Faksimile 0436 | Seite 434
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Nicht
II. Nícht: 1) die in einem Satz stehnde u. einen Satztheil, z.B. auch nam. den Träger des Satzes, das Verbum, verneinende Partikel (vrsch.:
nein, die statt eines verneinten Satzes stehnde, ihn ersetzende Partikel). 2) in Frngesätzen, im Ggstz. zu etwa (s. d. 2a), hervorhebend, daß der Fragende eine bejahnde Antwort erwartet. So nam. auch: N. wahr [s. d.]?, zuw. auch bloß: N.?, z.B.: Was du hörtest, rief dich an den Rhein. | N.? Freiligrath Garb. 114 etc. Ähnlich auch (pleonast.) n. in Aufrufen, z. B.: Wie seid ihr n. so gut! G. 6, 60; Die Kokarde. .. Wie sie den alten Hut n. ziert! 10, 122; Wie erschrak sie nicht, als etc. 19, 324 etc. 3) substant., abhäng. von Präpos., theils mit, theils ohne Flerion:
a) (vralt.) Aus N. (gw.: aus Nichts), z. B.: Wie er aus Nichte alle Dinge macht. Luther 5, 183b; 2a; 6, 543a etc.; Aus Nichten wird Nichts. H. 11, 153.
b) Mit Nichten, mitnichten = keineswegs, durchaus n. etc., z. B.: Luk. 1, 60; G. 1, 165; 8, 40; V. Od. 3, 133; 4, 195; 377; 19, 264 etc. Vralt.: Du .. bist „mit nichte“ die kleinest etc. Matth. 2, 6; Noch ließ er mit nichte davon. Teuerdank 63 etc.; So seid ihr mit nicht ein tugendlicher Mann. 74; Dein Knecht | in deim Gericht | mit n. | wöllst lassen geurtheilt werden. Waldis Ps. 143b, 1.
c) Zu Nicht(e), zunicht(e), nam. mit machen, zu Grunde richten, zerstören, verderben, unwirksam machen etc.: Den Rathschlag .. zu n. machen. 2. Sam. 15, 34; Der uns verderbet und zu n. gemacht. 21, 5; Neh. 4, 15; Hiob 5, 12; 16, 12; Solltest du mein Urtheil zu n. machen? 40, 3; Ich will die Krone zu n., zu n. machen. Hes. 21, 27; 6, 6 etc.; Ihr habt Vieles zu nichte gemacht. G. 9, 52; Haler 153; Der Text, der . . Herzog Georgen Schrift also zu n. und Schanden macht. Luther 6, 7a; Zu n–e macht ein Augenblick | die ganze Folge eines reichen Lebens. Platen 1, 210. Mundartl. auch: Der größten Siege Glanz macht ein Affekt zu nichten. Haller 78 (später: kann Eitelkeit zernichten), s. auch nichtig. So auch: Zu n. schlagen, hauen, prügeln etc. (vgl.: zu Schanden); Man dreschet es nicht gar zu n., wann man’s mit Wagenraden [-Rädern] und Pferden ausdrescht. Jes. 28, 28 etc. u. intr.: Zu nicht(e) werden (4. Mos. 21, 30; 1. Sam. 2, 9; Hiob 7, 5; 24, 24; Ps. 73, 19; Spr. 11, 7; Jes. 19, 7; 30, 28; Obadja 5; Ap. 5, 36; 13, 41: 1. Kor. 1, 17; G. 23, 101 etc.), gehn (4, 21), sein etc., vgl.: Kaputt; zu Grunde gehn etc. Ungw. aber: Zu n. nütze, denn daß etc. Matth. 5, 13 etc.; Sie halfen mir zu n., als meine Eitelkeit | auf einen Grad .. zu treiben etc. W. 15, 261, st. zu Nichts, wie es in der Quart-Ausg. (von 1794) 5, 149 heißt (also wohl nur Druckf.). 4) in manchen imperat. Hw. etc., z. B.: Das Vergißmeinnicht; Das Rührmichnichtan; Der Taugenicht(s), Thunichtgut etc., s. die bezügl. Zeitw.; auch in leicht zu mehrenden Scherz-Bildungen, z. B.: Ein Gebe- oder Gieb-n., Einer der n. gern giebt; Herr Kann-n., Will-n. (s. können 4d) etc.
Anm. Die eig. Verneinung (s. 1) ist goth., ahd. ni, mhd. ne u. daraus en (s. Schm. 2, 666 ff. u. 1, 68, z. B. noch: Das Gott nit en wolle. Berlichingen 273 etc.), vgl. die verneinenden nie, niemand, nimmer, nirgend etc. zu je, jemand (früher: ie, iemand), immer, irgend etc., s. auch vralt. nienen, niender(t) etc. Wackern. Gl. 406. N. aber war urspr. substant. (s. 3), ahd. nêowiht, als Verneinung (s. o.) von êowiht, welches zsgstzt ist aus êo (s. je) u. wiht (s. Wicht), also = nicht irgend ein Ding, nicht Etwas, Nichts, mit vielfachen, verkürzten Nbnf., s. Benecke und Wackern. Gl. 407, mhd. niht (mundartl. nicht), vgl. nam. auch niwiht, newiht u. enwiht (409 ff.) u. danach noch im ältern Nhd. en(t)wicht = Nichts, nichtswerth, unnütz etc., s. Schm. 5, 18, auch als Ew., z. B. im Superl.: Der aller- übelthätigst, verzweifeltst und entwichtest Rauber. Luther 2, 288a. Aus der mhd. Verstärkung von niht mit vor- angehndem Genit., also nihtes niht, nichtes nicht, nichtsnicht (s. Wackern. Gl. 408) u. noch nhd. häufig: Nichts (s. d.) nicht ward durch Weglassung des zweiten „n“ unser Nichts, vgl. holländ. niet, Nichts, Null etc., s. Niete 2. Die zu n. u. nichts gehörigen Gegensätze ohne das Verneinungs-n, icht u. ichts etc.,sind im Allg. vralt. u. nur noch mundartl. (s. Wackern. Gl. 302; Schm. 1, 23; Brem. Wörterb.; Schütze Holst. 2, 186), z. B.: So doch nie icht in die Länge bestanden. Franck (Wackernagel 3, 327 Z. 24); Ob .. icht Fruchtbars entspringen wöll. Schöfferlin 1; Jchtwas. Lohenstein Hy. 23; Moscherosch (Wackern. 3, 1, 659 Z. 40); Stumpf 376b etc.: Ehe .. ich noch ichts thun konnte. Luther 8, 315b; 259a; 1, 280a; Davon weder Christus .. noch die alte Kirche ichtes gewusst haben. SW. 26, 19; Ich werde für ichts oder nichts gehalten. Rollen- hagen Fr. 288 etc., vgl. etwa auch schwzr. ächt (Gotthelf G. 208), echt (Brant N. 48, 34; 102, 11; Hebel 1, 137 etc., s. jedoch Wackern. Gl. 109 ff.). Von den vielen mundartl. Nbnf. erwähnen wir zunächst als volksthümlich nit = n., z. B. Berlichingen 65; G. 9, 8; 34, 6; 7, 180 etc.; Stein 1, 22; Herwegh 53; Fürcht dich nit. Sch. 325b; Bin nit so reich. 517a; Der wackre Schwabe forcht sich nit. Uhland 379; Einen bessern findst du nit. 291 etc., vgl. schwzr. nüt, nünd etc. Stalder 2, 245; Z’nüte werden. Gotthelf G. 327 etc. Vereinzelt auch nich. Goltz 36; Ich weiß von Nichts, von nischts (s. u.) niche. Cham. 5, 126 etc. Ferner st. Nichts (vralt.): nichtes. Brockes 9, 9; 404; Laurenberg 80; Logau (L. 5, 158); Rachel 7, 567 etc., vgl.: Vernichter alles Todes, alles Nichtes. Arndt 576, was wohl als Genit. des substant. Nicht zu fassen ist; ferner volksthümlich: Außen fix (s. d.) und innen nix. Gotthelf U. 2, 79; Das verschlägt mir nix. Reithard 146; Nix, nix! du willst mich betrügen. Sch. 320 etc. Ferner: Mit Ihrer gewöhnlichen Antwort: Es kömmt doch nischt dabei heraus. Ebert (L. 13, 166, vgl. 12, 240); Von Anno „Komm her und thu mir nischt.“ Willkomm Sag. 1, 281 etc. Vralt.: Nichzit ausgenommen. Berlichingen 261! Nichzit dester minder. 273 etc.; Wer .. nichtsen acht. HSachs G. 1, 79; Nichtsen werth. 52 etc., s. o. das verneinende „en“; Neugst. Garzoni 590b [Reim: betreugst]; schwzr.: Da ihnen Nieman[d] nüts gedar darin reden. Zwingli 2, 4; 3, 8; Daß wir nüts lehren, das seinem Willen nit gemäß, noch üzid [Etwas, s. o.: ichts u. Wackern. Gl. 302] annehmen, das wider die ewige Wahrheit sei. Zwingli 3, 2, s. Stalder 2, 245 ff. u. vernütigen, Etwas nicht achten, herabsetzen, z. B. Gotthelf G. 306; 344 etc.; vernüten. Wackern. 3, 44 Z. 7. S. auch: aut, naut.