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Nichts nichtshaft
Nichts: unbest. Fw., das Nicht-Sein, die Nicht- eristenz bez.; Ggstz. zu Etwas (s. d. u. vgl. 3 am Anfang), dann in weitrem Sinn auch:
etwas Nichtiges, Geringes (als übertreibender Ausdr. für: Wenig), vgl. ,,kein“, z. B. 9 über die Verstärkung der Verneinung, s. auch nicht II, Anm. u. andre verneinende Partikeln wie: nie, nimmer, nirgend, niemand etc. —:
1) (s. etwas 2b) adjektiv. neben substant. Ew. im sächl. Geschlecht: „Wissen Sie n. Neues?“ N. Neueres, als etc.; N. Bessres weiß ich mir, als etc.; Er spricht von n. Andrem; Von n. Gutem hören; Kannst du dich mit gar n. Besserem beschäftigen? „Du musst n. Unmögliches verlangen“ [N. od. kein Ding, das unmöglich ist]; Das ist n. Unmögliches [= etwas Mögliches]; N. nicht Lobwürdiges sah ich. FAWolf Anal. 2, 504, gw.: N., das nicht lobwürdig war etc. u. in verdeutlichenderer Schreibw.: N. Nicht-Lobwürdiges etc.
2) als sächl. Hw. ohne Artikel etc. (s. nicht II, Anm. u. Etwas 1, auch die Belege dort), gw. als Subj., Obj. u. abhäng. von Präpos., dagegen nicht gw. als bloßer Dat. od. Genit., vgl. z. B.: Er nahm sich keines Dinges an. .. Mein Herr nimmt sich N. an. 1. Mos. 39, 6 ff.; Rühme sich nur Niemand seiner Weisheit . ., rühme sich nur Niemand(s) N. überall. Luther 6, 176b etc., s. Etwas 1a etc.
a) zunächst als Subj. u. Obj.: N.; gar, ganz und gar, durchaus, schlechterdings, platterdings, rein, lauter, hell (s. d. 3) N. etc.; Es ist N. in der Welt, was od. das etc.; N. nicht war so todt, das ohne Regung blieb. Lohenstein Ros. 105; IbrS. 71 v. 235; Opitz 1, 17 v. 235; 33 v. 21; 82 etc. (s. kein 9 u. Weinhold 64b); N. weiter od. weiter N.; N. anders (vrsch.: n. Anderes, s. 1); sonst N.; Wenn er sonst auf der Gotteswelt N. zu thun weiß. W. 33, 275 etc.; N. als = bloß, nur etc.; N. als seine eigenen Worte hallten. 19, 211 etc.; Ich will N., N. mehr davon wissen, hören; N. da von Lebensüberdruß! Cham. 3, 221; Vor der Hand N. mehr von Tod! G. 1, 17; Prutz Mus. 3, 239; Schlegel Rom. 3, 5 etc.; Alles (s. d. †) oder N.; Ein Cäsar oder N. W. 12, 282 etc.; Wie denn in Gegenwart solcher Pevsonen Alles und N. zu interessieren scheint. G. 15, 85 etc.; Das schadet, macht, thut N.; Das thut od. ist (Forster Br. 1, 323) N. zur Sache; Das hat N. zu sagen, zu bedeuten, auf sich; Das ist N., ist eine Kleinigkeit, werthlos, ohne Belang, unthunlich etc.; Damit, mit dieser Auskunft etc. ist’s N. [vgl. Essig]; Es ist N. [es geht nicht] mit Gewalt, das Wagestück | ist zu gefährlich. Sch. 423a etc.; Daraus wird N., kann N. werden, Das geschieht nicht etc.; Aus diesem Menschen wird N. [n. Ordentliches, Tüchtiges] etc.; Er hat N. [kein, wenig Vermögen]; N. taugen; N. werth sein; Das taugt nun ganz und gar N. G. 10, 209; Der Verband selbst taugt den Teufel (s. d.) N. Zelter 2, 293 etc.; N.-sagend (s. d.), seltner: Die meistens gar N. sagenden Passagen. W. 34, 104 etc.; N. ist so häßlich, daß es nicht ein paar Verehrer fände; N. ist so häßlich zu ergründen, | es wird ein paar Verehrer finden. Lichtwer, s. kein 5 etc. Eh sich N. [s. 3] und Wesen trennen. Creuz 1, 121; Doch ist es in manchen Fällen .. freundlich, lieber N. [inhaltlose Worte etc.] zu schreiben, als nicht zu schreiben. G. 15, 11; Willkommen, so wie die Nullität in der Gesellschaft, denn von Rechtswegen soll eine gesellige Unterhaltung auch nur Etwas [s. d. 1c = wenig etc.] mehr als N. sein. 30, 385; „Zahl!“ anstatt empfang!“ O schön! |, Das ist für Was noch weniger als N. L. Nath. 2, 2; Ich hatte Niemand und N. mehr. Sch. 708a; N. ist, das [s. d. 5 etc.] die Gewaltigen hemme. 491b etc.
b) abhäng. von Präpos.: An N. denken, sich um N. kümmern; Er spricht von N., als etc., von N. anders [vrsch.: von n. Andrem, s. 1] als etc.; Sich durch N. abhalten lassen; Mit N. [mit einem unbedeutenden Kapital etc.] anfangen. Stilling 4, 141; Jedem Anfänger aus N. Forster Br. 1, 247 etc.; Dies hat Gott alles aus N. gemacht. 2. Macc. 7, 28; Hebr. 11, 3; Man nennt eine jede Substanz, die aus N. hervorgebracht ist, ein Geschöpf. Kant phR. 166 etc.; Es soll mein echtes Ich sich offenbaren,| zu N. verfließen dessen leerer Schein. Cham. 4, 22; Ein Hauchen über die leere flache Hand hin bezeichnet die Idee von N. Engel 7, 104; Daß das ganze Unternehmen auf N. hinauslaufe. Möricke N. 360; Die Würfel werfend über Alles oder N. Prutz Woch. 126; Zu ernsthaft | hat’s angefangen, um in N. zu enden. Sch. 401b; Daß mein Leben so an N. verschwendet worden. Tieck N. 6, 203; Triumph 55* um N. und Klag’ um Kleinigkeiten. Cbmb. 4, 2; Es ist ein Pfeil von N. auf N. geschossen. ebd. etc., auch (s. kein 9): Macht er aus N.-nicht Viel. Lohenstein Hy. 25 etc. Bes. aber in manchen Wendungen = ohne Grund od. ohne Erfolg, umsonst, vergeblich, z. B.: Ein gar unschuldig Ding, | das eben für N. [ohne Ursache etc.] zur Beichte ging. G. 11, 112; Ihre Herrschaft für Null und N. [ohne Gewinn davon zu haben] betrogen. L. 1, 286 etc.; Für N. und wieder N. Hackländer Stillfr. 2, 265; Hebel 3, 127; Immermann M. 3, 306; L. 12, 384 etc.; Um N. Arndt E. 332; Droysen A. 1, 221; G. 8, 98; W. 7, 48; 11, 148; Um N. und wieder N. G. 29, 225; W. 3, 174; 12, 130; 22, 129; Umsonst und um N. G. Sch. 5, 72; W. 34, 251; Wegen N. und aber N. Gotthelf Sch. 183 u. ä. m. Versch.: Daß Johannes sich den Hof nicht um halb N. [für ein Butterbrot etc.] vom Vater habe abtreten lassen. U. 2, 324. Ferner: Mein Lage ist dadurch um (s. d. †) N. gebessert, od. auch mit bloßem Accus. zur Angabe des das Frühre überragenden Maßes (s. 4): Sie ist N. gebessert, u. so nam.: N. desto (s. d. 2) weniger, minder. 3) substant. mit Artikel etc., ganz nahe an 2 grenzend, s. nam.: N., das reine N., es ist einfache Gleichheit mit sich selbst, vollkommene Leerheit, Bestimmungs- und Inhaltslosigkeit, Ununterschiedenheit in ihm selbst. .. N. pflegt dem Etwas entgegengesetzt; Etwas aber ist schon ein bestimmtes Seiendes, das sich von anderem Etwas unterscheidet. So ist also auch das dem Etwas entgegengesetzte N., das N. von irgend Etwas, ein bestimmtes N. Hier aber ist das N. in seiner unbestimmten Einfachheit zu nehmen u. s. w. Hegel Log. 1, 59 ff. Die hier bes. hervortretenden (freilich mannigfach in einander spielenden) Nüancen sind:
a) das Nichtsein, in Bezug auf etwas Einzelnes oder auf das All = Chaos (s. d. und Unding), die Leere etc.: Er schuf aus dem N. ein Etwas. Alexis H. 1, 1, XVII; Zerfließet in das N. zurück. Cham. 4, 162; Wie die Welt | .. in ihr altes N. zerfällt. Creuz 1, 10; Welche sogleich in ihr altes N. verschwand. Fichte 8, 23; Unter mir gespenstisch gähnt das ew’ge N. Freiligrath 1, 188; Starr ich in das N. Geibel (DMus. 5, 1, 26); Was sich dem N. entgegenstellt, | das Etwas, diese plumpe Welt. G. 11, 56; [Die Todte] verschwindet | ins N. der Asche. 13, 280; Die blaue Farbe ist in ihrer höchsten Reinheit gleichsam ein reizendes N., es ist etwas Widersprechendes von Reiz und Ruhe etc. 37, 255; Befruchtet mit der Kraft des wesenreichen Worts, | gebiert das alte N. Haller 144; Die Nacht des alten N. 170; Würde bald, mit aufgesperrtem Schlund, | ein allgemeines N. des Wesens ganzes Reich | .. trinken [verschlingen]. 172; [Das Werk,] das ohne mich in des N. unfruchtbaren Lenden geblieben wäre. L. 10, 169; Welch eine Marche trennt die Schöpfung und das N.? W. 25, 60 etc. Auch: Das Weltall, oder das Ur-N. Sonnenberg D. 1, 498.
b) die Unbedeutenheit, Geringfügigkeit, Werthlosigkeit, der Unwerth etc.: Die Empfindung seines N. verlässt ihn nie. G. 16, 293; Er kennt sein eigen N., was soll er Andre achten? Haller 86; Der Lump . ., | wenn er am Bilde seines N. sein Herzchen kann erlaben. Prutz W. 120; In seines N. durchbohrendem Gefühle. Sch. 254b; Sein Vaterland aus dem politischen N., worin es gelegen, hervorzuziehen. W. 24, 13 etc.
c) etwas Nichteristierendes, Wesenloses; ein Etwas, dem doch das innre Sein fehlt, ein bloßer Schein etc.: Ein armes N., ein bischen Höllendunst. Cham. 4, 172; Der prophetische Blick wendet sich vom N. dieser Zauberei plötzlich .. zur wirklichen Niederlage. H. R. 7, 328; Die Leiche .., das schöne, starre, kalte N., | das grause N., das taub und still | noch immer das Verlorne scheinen will. Lenau Alb. 54; Ein lauter N. Luther 8, 6b; 55b; 122betc.; Haller, der „das geschätzte N. der eitlen Ehre“ [s. Haller 7] so männlich entlarvte . .. Das noch eitlere N. eines Rittersternes. Sch. 754b; Die Kunst der Seher ist ein eitles N. 511a; Eine glänzende Seifenblase, ein buntes N. W. 29, 22 etc.; auch von etwas Lebendem: Ich fürchtete, | wie Echo an dem Felsen zu verschwinden, | ein Widerhall, ein N. mich zu verlieren. G. 13, 125; Soll ich [die Seele] hinlungern als ein sel’ges N.? Heine Verm. 1, 129, indem dies abstrakte Sein nicht als wirkliches Sein erscheint; Ein N. [s. f] bin ich und besser wäre mir | ein N. [todt] zu sein. Tieck Cymb. 4, 2. Verstärkt: Der Adel, den Sie meinen, ist ein reines Gar-N. Immermann M. 3, 111, ein Unding, Non-Ens.
d) etwas kaum Merkliches, das Geringste etc.: Das Flackern dieses Lebenslichts | verlöscht ein leichter Hauch, ein N.; Seinem Kredit kannst du durch ein Achselzucken, durch ein N. schaden; Ein N., so glitten meine Tritte hin. Mendelssohn Ps. 73, 2; Kein Stein, kein N. liegt darauf. Zelter 2, 473 etc.; verstärkt: Weiß er mit einem Hauch, mit einem Gar- N. abzuhelfen. G. 31, 191 etc. Ahnlich von einem kleinen lebenden Wesen: Ist’s möglich, daß von solchem Singen | die Quell’ ein tönend Stäubchen sei? [die Nachtigall] . . ., ein singend N.? Brockes (Weichmann 2, 109).
e) eine Kleinigkeit, Bagatelle, Etwas von geringem Belang oder Werth, von geringer Bedeutung, das kaum der Rede werth erscheint etc.: Dem Scheidenden ist jede Gabe werth, | ein dürres Blatt etc. . . . So wird ein N. zum höchsten Schatz verwandelt. G. 6, 92; Wir sind freilich sehr oft um ein N. krank, aber doch um ein gar so großes N. nicht! eine neue Adrienne! L. 7, 98; Über ein N. uneinig geworden. 11, 27; Über ein N. erschrecken. Mendelssohn 4, 1, 74; Eine Kleinigkeit, ein N, ein Liedchen. Sch. 637b. Auch (s. 2 und h) kollektiv: Seine Tage waren aus lauter N. zusammengesetzt, dem er durch seine Rührigkeit eine Bedeutung zu geben wußte. G. 22, 187; Zwei Bogen voll freundschaftliches N. Rabner Br. 199; Sprachen über allerhand N. Waldau N. 3, 104 etc.
f) Pers. ohne Bedeutung, innern Gehalt etc., oft auch masc.: Hat das N., das durch dich Etwas ward [das armselige Geschöpf] deine Wege getadelt? Engel 1, 256; Freund und Feind verachten den charakterlosen N. Jahn V. 29; Drei Helden sind das ganze Heer, wenn alle Andern | ein N. sind. Tieck Cymb. 5, 3; Mit jenem rohen, thör’gen, stolzen N., | dem Cloten. 3, 4, s. Kaufmann Sh. 2, 276 etc. und bes. verstärkt: Der Schultheiß sei der Gar-N. Auerbach Leb. 2, 253; Dorf. 4, 274; Daß er einmal als ihr Mann der Gar-N. im Hause sein werde. Kurz Weihn. 70 etc., vgl. imperat. Bildungen wie: Der Habe-, Tauge-N. etc., s. die Zeitw.
g) neutr. und masc.: s. I. Nicht und Zsstzg. In Bezug auf die Form bem. wir noch:
h) (zuw.) flektierte Mz.: Mit ihren nichtsnutzigen„Nichtsen“ (wie die Homöopathen) oder mit ihren .. erklecklichen „Etwasen“ (wie die Allopathen) Krankheiten zu heilen. Bock (Gartenl. 9, 262a); Andreas del Sarte, der seine Kopien zu Originalen log, wie sein Vater, ein Schneider, mit seinen Zunftgenossen menschliche Nichtse zu Etwas. BSternau; Der eine bekannte Wahrheit braucht, um tausend Nichtse [nicht vorhandne Dinge als seind] damit einzuschwärzen. V. Sh. 2, 615 etc.
i) verkl.: Ein allerliebstes Nichts- chen [Kleinigkeit]. Brentano Fr. 1, 60 ünd im volksthüml. Scherz: Einem ein silbernes N–chen (Nixchen) und ein goldnes Wart-ein-Weilchen mitbringen = N. k) Vereinzelte Fortbild.: Von so ertödtender Schwäche und Nichtsheit [Wesen eines N.]. Zelter 6, 322; Gesungen, gejodelt, gelacht und genichtst [allerlei N. getrieben]. 22; Er sei Jude, Rongeaner, Freigemeindler oder auch erklärter „Nichtser“ [der an Nichts glaubt etc.]. Radowitz 95 ꝛk. 4) zuw., nam. in gehobner Rede adv. = nicht, eigentl. Accusat., vergl. achten 2: In derer Härtigkeit ich n. mich regen kann. Opitz 2, 46; Und n. vermag ich ihm nahend zu helfen. V. Il. 18, 61; N. erbarmst du dich mein. Ländl. 1, 47; Bekümmerte sich n. darum. W. 34, 392 etc.
~haft, a.:
leer, öde: Wenn’s Einem so n–ig im Leibe ist. JGMüller Lind. 3, 73.