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nehm Nehmheit
II. Nêhm, a. (~heit, f.):
ugw. außer Zsstzg. z. B.: Ge-: so, daß es gern genommen wird, z. B.:
1) (veralt.) Gäng (s. d. 2b) und g. (vgl. gebe) etc., von Münzen, s. Frisch 2, 13a, heute gw. nur (vgl.
2) = so, daß man gern darein willigt, es will; willkommen, lieb; Einem passend, recht und bequem, z. B.: Wenn es Ihnen g. ist [beliebt, so recht ist]; Was euch g. ist, Das ist mir recht. Sch. 493a; Jst denn nun ein Solches g. den seligen Göttern, | daß in die Heimath kehre der weisheitvolle Odysseus. V. Od. 1, 82 etc.; Etwas g. halten, es genehmigen, z. B.: Weil sie nicht für gut befunden seine Liebe g. zu halten. W. 6, 82; Ohne unser G.-Halten. Sch. 351a etc. (vgl.: G.-Haltung); Machten sie sich den g–ern und weit anschlägigern Triumph. Auerbach Gv. 211; Der g–e Schluß dieser Betrachtungen war aber doch etc. Dorf. 4, 45; Ihnen zu Liebe mußte Egon Strebungen zu befreundeten machen, die ihm sonst nicht wären g. gewesen. Gutzkow R. 7, 471; Der alten Excellenz war grade diese durchsichtige Baumwelt die g–ste. 9, 6 etc. Ugw. dagegen = passend, paßrecht, von einem Pantoffel: Der Schönen, deren Füßchen er g. Platen 3, 111. 2) dazu: An-g.: z. B. noch kaufm. von einer Waare: gern genommen, d. h. leicht Abnehmer findend, auf dem Markt begehrt, auch: Die Stimmung der Börse für die Anleihe war a. [animiert etc.], allgm. aber den Sinnen Vergnügen gewährend; den Sinnen gefällig; sie behaglich anmuthend, und daher: erwünscht und (in weitrem Sinne) lieb, vgl. hübsch 4 und: Was Einem genehm ist, dagegen hat er Nichts; was ihm a. ist, Das wünscht und begehrt er etc.; Etwas ist a., Einem a.; substant: Etwas A–es, A–eres; das A–e, A–ste etc.; Jemand ist a., z. B. in der Unterhaltung, in der Gesellschaft, ein a–er Gesellschafter, auch substant: Du glaubst, du bist der Schönste | in der ganzen weiten Welt | und auch der A–ste, | ist aber weit gefehlt. Volkslied; Bei den Damen den A–en spielen, machen; Daß .. deine Wohlthat dich a. [beliebt] mache. Sir. 7, 36; Sich a. machen, z. B. Olearius Baumg. 67a; bei Einem (Ros. 75a etc.) oder Einem (G. 22, 315; W. H. Sat. 1, 178; 194 etc.); Daß das Opfer dem Herrn „angeneme“ sei von ihm. 3. Mos. 1, 3 etc.; Daß bloß Dasjenige schön sei, was wir durch die Sinne des Gesichts und Gehörs erkennen; aber Geruch und Geschmack und Gefühl geben doch auch Vergnügen, haben doch auch ihre a–en Gegenstände. Engel 4, 269 ff.; 282; 290; Daß hier das Erhabene mit dem Gefälligen in Bund getreten sei; soll das Ungeheure .. nicht erschrecken .., so muß es .. sich das A–e zugesellen. G. 21, 207; Auf dem a–en Fußpfad. 203; Für einen gesitteten Mann die a–ste aller Erinnerungen. 22, 316; Mit einer a–en [gefälligen] Gleichgültigkeit. 9, 48; Es ist wohl a., sich mit sich selbst | beschäftigen, wenn es nur so nützlich wäre. 13, 141; [Das hatte] sein lebhaftes Gemüth a. aufgeregt. 15, 11; Von a–en [lieben] Lippen ausgesprochen. 24 etc.; Ihr [unsrer Seelenlehre] Erkennen ist: Sehen, ihr bestes A–e Schönheit. H. 11, 250; A. ist eine Vorstellung, wenn sie uns mehr unsere Kräfte als ihre Einschränkung empfinden lässt, d. h. wenn sie unsere Kräfte ohne Anstrengung beschäftigt. Mendelssohn 4, 1, 48; Sie opfern ihre Gaben, | das Herze zuvoraus dem a–en [holden] Knaben [dem Christuskinde]. Opitz 1, 14; Harfenschwung aus a–ern [schönern] Sternen. Sch. 3a; Das A–e vergnügt bloß die Sinne . ., es gefällt durch seine Materie, denn nur der Stoff kann den Sinn afficieren und Alles, was Form ist, nur der Vernunft gefallen. Das Schöne gefällt zwar durch das Medium der Sinne, wodurch es sich vom Guten unterscheidet; aber es gefällt durch seine Form der Vernunft, wodurch es sich vom A–en unterscheidet ... . Das Gute wird gedacht, das Schöne betrachtet, das A–e bloß gefühlt. Jenes gefällt im Begriff, das Zweite in der Anschauung, das Dritte in der materiellen Empfindung etc. 1145a; Ihr habt den betrüglichen Unterschied zwischen Nützlich und A. aufgehoben. W. 7, 76; Unter einer a–en Hülle | uns Dinge, die im Leben brauchbar sind, | zu sagen. W. HB. 2, 231; Der das Nützliche | so mit dem A–en zu verbinden weiß. 232 etc., zuw. auch iron. (vgl. hübsch 4): Du bist heute in einer a–en Laune, Stimmung etc. Veraltend st. lieb etc. von Personen: A–ste Henriette! L. 1, 406; Wie verließt ihr | Frau Gertrud, eure a–e Wirthin [eure liebe, werthe Frau]. Sch. 522b etc.; ferner vralt.: Alsdann wirst du a. haben das Opfer. Luther 1, 31a = Dann werden dir gefallen die Opfer. Ps. 51, 21; Etwas a. [statt genehm] halten. Harsdörfer Mordsch. 241 etc.
a) Doppelzsstzg. z. B.: Mit diesen traurig-a–en Jdeen. L. 4, 446, wehmüthig, vgl. bittersüß etc.; [Das Schloß] lag gar wunder-a. W. 12, 68 etc., nam. aber der Ggstz.: Un-a., vgl. fatal, widrig: Un-a–e Personen, Nachrichten, Ereignisse, Begegnisse, Vorfälle, Eindrücke; Ein un-a–er Geschmack, Geruch; Es ist mir sehr un-a., daß etc.; Einem etwas Un-a–es sagen, mittheilen; Sein Beruf, dem Zeitalter un-a–e Wahrheiten zu sagen. Fichte 8, 22; In dieser un-a–en Jahreszeit. Gutzkow R. 7, 415; Der Sprachgebrauch unterscheidet das A–e vom Guten, das Un-a–e vom Bösen. Kant 4, 166 etc.
b) dazu (selten): Die A–heit, z. B. Knittel Sinnenfrüchte (Kolberg 1677) S. 6 und dafür: Die Angenehme des Lichts. Leo Jud. Paraphr. 192b, wie auch: Angenehmigkeit. Schwarzenberg Off. 26; 52b (s. Wurm), vgl. auch annehmlich und angenehmlich. Ferner (s. a): Die Un-A–heit seines Aeußern, seines Wesens, seines Organs etc.
c) (selten) Verangenehmen: a. machen, vgl. verannehmlichen.
Vōr-:
1) so beschaffen, daß es vor Andern genommen zu werden, allgemeiner: den Vorzug verdient, vorzüglich. In diesem allgm. Sinn (vgl. 2) nur als Ew. im Superlat. (vgl. v–lich): Dies ist das v–ste [furnemest“] und größte Gebot. Matth. 22, 38; Hielt ihn für seinen v–sten [,furnemesten“] Freund. 1. Macc. 11, 27; Jer. 49, 35; Die Zahl der v–sten [,,fürnemesten“] Väter unter den starken Kriegern. 2. Chr. 26, 12 etc.; Eine der v–sten Ursachen; Der v–ste Grund; Die v–ste Stadt im Lande etc.
2) (s. 1) bes. in Bezug auf Rangunterschiede, im Ggstz. zu dem gw. oder gemeinen Volk, den höhern Ständen angehörig und in der Weise derselben: V–e Herren, Damen, Besuche, Gesellschaften, Kreise; V–er Anstand; Sich v. benehmen; Ein v–er Anstrich; V. thun; Den V–en spielen; V. und Gemein; Mit v–en [oder großen] Herren ist nicht gut Kirschen essen. Sprchw.; Verblüfft war er gleich an der Thür, | als wenn’s ihm zu v. widerführ. G. 2, 223; Eine Kutsche mit 6 Pferden! wahrscheinlich ’was V–es. 6, 323; Daß wenn man die V–eren retten wolle, man auch über die Fehler der Geringern einen Schleier werfen müsse. 20, 257; Die beste Gesellschaft, bestehend aus Personen von Geburt, Rang und Vermögen, wählte zu einer ihrer Haupt- unterhaltungen die Literatur und diese ward dadurch ganz gesellschaftlich und v.; Standespersonen und Literatoren bildeten sich wechselsweise und mußten sich wechselsweise verbilden, denn alles V–e ist eig. ablehnend. 22, 44 etc.; Stände seh ich gebildet; der Pappeln stolze Geschlechter | ziehn in geordnetem Pomp v. und prächtig daher. Sch. 75b; Und solch ein Nachdeuter thut v. gegen die Deutungen der Grammatiker! V. Myth. 1, 44; Die ganze wohl-v–e Sippschaft. W. 23, 246 etc. Dafür selten: Eine „vornamige“ Verbildung hält Das doch für gar zu gemein. Jahn M. 222, vgl.: Ein Fürnehmiger. Schaidenreißer 8a (s. c); Fürnemmischer weis 73b; Einen „fürnemlichen“ Mann etc. 4. Mos. 13, 3 ff. (s. d). Dazu:
a) (selten) Der Wahn .. vervornehmt die Leute, macht sie volksscheu. 283, v. machen, Einem eine v–e Haltung, ein v–es Wesen verleihen.
b) V–heit: v–es Wesen (s. c). Demokr. Stud. 184; Unter der kalten Form von Gemessenheit, V–heit. Droysen Y. 1, 62; 332; Diese poetische V–heit, die so gern überall das Pfauenrad der großen Welt schlägt. Eichendorf Lärm 15; Ense Denkw. 1, 139; Gervinus Lit. 3, 318; Die aristokratische V–heit in Goethe’s Benehmen. 5, 396; Gutzkow Bl. 1, 234; Hagen Nor. 85; Jch meine nicht die gw. V–heit, die genau weiß, was unterlassen werden muß, sondern jene seltnere freie positive V–heit, die uns genau sagt, was wir thun dürfen. Heine Reis. 1, 182; 4, 158; HHerz 234; Liebenswürdige V–heit . . . An ihre Stelle sind leider nur allzuhäufig preciöse V–thuerei oder herablassende Plumpheit getreten. Holtei Jahr. 1, 310; Keller gH. 4, 342; Kühne Char. 1, 252; Lewald W. 1, 55; 2, 463; Ad. 9; Meißner NAd. 1, 204; Mügge NLeb. 1, 191; Die gespreizte V–heit. Prutz Gsch. Th. 223; Mus. 1, 169; DM. 1, 2, 343; Stahr Rep. 1, 7; Tieck DBl. 2, 98; V. Sh. 2, 327; Waldau N. 1, 190 etc.
c) (s. b) V–igkeit: V–heit, z. B.: Arndt E. 12; Auerbach Leb. 2, 231; Die größere V–igkeit des romanisierten Auslandes. Fichte 7, 337; Jahn M. 176; König Kl. 1, 125; 2, 289; Eine armuthselige V–igkeit. Rumohr Kochk. 16; DViertelj. 1, 2, 132; Vor lauter V–igkeit nicht wissen etc. Wagner Kind. 18; Wir sind ehrliche Leute und Das ist mehr als V–igkeit. Weiße Kom. Op. 3, 417 etc.
d) selten für b oder c: Setzte mit bäurischer V–lichkeit seinen Hut auf. Spindler Stadt 1, 129.
e) für: Ein V–er, in verächtl. Sinn (vgl. Dichterling etc.), ein V.-Thuender: V–linge. Jahn M. 42; 176; Der V–ling, welchem die Schüsseln voll grüner Erbsen im Juli zu lächerlich waren. Keller (Auerbach Volksk.) 59 etc.