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nieder
* Nīēder, a.:
1) adv.: in die Tiefe, zu Boden, in der Richtung v. oben nach unten, als Ggstz. zu empor (s. d., vgl. mit dem vralt.: In die Por [Höhe] steigen. Logau: Der Ander steiget inder Nieder. SClara 2, 530; In die Niedere fallen. 1, 503, vgl. Schm. 2, 681):
a) in (unechten) Zsstzg. mit Zeitw., nam. und zunächst der Bewegung, z. B.: N.-fallen, fahren, springen, sinken, senken, schlagen, strecken, setzen, legen, stellen etc.; Die Lerche .., | die von des Himmels goldner Schwelle n. | in meine Seele sel’ge Lieder singt [s. c]. Freiligrath Garb. 78: Etwas n.-schreiben (s. c), aufs Papier (vgl. n.-bluten) etc.
b) oft auch in der (zuw. substantiv gebrauchten Verbind.: Auf (s. d. 2a u. d u. †) und n. Nam. in dieser Verbind., zuw. aber auch allein mit abhäng. räuml. Accus.: Die Stube auf und n. gehn etc.; Den Berg n. rollen, fallen; Den Strom n. schwimmen und zuw. verschmelzend: Rüstig bergauf [s. d.], | berg-n. im Lauf. Matthisson 158; Da war mancher Gang bergauf und berg-n. zu thun. Meißner Stein 151; Stromauf und strom-n., rheinauf und rhein-n. fahren (s. auf 2d) etc.
c) Wir heben nam. noch die transit. Zsstzg. hervor, die ein Unterliegen-machen, ein Besiegen, Bewältigen etc. bez. (vgl. Boden 4), z.B. nicht bloß: Einen Gegner n.-werfen; Keiner kann den Andern n.-ringen. Gerhard W. 210 etc., sondern auch: Sie haben eine so arbeitsame Faust, daß sie alle Kunstrichter n. -schreiben (s. a). Mendelssohn 4, 1, 415; Sing sie n., | alle Brüder. Rückert 6, 203 (s. a); Eine Alles n.- sprechende Beredsamkeit. Sch. 736b; Jeden Trinkgenossen n.-zu-trinken. Rückert Mak. 1, 187; Er trommelte damit in Zeiten der Aufregung seine Gedanken n. Kühne Fr. 159; Wie konnte er hoffen, ein solches Ansehnn.-zu-wiegen, eine solche Liebe zu vernichten. W. 188 etc.
d) (vgl. c) Ich wachte alle Sterne n. Rückert Mak. 2, 9, ich wachte so lange bis sie untergegangen etc.
e) (s. a) zuw. in lebhafter Erzählung bleibt das Zeitw. weg, z. B.: Krach! riß ein Seil, der Balken [stürzte] herunter und wie der Blitz vor ihm n. Engel 1, 93; Wir indeß [zogen, stürmten] Gasse auf, Gasse n. wie Furien. Sch. 120a etc. Bes. zu erwähnen ist hier das imperativ.: N. mit ihm! Haut ihn in Stücken! Sch. 665b u. v., etwa = schlagt ihn n.; zu Boden mit ihm. Ferner: n. sein, in vrsch. Sinn, je nach dem zu Ergänzenden, z. B. = zu Bett [Ggstz.: auf] sein: Mein Mann ist n. und schläft. Gotthelf Ul. 2, 334; Der Früheste ab [auf] und der Letzte n. sein. Schweinichen 3, 56 etc., seltner = n. [-gekommen], entbunden sein, z. B. von einer Katze: „Sag’ meiner Schwester, daß Alin’ entledigt ist . . .“ Mamsell, Alin’ ist n. Müllner 5, 54 etc.: ferner: Bis wir hineinkommen, wird das Feuer schon n. [gebrannt] sein. G. 19, 337; Bis die Sterne n. [gegangen, unter] sind etc.
f) zuw. nicht dem Wohin?, sondern dem Wo? entsprechend, meist elliptisch (s. e), nur scheinbar, z. B.: N. [geworfen] -liegen; n.-sitzen (s. d.) = sich n.-setzen etc., s. auch da-n. Nicht zu verwechseln die Zsstzg., in denen n. als Ew. (s. 2) = niedrig, z. B.: N.-Land, -Sachsen, -Deutschland etc., im Ggstz. des obern, höher gelegenen, vgl. N.-Bord (s. Bord 6), N.-Holunder, N.- (oder Unter-) Holz etc.; dagegen nur vereinzelt neben Zeitw. = niedrig, z. B.: Er war der Dichter der N.-Gebornen. Börne 2, 261 etc.; Die n.-siehnden, gemeinen und wahnsinnigen Menschen. 367; Ihr Herren steht in der Kirche n. und könnt nicht Alles übersehen. Zinkgräf 1, 260 etc.; Wie diese vornehmen Menschen in die innersten Angelegenheiten eines N.-Gestellten hineinredeten. Auerbach Leb. 2, 34; Eine solche Behandlung ist nicht bloß wissenschaftlich n. zu stellen, sondern etc. RMohl (Monatbl. 2, 368).
g) verschmelzend mit den Ortsadv. da, her, hin, s. Zsstzg.
2) (vgl. äußer, inner, ober, unter etc.): niedrig:
a) im Positiv als attributiv. Ew., und zwar: ohne Nebensinn = klein, wenig Höhe habend (s. Schm. 2, 681), im Allgm. vralt.. mundartl. z. B.: Hohe und n–e Trinkgeschirr. Schaidenreißer l4a; Ein n–es Kind. Gotthelf G. 238; N–e Bänke, Hügel, selbst noch bei G. 6, 93: Auf dem n–n Schemelstuhle etc. Jm heutigen Hochd. gw. mit dem Nebenbegriff des Armlichen: N–e Hütten; Aus ihren Hochpalästen | in der Armuth n–e Hütte. Rückert Morg. 1, 29; Hartmann Unst. 1, 258 u. o., dichterisch auch nachgestellt: Ein Hüttchen, | eng und n. Kürnberger Am. 250; Im Kämmerlein, | so n. und klein. G. 1, 64; ferner dichterisch von etwas sich Bewegendem: sich wenig über den Boden erhebend: So schwebt . . die Möwe längs dem Meeresstrand | und netzt den n–n Fittig in den Wogen. Sch.; Das Stoppelfeld im Schimmerfaden | erglänzt am n–n Mittagsstrahl. V. 3, 201 etc. Gw. aber, wo eine Rangordnung statthat, im Ggstz. des Hohen: minder hoch (vgl. niedrig 2d), z. B.: (Hohe und) n–e Stände, Beamte, Diener, Geistliche, Geistlichkeit, Gerichte, Gerichtsbarkeit, Schulen, Jagd; Der n–e Adel; Auf einer n–n Stufe (z. B. der Bildung) stehn; Aus n–m Stande, von n–er Geburt sein etc.; Ich durfte, niedrer Menschensohn, | betrachten dieser Herrlichen Gestalt. Cham. 4, 26; Aus niedrem Zustand führt er [der Gatte sein Weib] hervor, | aus höhern Sphären lockt er sie hernieder. G. 13, 326; Die drei hier der niedren Natur Gottes zugesellten geistigen Vermögen. WHumboldt 1, 46; O falle nicht mit ausgeartetem Verlangen | zu ihren n–n Dienerinnen ab. Sch. 22b; Jch bin nur eines Hirten niedre Tochter. 458b; Die haben die n–n [n–e] Herrlichkeit (s. d. 4) gehabt. Stumpf 393b; Achtung gegen die n–en Stände. Waldau N. 1, 94 etc. Ferner (s. niedrig 2d u. e): In der n–n Schreibweise; N–e Verleumdung, Verleumder; N–er Eigennutz; Die ihrem [der Schönheit] keuschen Dienste leben, | versucht kein niedrer Trieb. Sch. 23a; Geh, lacht man, niedre Seele du! | wer Ehr’ im Leibe heget, | arbeitet nie etc. V. 4, 129; Der Feige sucht sich nur durch niedre Flucht zu retten. CFWeiße etc.
b) selten als prädik. Ew. im Posit. (s. c): Die Liebe, der Nichts ist zu n. noch zu hoch. Rückert W. 4, 244.
c) im Komparat. selten, z. B. attributiv: Auf einer noch niedrern [niedrigern] Stufe der Bildung stehn etc., u. prädikat.: Das Ganze niedrig ... Noch niedrer sind die Geißställe. Grube 3, 357; Der andre Fels oder Berg ist wohl n–er. Schaiden- reißer 51a; Ein Hügel ist niedrer als ein Berg. Adelung (als oberd.) etc.
d) zuw. im Superl. z. B.: Daß die n–ste [niedrigste] Signatur nach außen zu stehen kommt. Franke Buchdr. 264, die mit der kleinsten Zahl; Den n–sten Knecht. Kompert Pfl. 1, 185; Daß der Mensch nicht allein am Leib oder geringsten, n–sten Kräften verderbet sei. Luther 6, 382a etc.
e) nur vereinzelt als Adv. s. 1f, und (mundartl.) im Superl.: Zu n–st [unterst] sitzen, liegen etc.
f) substant., z. B. persönl.: Ein N–er, der den n–n Ständen angehört, gw. in Mz.: Auf sich den Haß der N–n laden. Gellert etc. und kollekt. in der Zusammenstellung (vgl. Alt und Jung etc.): Alle mit ein- ander, Hoch und N. Auerbach Gv. 325 etc., aber auch in Bezug auf sittl. Würde: Wie den N–n begriff die Hohe, | schlug ihr aus den Augen des Zornes Lohe. Rückert Nal. 105 etc. Ferner sächl.: Hoch wird alles Niedre, Hohes neigt sich gern. G. 6, 79; O diese Zeit hat fürchterliche Zeichen! | das Niedre schwillt, das Hohe senkt sich n., | als könnte Jeder nur am Platz des Andern | Befriedigung verworrner Wünsche finden. 13, 245 etc.
Zsstzg. [1g]: Da(r)-: s. da, Anm., st. nieder [1a, c, f], z. B. (alphabet. nach den Zeitw.): Die Schmach beugt mich da-n. Lewald W. 2, 437; Brich, o Nord, | das dürre [Blatt] auch da-n. H. 15, 171; Das Alter hatte ihn nicht daniedergebückt. Moritz Reis. 1, 64; Einen da(r)-n. drücken. Cham. 6, 266; Rückert Rost. 39a etc.; Sie .. erliegen gar darn. Weckherlin 245; Ihn nicht zu Worte kommen zu lassen, sondern ihn sozusagen da-n. zu er- zählen [1c]. Immermann M. 2, 109; Fielen darn. [getödtet im Kampf]. 1. Sam. 14, 13; Was hat dich nun so dar-n. gefället? Olearius Baumg. 64a; Die Welle .. fließt nicht mehr im Bett dar-n. G. 12, 123; Führt sie [die Welle] der Leichtsinn im Strome da-n. 1, 52; Danieder- kämpfen [1c] wird sie diesen stolzen | Burgund. Sch. 451a; Da(r)nieder-kommen [vralt. = entbunden werden]. Gellert 3, 173; 4, 278; Schweinichen 3, 23 etc.; Darn. legen [1c, besiegen]. Dan. 11, 12; Joel 3, 16; Judith 9, 12 etc.; Da(r)nieder-liegen [1f] (s. d.); Die Kraft, womit er seinen Nebenbuhler darniederringt. Sch. 788b; Einen darnieder schlagen. Ps. 78, 31; Sir. 47, 5; Er konnte den stärksten Mann dar-n. schmeißen. Olearius Baumg. 63b; Die, so die Krone des Hochmuths darn. geschmissen haben. 56a; Ob der Blitz mich da-n. schmettert. Gotter 3, 105; Ich wett’, ich sänge sie dar-n. [1c]. Gleim 3, 239; 241; Singt den Schlaf da-n. [besiegt ihn durch Singen]. V. 3, 181; Todt sinkt sie da-n. Alxinger D. 154; Ich sinke dar-n., | mich tödtet das Glück. G. 3, 124; Sie wie das Vieh dar-n. stechen. HSachs 3, 1, 226; Stieß die Andern all dar-n. Wolgemut Es. 7a; Streckte für todt ihn zur Erde dar-n. G. 5, 159; Wiewohl Gott solchen .. Hochmuth darniedergestürzt hat. Luther 8, . .; Dar-n. taumeln. Klinger Th. 2, 150; Wirft ihn Oberons Wort dar-n. W.; Zieht wohl banges Sehnen mich darn. Kerner 194 u. ä. m.
Her-: herab, nieder, auch st. des seltnen hin-n. (s. d. u. her), her-, hin- unter: Steigt in den Eimer da droben, so fahrt ihr h. [hin- unter] . . . Ich stieg in den Eimer, da ging er h. | und der andre wieder herauf. G. 5, 272; Sollen immer unsre Lieder | nach dem höchsten Äther dringen? | Bringe lieber sie h. 6, 173; O schauet h., | ihr Götter. 7, 125; Aus niedrem Zustand führt er sie [der Gatte sein Weib] hervor, | aus höhern Sphären lockt er sie h. 13, 326 u. o. Vralt.: Da fuhr der Herr „ernider“. 1. Mos. 11, 5; 24, 18 etc. (dagegen: Eilet und kommt „hernider“ mit meinem Vater hie her. 45, 13); Mit der Posaunen Gottes „ernidder“ kommen vom Himmel. 1. Thess. 4, 16 etc.; Wann ihn ein Stein traf, so schlug er ihn „ernieder“ [n.]. Berlichingen 17 etc. Zuw. mit abhäng. räuml. Accus. verschmelzend: Zog thal- h. | vom Grat des Schwarzwaldes. Meißner Gd. 127.
Hín-: (selten), s. her-n.: Steige h.! Arndt 20; Ihr schneller Lauf | geht bald h. | und bald herauf. B. 9b; Bis ins Herz h. Rückert 2, 352 etc.