Nerv
Nerve
Nerve
* Nérv (lat.), m., –(e)s; –e. — ~e, m., –n; –n. — ~e, f.; –n; –n-:
nam. in der ältern Sprache verschiedene sich in die Länge ausdehnende innre Gebilde des menschl. und thierischen Körpers, in der heutigen wissenschaftl. Sprache freilich (s. 1) genauer best. u. beschränkt, ohne daß jedoch in der Sprache des gw. Lebens, der Dichter u. nam. auch übrtr. die ältern Bedd. erloschen wären:
1) strangartige Gebilde des thierischen Körpers zur Vermittlung der Bewegungen u. zur Leitung der Empfindungen u. Sinneseindrücke, — bei den Wirbelthieren Verlängerungen des Gehirns u. Rückenmarks (der sogen. Centralorgane des N–n- Systems), — auch übrtr. od. vielmehr in verkörperlichender Auffassung von Empfindungsorganen des Geistes (s. d. 1c), der Seele etc. (s. o., vgl. 2): Daß nur meine N–en zittern würden, meine Seele bliebe ruhig; doch selbst mein unsterbliches Ich ist voll Schauer, wenn etc. 2, 231; Nicht eine Ader (s. d. 4), nicht ein N. fürstlichen Gemüths in ihm. 1, 37; Der thierische N. und der menschliche N. sind völlig gleiche Gebilde. gB. 1, 271; Des N–en. 258; Kein Fluidum, das im N–e steckt. ebd.; Am N–en. 261; Schneidet man den bewegenden N–en eines gewissen Organes durch. 257; In jeder Ader, in jeder N–e. 4, 77; Die ewige, innerliche Kraft der Natur fühlt man sich ahnungsvoll durch jede N–e bewegen. 14, 214; 26, 124; Die Sehnsucht nach Ihnen trifft auf eben die N–e, wo der alte Schmerz etc. Stein 1, 315; So wird eine N–e des Gesichts getödtet. 4, 56; Kein N–e liegt ausgespannt da, daß er bis zu einem Punkt der Vereinigung vibriere; bei einigen Thieren kommen nicht einmal die N–en beider Augen und bei keinem Geschöpf die N–en aller Sinne so zusammen, daß ein sichtbarer Punkt sie vereine. Ph. 3, 259; Daß ich alle Empfindungen, alle Sinne, die dem Menschen zu Theil wurden, so lange durchgeritten hab’, bis keine N–e mehr spannte, klang und drang. Gris. 37; Der seine schlaffen N–en durch etwas ganz Neues .. wieder gespannet und gereizet wissen will. 7, 146; Noch zittert ihr der Schreck durch jeden N. Nath. 1, 1; Für jede Bewegung kennen wir einen besondern N–en, einen besondern Leiter. Th. 198; Hoffnung erfrischt | jede N–e der Seele [2]. 35; Die N–en bestehen aus langen dünnen Markschnüren, welche wie die Fäden einer ungedrehten Schnur an einander liegen und durch eine häutige Scheide zusammengehalten werden etc. 4, 54; Wer zog den N. im Weltgehirne? 2, 9; Das Publikum brachte dicke N–en mit, sie wollten nicht leise gekitzelt, derb gestriegelt wollten sie sein. GschTh. 181; Man hat den N–en als einen Kanal betrachtet, der ein äußerst feines, flüchtiges und wirksames Fluidum führet. 688a (s. Lebensgeister u. o.: Über euch Weiber und das ewige Räthsel! Die zärtliche N–e hält Frevel fest, die die Menschheit an ihren Wurzeln zernagen, ein elender Gran Arsenik wirft sie um. 212b; O, in diesem | Gefühl liegt Hölle — Hölle liegt im andern, | sie zu besitzen. Weh, ich fass’ es nicht | und meine N–en fangen an zu reißen. 251b; Als die feurige Lust jeden N. durchzitterte. Malk. 1, 358; Des Vaterfluchs grimmtödtliche Verwundung | durchbohre jeden N–en deines Wesens. Sh. 8, 268; Deren Klang so zum N–en des menschlichen Ohrs und durch diesen zur Seele spricht. Ästh. 2, 78; Wenn die N–en seines Geistes durch die Gewohnheit einer wollüstigen Leidsamkeit nicht eingeschläfert worden wären. 5, 132; Es soll, wer sie verehret, | für alle Andern stumpf und ohne N–en sein. 12, 295; Eine zarte und warme, von jedem Anhauch auflodernde Seele, ganz N., Empfindung und Mitgefühl. 33, 270 etc. —
2) (s. o.) in der wissenschaftl. Sprache vralt. für die Bänder (s. d. 5d) u. Sehnen des Körpers etc., s. Ader 1c die ebenfalls vralt. Bez.: Band-, Flachs-, Spann- Ader u. Geäder, z. B. Th. 20; 34 ff. u. o., — noch heute eig. (s. nerven 2) u. übrtr. (vgl. 1), als Sitz der Kraft, der Spannkraft etc. und so auch kollektiv = Kraft, Kräftigkeit u. Das, worauf die Kraft von „Etwas beruht (s. entnerven), z. B.: Der Friede mit Rom und Achaja hatte den N. der politischen Kraft Sparta’s zerschnitten. Mor. 1, 45; Mit der alterthümlichen Sprache vertraut, aus der er gern die alte N–e entlehnte, die unsere Sprache in der Verbildung durchs Französische und Lateinische verloren hatte. Lit. 5, 60; Wenn dann männlicher die gewaltige N–e der Begierden und Leiden in deinem Pinsel lebt. 31, 13; Was ich schreibe, sei ohne N. 11, 54; Wie der ganze Jüngling, eine Spanne größer geworden, in leichter N–e dastand! H. 2, 33; Ich fühle | jeden N. gestrafft. Po. 2, 377; Den kurzen und n–en-reichen Ausdruck. 4, 449; Die N–e ihres Arms, womit sie einen Wurfspieß auf eine ungeheure Weite schleudern konnten, mußte an der Mutterbrust gespannet sein. Ph. 4, 15; Da spanne sich des Fleißes N–e [Reim: werfe, s. Anm.]. 72b; Dem mühsamen Glätter versaget | Nerv’ und belebender Geist [dem allzu gefeilten Gedicht fehlt die Kraft]. H. 2, 353; Michel Angelo wollte in jede N. seiner Figuren die hohe poetische Kraft stempeln. Klost. 174; Entfiel dem guten Kind auf einmal alle Stärke; | sie fühlte sich an allen N–en lahm. .. Wenn nicht .. die Amme .. mit n–en-vollem Arm | die Widerspenstige .. getragen hätte. 11, 206; Zu jedem rühmlichen Bestreben abgespannet | und n–en-los. 12, 330; Bei jedem Volke, das .. durch alle Arten sinnlicher Ausschweifungen seine N–en verloren hatte. Luc. 1, XXX etc. —
3) dazu:
a) etwas aus einer Sehne Bereitetes, z. B.: Fassend dann zog er die Kerbe zugleich und die N–e des Rindes [Sehne des Bogens]. Il. 4, 122 etc.; Die N–en [Saiten] der Harfe. etc. —
b) Botan.: Adern eines Blatts, nam. die von der Spitze des Blattstiels bis zu der des Blatts, bestimmter: Längen-N–en im Ggstz. der Seiten-N–en (od. eig. Adern), dazu z. B.: Mittel-, Grund-N–en etc. —
c) N. heißt in der Sprache der Wollsortierer die Elasticität der Wolle, die mit Stärke und Festigkeit verbunden ist. Thierarzn. 2, 154b. —
d) Tuchmach.: beim Walken entstandne falsche Falten, s. Aal 5, Flocke 2, Walkrippe.
Anm. Aus lat. nervus zunächst in Bed. 2, dann auch 3a etc.; bei Ältern (z. B. Th. 34 u. o.) einsilbig „nerff“, verlängert (in Mz. etc.) „nerven“. Das „v“ lautet auch heute hier allgm. wie „f“, s. 72b als Reim: N–e, werfe (u. dazu Humb. 192), so auch in den Ableit. mit deutschen Ends., vgl. dagegen: nervös. — Die vrsch. Formen s. o., selten (od. ungw.) Mz.: N–e. Selten als Bstw.: N.-Gewebe. 2b. Zuw. –in ganz lat. Form z. B. nervus rerum gerendarum, als scherzh. Bez. des Geldes als der Hauptsache.
Zsstzg. s. 3b, ferner sehr zahlreich zu 1, nach dem Ursprung (Gehirn-, Rückenmarks-N–n), nach den Funktionen (z. B. Bewegungs-, Empfindungs-, Sinnes-, Seh-, Tast-N–n), nach dem Organ (z. B. Magen-, Herz-, Augen-N–n), nach den Gegenden (z. B. Gesichts-, Hüft- N–n) etc., z. B.: Der Seh-N–e (die Gesichts-N–en, nervi faciales, haben mit dem Sehen gar Nichts zu schaffen). Vogt Köhl. 126 etc., s. ein alphab. Verzeichnis Oken Reg. 280 ff.; Bock Anat. 969 etc.
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