: In der n–en Schreibweise würde ein so dichterischer Ausdruck stören; Der Schauspieler zog die n.-komische Rolle ins Gemeine (s. d. 3e); Daß das edle Komische wenigere heftige Gestus erfordert als das niedre Komische. L. 4, 195 etc.
f) (s. d u. e): auf einer tiefen Stufe der Sittlichk. stehnd, im Sittlichen des innern Werths und der Würde ermangelnd, und solchem Sinn entsprechend, s. gemein 3e u. nam. Sch. 1225 ff.: N–e Gesinnungen, Handlungen; Ein n–es Gemüth; N–er Geiz; N–e, pöbelhafte Ausdrücke (s. d); Ich denke nicht frech, denke nicht n. von dir. G. 1, 224; Du n–e Brut! du vom Bettlergeschlecht (s. d). 142; Mit einem Herzen, das n–e, gewöhnliche Mittel verschmähte. 10, 54; Ein kleinlicher, n–er Schelm. 55; So ist die Rache an sich .. etwas Gemeines, weil sie einen Mangel von Edelmuth beweiset; aber man unterscheidet noch besonders eine n–e Rache, wenn der Mensch, der sie ausübt, sich verächtlicher Mittel bedient, sie zu befriedigen. Sch. 1225b; In dem Leben des größten Mannes kommen n–e [e] Verrichtungen vor, aber nur ein n–er Geschmack wird sie herausheben und ausmalen. 1226a; Man kann uns n. | behandeln [in unsrer Behandlung seine n–e Gesinnung bekunden], nicht er- niedrigen. 407a; Wer ist hier so n. gesinnt? Schlegel Sh. 2, 85 etc.
g) veralt., biblisch = demüthig. 2. Sam. 6, 22; Spr. 16, 19; Da er der kaiserlichen Majestät .. aufs allerunterthänigste und demüthigste abdanket und sich Allen aufs n–ste befohlen. Mathesius Lthr. 26a etc. 3) substant.: Ein N–er, z. B. (2d) Einer aus n–em Stande etc., nam. in Mz.: Der die N–en erhöhet. Hiob 5, 11; Dan. 4, 14 etc.; Ich schreite über Hoch und N. hin. G. 6, 189, ferner: Der Herr ist hoch und siehet auf das N–e [tief unter ihm Befindliche 2d]. Ps. 138, 6; 113, 6etc.; Hohes erwählend fürs N–e [einen Gott statt meiner, des n–en Sterblichen]. Rückert N. 35; Über den Gebrauch des Gemeinen und N–en [2e u. f] in der Kunst etc. Sch. 1225. 4) Zsstzg., dichterisch, z. B.: In des Silbergeschirrs | staub-n–em Bett. WHumboldt 3, 87 etc.
~en, tr.:
niedrig machen, eig. u. übrtr., s. niedern, demüthigen etc. heute nur in gehobner Rede, gew. er-n. (s. d., u. vergl. Mendelssohn 4, 1, 115, der untersch.: N., in eig. Bed.; er-n. in metaphorischer: Die Berge n. und: den Hochmuth er-n., was vom Gebrauch aber nicht bestätigt wird, wie denn Mendelssohn selbst schreibt: Gott niedrigt Diesen, hebet Jenen. Ps. 75, 8): Er wird ihre Pracht n. .. und die hohe Festung .. n. und in den Staub werfen. Jes. 25, 11; Alle Thäler sollen erhöhet werden und alle Berge und Hügel sollen geniedriget werden. 40, 4; Alle hohen Augen werden geniedriget werden etc. 2, 11 ff.; 10, 33; 26, 5; 29, 4; 57, 9; 2. Sam. 22, 28; Ps. 18, 28; 75, 8; Spr. 25, 7; Hes. 17, 24; 21, 26; Zach. 10, 1; Sir. 7, 12; 33, 12; Bar. 5, 7; Wer sich selbst niedriget. Matth. 18, 4; Phil. 2, 8, s. Luther 1, 483a; SW. 46, 338; Wie Gottes Herrlichkeit .. sich niedrigt. Lohenstein Himm. 394; Daß, was sie angerühret mit dem Reise | geniedriget zum Thiere vom Menschen ward. Rückert 2, 332; In dem Barbarthume der Neuern, | wo willkürlicher Schall niedriget oder erhöht. V. 3, 36; Nicht sei klein und geniedrigt [niedrig] mir, | nicht sei sterblich der Ton. H. 1, 223; 2, 324; Weidner 219 etc. Zstzg.: Er-: (s. o.): 1) eig.: Alle Berge und Hügel sollen erniedriget werden. Luk. 3, 5 etc.; Auf solche Weise werden die Spitzen der Berge erniedrigt. Burmeister gB. 1, 35; 36; Gsch. 31; An einem Haken, den man durch Verzahnung erhöhen und e. konnte. G. 25, 89; Grube 1, 197; Die Mauern wurden erniedrigt. Kohl E. 1, 102; Jene Fläche um einen Schuh e. Volger EE. 198 etc. Dazu (weidm.): Sich e., vom Bären, sich auf alle Viere stellen, Ggstz. sich erheben. Winkell 1, 384. 2) (s. niedrig 2a): Die erniedrigten Preise. JKinkel Jb. 2, 286. 3) (s. niedrig 2b) Ein Tonstück transponierend um eine Terz e.; Ein vorgesetztes B erniedrigt eine Note um einen halben Ton. 4) (s. niedrig 2d—f): Wer sich selbst erhöhet, Der soll erniedriget werden etc. Matth. 23, 12; Sie haben mich beschämt gesehen, aber glauben Sie nicht, daß ich erniedrigt bin. G. 10, 101; 205; Bestellet sich zum Vormund, daß er mich | zum Knecht erniedrige, den er zum Knecht | nicht zwingen konnte. 13, 200; Lavater 1, 69; So e. Sie ihn zum Büchermüller. Lichtenberg 3, 224; Jch erniedrige mich nicht zu ihnen, ich erhebe sie zu mir. Möser Ph. 1, 50; Man kann uns niedrig (s. d. 2f) | behandeln, nicht e. Sch. 407a; Ihr Anblick verkündigte die verworfenste Kreatur, zu der sie erniedrigt war. 708a; Umsonst erniedrigte sich der Fürst soweit, durch seine .. Gegenwart den Eindruck ihrer Hinrichtungen zu erhöhen. 1046a; Er fühlte sich zum gemeinen Bedienten erniedrigt. Thümmel 2, 181; Erniedrigt sich der alte Staatsbeamte immer mehr zum Botenläufer. Tieck DBl. 2, 84; Der den Mann fast immer unter den Sklaven erniedrigt. N. 2, 28; Die den Menschen zu den übrigen Thieren herabwürdiget, ja gewissermaßen unter sie erniedriget. W. 7, 179; Eine Leidenschaft, die mich unter mich selbst erniedrigte. 18, 73; 12, 310 etc. Im Partic.: Das ist sehr e–d für ihn etc., selten: Es ist Alles so unwürdig und die menschliche Seele so e–d. Wackenroder Kl. 261 etc. Auch Doppelzsstzg.: Ich erniedrige den guten Felix zur Kindheit herab. G. 18, 326; Daß sie sich zu Sklaven und Sklavinnen mit leichtsinniger Vertraulichkeit heraberniedrigte. Tieck A. 1, 328 etc. Ver-: (veralt.) s. er-n. 4: Nahm nach dem Tode seiner zweiten Hausfrauen seine Magd. Gefragt, wie er sich so verniedrigt. Weidner 40.
~keit, f.; –en:
1) (o. Mz.) das Niedrig-sein, s. niedrig, worauf die Ziffern in [] hinweisen: Die N. des Berges, Tisches etc. [1]; des Preises, Zinsfußes etc. [2a]; der Geburt, des Standes etc. [2d]; der Schreibweise [2e]; der Gesinnuug, des Gemüths, dieser Handlung etc. [2e]; Er hat die N. [2d] seiner Magd angesehen. Luk. 2, 45; In seiner N. [2d] ist sein Gericht erhaben. Ap. 8, 33; Sie unterwerfen .. der Armuth Schätze, der N. [2d] Kronen. G. 26, 328, dem Christuskinde in seinem niedrigen Stande (s. 2); 15, 204; Demuth, N. [2g], die höchsten Gaben | der liebevoll austheilenden Natur. 11, 134; Durch 30 Jahre N. [2e Leben in niedrigen Umständen] .. nicht gebändiget. 30, 12; Sie schämt sich ihrer N. [2d, ihres Standes]. Sch. 449b; 666b; Es giebt keine N. des Standes [2d], wenn die Seele geadelt ist. Stiling 1, 114; Des Tagwerks N. [2d]. W. 20, 227 etc.
2) etwas Niedriges (s. d. 2f): Er ist keiner N. fähig. G.; Sich N–en vorzuwerfen haben, vgl. Niederträchtigkeit.
~ung, f.; –en:
s. Niederung 1 u. 2, u. zu 2: Er-: Ihn adelte, was jeden Menschen erhebt, den Unglück und Zufall erniedrigt, ihn adelte der Schmerz der E. Börne 1, 4; Fichte 6, 338; G. 10, 239; Erhebung und E. 30, 13; Die E. bringt Erhöhung. Rückert Morg. 1, 30; Ein üppig lastervolles Leben büßt sich | in Mangel und E. allein. Sch. 406a; 429a; Durch meine höchste E. 196b etc.; Ohne Schmeichelei und unedle Selbst-E. W. HB. 1, 85 etc.