Faksimile 0352 | Seite 350
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murmeln
Múrmeln, intr. (haben) und tr.:
gleichförmig dumpfschallende, unvernehmliche Töne andauernd hören lassen, z.B.:
1) von bewegtem, rieselndem, plätscherndem, rauschendem Wasser: intr.: Des Gießbachs M. G. 14, 133; 137; Am m–den Strome. H. 15, 7; Pfeffel Po. 3, 77; Wie M. des empörten Meeres. Sch. 8a; Stolberg Gd. 7; Streckfuß Rol. 2, 34; Uz 2, 72; W. HB. 1, 165 u. o., auch tr.: Ihr fließt und murmelt | Melodien im Flistern! dem Ewigen murmelt ein Preislied! Kosegarten Po. 1, 42; Ein ferner Bach murmelte ihm mit einförmigem Plätschern ein Schlaflied. Tieck 16, 83 etc. oder mit Angabe der Wirkung: Der Bach murmelte ihn in Schlaf (oder ein); Schon murmelt der Quellen Fall | in weiche Busen Liebe. Sch. 10b etc. Auch von ähnl. Tönen, vgl.: Strom .., der gleich entfernten Ungewittern, | dumpf m–d braust. ESchulze 3, 296; Daß voll Tiefsinn | die wunderliche Stanze nur, | die uns der Käfer murmelt [summt etc.]. Daumer 1, 62; Das Todtenlied muß noch in deinen Ohren m., das deinem Vater zu Grabe hallte: Sch. 124a; Murmelt, sanftbewegte Bäume, | bei dem Sprudeln heischrer Fluth, | mich in wollustvolle Träume. Uz 2, 108, so von einem Postwagen Börne 2, 85; vom Röcheln eines Ertrinkenden: M–d und gurgelnd sank er in den Morast. Höfer V. 306 etc.
2) (s. 1) Personen m.:
a) mit wenig geöffneten Lippen leise und unvernehmlich sprechen, z. B.: Vor sich (FNicolai FrWerth. 27), in den Bart (Reithard 46), unter dem Barte (G. 5, 263), zwischen den zusammengebißnen Zähnen (W. 9, 137) m.; In einem Athem gegen einen und denselben Schriftsteller sauersüße Komplimente zwischen den Zähnen m. und aus vollem Halse laute Verleumdungen ausstoßen. L. 10, 129 etc.; Gebete etc. (Daumer 1, 65; G. 28, 351 etc.), Bannworte, Zauberformeln etc. (Cham. 3, 228; Fischart B. 15b; Freiligrath SW. 1, 187; G. 12, 66) m. etc.; (Sie rupft und murmelt): „Was murmelst du?“ Margarete (halblaut): Er liebt mich, liebt mich nicht. G. 11, 139; Sie m. sanft, mit halbem Ton, | den Rachgesang. Platen 6, 25; Alte Weiber murmelten zwischen den Zähnen ihre Psalmen. Tieck (Wackernagel 4, 1151 Z. 33); Er murmelte mir einen Schurken auf den Hals [stieß dies Scheltwort m–d aus]. Weiße Kom. Op. 3, 41 etc.
b) munkeln (s. d.), leise und verslohlen äußern, bes. von einem dumpf umgehnden Gerücht: Wäre denn wirklich wahr, was hier das Hausgesinde murmelt: ihr seid mit Marien verlobt? G. 35, 38; Das Volk, was das denkt; die Nachbarinnen, was die m. 9, 158; Die Stadt murmelte Langes und Breites von einem gewissen —. Sch. 154; „Was murmelt man?“ Nichts murmelt man; auf allen Kaffehäusern . .. schreit man laut .., daß etc. ebd.; Fragt dich Jemand, so hast du von Weitem m. gehört, daß etc. 159a etc.
c) von den in einander fließenden Tönen einer großen Menge: Ein M. des Beifalls (Bei- falls-M.) lief durch die Versammlung etc.
d) (s. c) murren (s. d.), seine Unzufriedenheit äußern, z. B. 1. Petr. 4, 9; Judä 16 etc., heute gw. nur von leisem, dumpfem, sich nicht entschieden hervorwagenden Murren (s. d.): Die Achtung gegen den Mann war aber so groß, daß kein Murren, kaum ein leises M. entstand. G. 22, 86; Ein dunkles, sumsendes M. | lief durchs ganze Gezelt. W. 26, 298 etc.
3) Dazu:
a) (selten) Thut Alles ohne Murmelung [2d: „Murren“ Eß] und Zweifel. Phil. 2, 14 etc.
b) Die Murmler, die Immertadler. (Judä 16); Die Welle, so [welche] der Murmler Fuß benetzte. Freiligrath 1, 220 etc.
Anm. Ahd. murmurón, murmulón etc., mhd. murmern, murmeln etc. (s. Benecke 2, 276), vgl. gr. μ0ρμeύρc (auch μ0ρμμ, μορμμοzο = Mummel, Popanz), lat. murmuro etc. und murren, Tonwörter.
Zsstzg. wie bei ähnl. Tonw., z. B. (s. bellen, flistern etc.): Formelwerk, wie Priester oder Weiber, | abm. leis’ es feierlich. Freiligrath SW. 5, 184; Ein perlenfarbner Bach durchmurmelt hier die Auen. W. 25, 63; Eingemurmelt [in Schlaf] von des Baches Rauschen, | ruht er träumend; Mittrauernd m. die Wellen empor. W. 11, 6; Den Quellen entrieselt Harmonikaklang, | den Bächen ent murmelt Schlummergesang. Kosegarten Po. 2, 168; Zauberformel, die in einer unbekannten Sprache hergemurmelt werden muß. W. Luc. 3, 359; Worte heraus-m. 358; Von wo der . . Wasserfall herübermurmelte. Gutzkow R. 2, 166; Er murmelte einen Fluch hervor zwischen den zusammengebissenen Zähnen. Stahr Rep. 3, 260; Volk, das seine .. Lieder über das Wasser hin-m. lässt. Grube 1, 65; W. Luc. 4, 240; Murmelte der .. Regenbach hinab ins ruhige Meer. Hölderlin H. 2, 79; [So] murmelte er in sich hinein. Sealsfield Leg. 3, 83; Litanei .., deren wiederholtes „Bete für uns“ die dichte Menschenmasse nachmurmelte. Gutzkow Zaubr. 1, 364; War der Wind es ob der Rauchflucht | nieder-m–d in den Wigwam? Freiligrath H. 254; Neunmal um murmelte mich der Entsündigung kräftiger Bannspruch. V. Ov. 2, 334; Leis nach-m–d die vorgemurmelte Formel; Und die Versammlung darauf, Beifall zu-m–d dem Helden etc.