nähren
Nǟhren: 1) tr.:
das zur Erhaltung u. zum Fortbestand Nöthige geben (reichen) od. gewähren:
a) eig. von Menschen u. Thieren, in Bezug auf das zum leibl. Unterhalt Nöthige (vgl. er-n., speisen): Die alten Vögel n. die Jungen, bis sie flügge sind; Einen (od. sich, s. 3) n., reichlich, kümmerlich n.; Ein Handwerk, das seinen Mann nährt, reichlich, nur kümmerlich nährt; Niemand hat jemals sein eigenes Fleisch gehasset, sondern er nähret es. 5, 29; Er nährete ihn mit den Früchten des Feldes. 5. 32, 13; Er nährete es [das Schäflein], daß es groß ward. 2. 12, 3; Wer Schlemmer nähret. 28, 7; 6, 26; 16, 20; Nährete ich mich (s. 3) und meine Brüder nicht von der Landpfleger Kost. 5, 14; Man setzte mir .. vor .. | . ., was so Meer als Land für leckre Gaumen nähret. D. 107; Die Pferde, die uns n., nicht aber von uns zehren sollten einzuschlachten. 5, 172; Du warst genährt, Mund, was begehrst du? 29, 224; Spärlich nährt es [das Fahrzeug, der Nachen] den dürftigen Mann [den Fischer]. 425b etc. Auch mit Angabe der Wirkung: Ein junges Thier, ein Kalb, ein Kind groß-n. (vgl. b u. auf-n.) u. im Partic.: Feist genährte Stiere Jl. 7, 223), Eber (Od. 14, 19), Städtlinge (Sh. 3, 38) etc.; Ein wohlgenährter Hengst. Mak. 1, 57; Gelehrte und nicht allzu wohlgenährte Müßiggänger. 5, 244; Wohlgenährt aussehn, vgl. wohlbeleibt und als Fortbild.: Die Wohlgenährtheit etc. (s. b u. 2). —
b) verallgemeinert u. übrtr.: Eine Schlange (s. d. u.
a) im Busen n.; Einen schlimme böse Leidenschaft, den Unfrieden 3, 329) im Herzen n.; Sorgen Lieb. 112), tiefe Schwermuth 4, 278), Argwohn (353), einen Verdacht n.; Einsam nähr’ ich Schmerz und Wunde. 8, 305; 1, 47; Ein böser Arzt, der die Krankheit nährt. Ph. 4, 250; Die .. die Wunden nährten, die sie heilen konnten. 493b; Eine Hoffnung n.; Weg sind meine Hoffnungen auf den schönen Morgen, weg die goldnen Träume, die ich zu n. wagte. 10, 163 etc.; Der Dünger, die Erde nährt die Pflanzen; Zufrieden mit stillerem Ruhme, | brechen die Frauen des Augenblicks Blume, | nähren sie sorgsam mit liebendem Fleiß. 81a etc.; Das Feuer, die Gluth, die Gluth der Leidenschaft n.; Die ganze Nacht | seh ich der Lampe Licht von dir genährt. 215a; Das Wissenschaft und Geistesgluth | getreulich nährt und facht. 114 etc.; Seine Seele mit Grundsätzen der Tugend n. Seine Seele wird mit Vor-Jdeen genährt etc. Ph. 3, 189; Ich nährte still mein Herz mit seiner Verzweiflung. 4,287 etc.; Die Gymnastik war es, die jenen hellenischen Sinn großnährte (s. a). Nat.-Z. 7, 395; A. 176 u. im Partic. mit Bstw. zur Bez. Dessen, womit od. wodurch Etwas genährt ist: Das geistgenährteste Volk der Erde. 5; Mein gluthgenährter Traum. Fahr. Po. 4, 11; In den lenzgenährten Wiesen. Mosch. 2, 47; Macht, ohne Klugheit, stürzt unter eigner Last; | der rath- genährten mäßigen Macht verleihe | die Götter Größe. 11, 10 etc., ferner (vgl. 4a): Der all-n–den Erde. E. 237; Der milden all-n–den Freiheit. 7, 70. — 2) intr. (haben) od. ohne Obj.: nahrhaft (s. d.) sein, — zunächstleibl. (s. 1a), dann auch übrtr. (s. 1b), nam. oft im adjekt. Partic.: Speisen, die gut n.; Eine der n–dsten Früchte; Eine sehr n–de Kost etc.; Friede (er-)nährt, Unfriede verzehrt; Begierde nach einer Wissenschaft, die friedlich, nützlich und n–d sei und nicht wie die alten Sekten, welche nur schwere und unverdauliche Argumente gaben oder bittere Streitigkeiten statt Nahrung. 39, 224; Soll Alles für den Geist n–d, bildend und erhebend sein. 29, 395; Nun ist ihm [dem Keim] die Sonnenhitze nicht erstickend, sondern n–d. 4, 453 Z. 4) etc., vgl. decken, Anm. — 3) refl., s. 1 a u. b: Sich (und die Seinigen) n., anständig, ehrlich, mit Ehren 40, 18), kümmerlich, mit Kummer (1. 3, 17) n.; Bleibe im Lande u. nähre dich redlich. 37, 3; Wir wollen uns selbst n. und kleiden. 4, 1; Sich durch, — von, — mit seiner Hände Arbeit n. (s. u.). Nam. oft mit „von“: Sich von Pflanzen, von Fleisch, von Aas, vom Raube n. [leben]; Nähret euch von dem Übrigen. 2. 4, 7; Sie n. sich vom gottlosen Brot. 4, 17; Die das Evangelium verkünden, soll sich vom Evangelium n. 1. 9, 14; 1. 47, 22; 4, 9; 4, 281; 50a etc.; ferner: Wer sich mit 49* seiner Arbeit nähret. 40, 18; Sich mit Spinnen, Weben n.; Ein Volk, das .. | sich kümmerlich mit hartem Brote [mit harter Arbeit] nähret. 1, 68 etc., seltner: Ich nähre mich bloß mit [gw.: von] todten Schafen. 1, 162 etc., auch übrtr.: Wie mitleidig er auch nachher auf die .. wilden Formen dieses Genies herabblickte, er hatte sich mit seinem Geiste genährt. Less. 1, 195 (— vrsch. dagegen: Wer mit Huren sich nähret. 29, 3, wer mit ihnen lebt, verkehrt —); ferner: Eine Neigung .. stirbt nicht auf einmal ab, ja sie nährt sich an der Betrachtung rechtmäßiger Wünsche etc. 22, 402; Aus wievielen Elementen | soll ein echtes Lied sich n.? 4, 7; Das Gemüth nährt sich aus seiner eigenen Habe. 3, 19; Sich aus’m Stegreif [s. d.] n. SW. 60, 27 etc. Ver- altend und in gehobner Rede auch mit Genit.: Sich Stegreifs n. 2, 33 Z. 35; Deines Schwertes wirst du dich n. 1. 27, 40; Du wirst dich n. deiner Hände Arbeit 128, 2 = Nähr dich deiner Arbeit. Nährt sich redlich seiner Kunst. Bibl. 5, 92); Nähret sich der Milch. 9; 126 etc.; Der Ritter nährte sich seines anmaßlichen Berufs. M. 4, 91; 33; Th. 99 etc.; Dieser Vogel nähret sich der Fische(n). 612b; Du wirst dich n. der Arbeit. 1, 118 etc. 4) dazu:
a) Der Vater und Nährer der Familie, auch sachl.: Die Ida erreicht er, den quelligen Nährer des Wildes. Il. 8, 47; Den Ätna, „die Säule des Himmels, Nährerin daurenden Schnees“. K. 2, 10 etc., auch: Erd, Allnährerin du! etc. —
b) Nährung, das N., z. B.: Die Nährung von Zwillingen durch eine Amme erfordert, daß sie wirklich Nahrung (s. d.) für 2 Kinder habe etc.; Starke Arbeit und reichliche Nährung [Düngung] des Landes schienen . . die Grundlage der Agrikultur. Nachg. 223; Eine geistige Nährung [Nahrung] | für der leiblichen jetzigen Entbehrung. Mak. 1, 159; Wie ich hab ein kleine Nährung, | so halt’ ich auch eine kleine Zehrung. 2, 54 Z. 23), vergl. 3, 218.
Anm. Zu genesen (s. d.), goth. (gi)nisan, ahd. (ga)nësan, mhd. genësen, gerettet und erhalten, geheilt werden, gesunden (vgl. noch schwzr.; geneeren = anfangen zu heilen; geneerig, leicht heilend, von Wunden. als Faktitiv goth. nasjan, ahd. (gi)nerjan, nerren, mhd. ner(e)n, nerigen, — eig. genesen machen, heilen, retten, erhalten, — vgl. vralt.: Mit diesem Pulver hab ich .. all[e] Fistelen ernert [geheilt], die zu heilen waren. Feldb. d. Wund- arzn. (Straßb. 1528) 70 etc.; Mein Harnisch und mein grüner Schild | die thäten mich oft ernern [erretten]. V. 332; 338; Uns gnädiglich ernähr [bewahre] | vor Ketzerei und falscher Lehr. s. 2, 71 Z. 3 und Gloss. 138 und 2, 703 und für den Übergang des s in r ahd. Stellen wie: Andere tëta ër genësen, sih ne mag ër sëlben generjen. Ps. 68, 20, s. 27, 42 und z. B. war als Jmpf. zu „wesen“ neben dem noch mundartl., alterth. was, ferner nam.: Viel feister und „neeßlicher“. 2, 431, fett, wohlgenährt etc. — Hierzu gehört ahd. nara, mhd. nar (Nahrung, z.B. noch Narr. 75, 86), erhalten in nahrlos, Nahrquelle, -saft etc., ferner in nahrhaft, nahrsam; ferner Nahrung (mhd. narunge), vgl. 4b und (vralt.) nahren = Nahrung enthalten. Tr. 69, — dagegen zu n.: nährlich (mhd. nerlich) etc. — Ältre Schreibw. z. B. bei nee- ren. Vrsch. nähern, s. d. und vgl. Orth. 94.
Zsstzg. z.B.: Āūf- [1a u. b]: groß nähren, nährend aufziehn oder aufwachsen machen, eig. u. übrtr.: Die Frau, die keine Lebenskeime ausbringt, sondern empfängt und aufzunähren hat. König Jer. 2, 231; Der lang im Stillen aufgenǟhrte Keim einer Volksgärung. JvMüller 1, 2; Dus heilige Feuer des alten Geistes für einst bessere Umstände a. 6, 471; Winkelmann, weil er .. seine wohlgebildete Seel mit der gesunden Milch der alten Literatur zu der Stärke aufnährte, welche etc. 13, 40; Da du nun so große Dinge hast gepflanzt und aufgenährt | in dem sterblich schwachen Busen. Platen 4, 236; Aufnährte das schönste Pfand | Garibald, der lieblichen Tochter bräutliche Schönheit. 2, 239; Ein Geist, aufgenährt an den großen Mustern der Alten. Strauß Streitschr. 2, 122; Nicht stiegt ihr aus der Wolke | mit Zepter, Kron’ und Schwert: | ihr wurdet gleich dem Volke | gewiegt und aufgenährt. V. 4, 49; Ros’ im Thal, | von reinem Thau und Morgenstrahl | des Himmels aufgenähret. 94; Od. 19, 368; Arat. 9; Sh. 3, 10; Kein Scheusal . ., das die .. Daunusflur aufnährt’. H. 1, 63; Da meine Adelphoi [meine Komödie] unter deinem Einfluß geboren und gleichsam mit deinen Küssen aufgenährt worden sind. W. 21, 22 etc. —
Āūs-: (alterthümelnd) Sein Verstandnus ist nicht ausgenährt [zur Reife gediehn]. V. Sh. 2, 466. —
Dúrch-: nährend durchbringen, durch eine Zeit erhalten. —
Er-:
1) tr.:
a) [1a] Ernähret[e] er sie mit Brot das Jahr um alle ihre Vieh [indem sie ihm dafür ihr Vieh gaben]. 1. 47, 17; 48; 18; Daß er ernähre sie in der Theurung. 33, 19; 2, 22; 7, 20; Sie ernähret ihn mit Spinnen. 2, 19; Daß nicht die gewachsenen Früchte den Menschen e., sondern dein Wort erhält Die, so an dich glauben. 16, 26; Narr. 48, 31; Hunde, Katzen und Vögel, dergleichen mein Vater von allen Arten ernährte etc. 17, 96; Der all-e–den Ceres. 30, 475; Speise, damit sie den Leib e. 1, 1011 Z. 9); Das muß der Kaiser e. 321b; Sechs Kinder und überhaupt vierzehn Mäuler zu e. zu haben. Merck 2, 149 etc., auch ohne Obj. [2]: Frieden ernährt, aber Unfrieden verzehrt. 3, 488. —
b) [1a] selten übrtr. u. verallgemeinert st. des Grundw.: Garten, der .. | nützliche Kräuter ernährt und jugendbeglückende Früchte. 1, 272; Ein Geheimnis, das ich nun so lange, | wie Philoktet den alten Schaden, | als einen schmerzbeladnen Feind ernähre. 13, 389; Flüsse, die von dem platten Land ernährt werden. 9, 16; Durch Geblüte wird die Rache nur ernähret, nicht ertränkt. 3, 101; Mich erweichte und erschreckte der schöne Irrthum der Liebe und ich ernährte ihn durch den Doppelsinn der Anrede. Fat. 2, 105. —
c) [Anm.]. —
2) refl. [3]: Sich e., sich kümmerlich, anständig etc., sich durch Stunden geben, sich mit Spinnen, sich von Handarbeit e.; „Wovon ernährten Sie sich?“ Von derselben Kunst, die etc. R. 7, 56 etc. Wo dabei nicht von einer Thätigkeit in Erwerbung der Nahrung die Rede ist oder die Beziehung darauf zurücktritt, gilt gw. das Grundw., daher ungw.: So nimmt ein Kind der Mutter Brust | nicht gleich im Anfang willig an, | doch bald ernährt es sich mit Lust. 11, 77 etc. Vralt. mit Genit.: [Das Kamäleon] ernährt sich allein des Lufts. 68; 72 etc.; Daß ein Jeder sich seiner Kunst und Handwerks ernähre. 3, 659 Z. 13); 314a; 611a; Es. 4, 13; Sich des Sattels oder Stegreifs e., s. 1, 185 etc. —
3) dazu:
a) Der Ernährer, auch: Den hohen Ernährern (Nutritoren) unserer vielfürstigen Universität. Reinh. 144 etc. u. sachl.: Die Pflanzen sind eigentlich die Ernährer der Thiere. meister Gsch. 330 etc. —
b) Ernährung. 4, 204; 224; Diagn. 131; Überernährung (hypertrophia), ein Wachsthum, das die von der Natur gezognen Grenzen übersteigt. ebd. etc. — nährend fortbestehn machen, nam. [1b]: Durch seine Heirath wurde nun wohl ein solcher Verdacht beschwichtigt, aber durch heimliche Gegner dennoch im Stillen fortgenährt und gelegentlich wieder aufgeregt. 19, 109. — aufn., s. [1a u. b] etc.
Fórt-: Grōß-: Work in progress
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