Faksimile 0333 | Seite 331
Faksimile 0333 | Seite 331
Faksimile 0333 | Seite 331
Faksimile 0333 | Seite 331
Mord
Mórd, m., –(e)s; –e, (Mörde); -:
1) unbefugte, absichtliche, gewaltsame Tödtung, vgl.: Tödten ist kein M. Heine Sal. 1, 90; Die Hinrichtung eines Mörders ist kein M. (a) etc., s. Todtschlag und nam. Haltaus 1364. Aus versch. Gesichtspunkt betrachtet, kann freilich ein und dieselbe Handlung mit dem Namen M. bez. werden oder nicht, z. B. das Tödten eines Gegners im Zweikampf, je nachdem darin ein Gottesurtheil, etwas Gesetzliches gesehn wird oder nicht etc.; Manche kriegsrichterliche (standrechtliche etc.) Hinrichtungen sind M–e, z. B. die Erschießung des Herzogs von Enghien etc., s. Justiz-M. So sagt ferner z. B. Tell in seinem Monolog: Sie alle ziehen .. | an ihr Geschäft und meines ist der M.! (b) ... Euch zu vertheid’gen, eure holde Unschuld | zu schützen vor der Rache des Tyrannen, | will er [euer Vater] zum M–e (a) jetzt den Bogen spannen. Sch. 544b, dagegen sagt er zu Parricida: Gerächt | hab’ ich die heilige Natur, die du | geschändet. Nichts theil’ ich mit dir, gemordet | hast du, ich hab mein Theuerstes vertheidigt. 551b, s. Mutter- M. und e.
a) vereinzelnd = eine Mordthat: Einen M., M–e begehn, verüben, vollbringen; Sich eines M–es schuldig machen etc.; Wüßte er einen M. auf dich, er sagt’s nach. Sir. 6, 9; Der M–e Stifter lässt | nie der Götter Auge frei. WHumboldt 3, 48; So braucht ein Arzt das Gift, | das außer seiner Hand nur häm’sche M–e stift. L. 3, 345; Rausch’ ihm [dem Tyrannen] alle M–e seiner Tage | bis zur fernen Richterstelle nach! Tiedge 2, 78, alle in seinen Lebenstagen verübten etc. Veralt. Mz.: Daß er so und so viel M. begangen. Zinkgräf 1, 255 etc. und: Die auch nicht Buße thäten für ihre Mörde [die von ihnen verübten, s. u.]. Of. 9, 21; Weil zwei Mörde .. geschehen. Gryphius Squ. 15; Verhindert viel böser Mörd [Reim: zerstört]. Luther SW. 56, 295; Matthesius Lthr. 95b etc. Theils mit subjekt. (s. Anm.), theils undzwar häufiger mit objekt. Genit. (vgl. Zsstzg.): Der M. Kaīn’s, den dieser verübt; der M. Abel’s, den dieser erduldet; Noch rauchend vom M. (s. b) der Erschlagnen, objekt.; Jhre Mörde [subjekt., s. o.]. Off. 9, 21 etc.
b) (s. a, nicht immer scharf zu trennen) ohne g Mz., zusammenfassend: das Morden, nicht bloß von einer einzelnen Mordthat: Auf M. und Rache sinnen; M. und Brand (s. h); M. und Todtschlag (s. 2). Alexis H. 2, 1, 190 u. v.; Raub und M. treiben. 1. Macc. 13, 34; Aus dem Herzen kommen arge Gedanken, M., Ehebruch. Matth. 15, 19; Gal. 5, 20; Und gehet bei ihnen unternander her Blut, M., Diebstahl etc. Weish. 14, 25; Alle durch den M. ausgerottet. Obadj. 9; Die m.-brütende Nacht. Eichendorf Lärm 49; Auf Erden war in unserm Hause | der Gruß des M–es gewisse Losung. G. 13, 52; Wer verstohlen | des M–es (a) schwere That vollbracht. Sch. 58b; Man hat Exempel, | daß man den M. (a) liebt und den Mörder straft. Sch. 397b; 392a; Uns unglücklichen Männern zum Kampf und Beginne des M–es. V. Od. 24, 169 etc.
c) (s. b) das Morden, mehr oder minder personif. (vgl. Mörder): Der Wolf heult und heult den gräßlichen, schwarzgelben M. aus dem Schlaf auf. B. 294a; Aufgeschreckt von seinem heulenden Wächter, | dem Wolf, gleich einem Nachtgespenste, geht | mit groß weit ausgeholten Räuberschritten | der M. an sein entsetzliches Geschäft. Sch. 563a; Nicht offenbar, noch heimlich soll’s dem M. | gelingen, euer Leben anzutasten. 411a; Mit gewaltsamer Hand | löset der M. auch das heiligste Band. 510b; Überall leuchteten indeß dem sich fortwälzenden M. Pechkerzen vor den Häusern. 1075a etc.
d) M. auch übertr. auf ein personif. Obj., gegen welches ein arges seine Eristenz gefährdendes oder sie vernichtendes Unrecht verübt wird (vgl. morden): Einen M. an Jemandes Unschuld, Lebensglück, an der Freiheit eines Volkes begehn; Die Arbeit, vollendet, ist sogleich Geld. Daß sie warten muß, bis sie durch Zufall Geld wird, ist der schaudervollste, empörendste M. der Menschheit [objekt. Genit.]. Gutzkow R. 7, 44 etc., s. Seelen-, Völker-M.
e) zuw. in gehobner Rede, verallgemeinert = Blutbad, Metzelei, massenhaftes Tödten, ohne Bezug auf Recht oder Unrecht, z. B.: Neuseeländisches Schlachtlied: . . Heut fordern wir Rache, heut bieten wir M. B. 60b; Zu einer Sommerwende geschah der große M. Simrock N. 2023; Du nicht darfst der Versöhnungen | durch vielen M. untadliges Wollenviehs. V. H. 1, 216 etc., s. Drachen-M.
f) (s. e) zuw. = Spur, Zeichen des M–s, nam. das Blut der Wunde etc.: Sie wuschen mit Wasser den blutigen M. von den Gliedern. Il. 7, 425.
g) zuw.: etwas für das Gefühl tief, tödtlich Verletzendes, Quälendes: Es ist als ein M. in meinen Beinen, daß mich meine Feinde schmähen. Ps. 42, 11; Dieser Gedanke war M. und Tod für ihn. Stiling 4, 176 etc.
h) M.! Ruf bei einem Überfall von Mördern um Hilfe etc., vgl.: Nun schreit sie über uns das M. [Anm.]. HSachs G. 2, 136 (s. u.); Das Fräulein, das schrei [schrie]: M–e! | M. über alles Leid. Wackernagel 2, 121 Z. 4, nam. auch (s. Jo, Anm.): O mordio! reddio [rettet!] 135 (vgl.: Mordenio! retten! Murner Ul. 116); Fahr hin, Meuchelmörder! (er sticht ihn todt). Räuber (in Bewegung): Mordio! Mordio! Sch. 133b etc. und in Verbind. mit Zeter (s. d. und Haltaus 2153 ff.): Zeter (und) M., (und) Mordio schreien, ein M.-Geschrei erheben, d. h. rufen, daß ein M. geschieht, dann aber auch nur: furchtbar schreien (s. M.-Spektakel etc.). Brentano Wehm. 133; Hebel 3, 200; 222 etc.; Drauf .. | gab’s lautes Zetermordio. B. 25b etc.; Zeter und Mordio über Einen schreien, ihn als Mörder bezeichnen etc. Luther 5, 321b; 6, 102a etc. Dann auch (vgl. Blitz 2c etc.) als Fluch, Schwur, Ausruf der Verwundrung etc., z. B.: Was seh ich, Egle? Ha, Mordjo! | an deiner Wange klebt ein Floh! Pfeffel Po. 3, 127; „M.!“ flucht er laut. B. 52b; M.! Donner! Rank Haus 51; M. und Tod! Sch. 105b etc. Dazu auch wohl: Daß euch der M. erschlage! Weidner 256 etc., D und als Bestimmungswort, nicht bloß: M.-Sapperment! Hebel 3, 293; M.-tausend Sapperment! Iff. land 3, 1, 121 etc. oder: M.-Weg. V. 2, 12 etc., ein furchtbar schlechter; Einen m.-mäßig prügeln etc., sondern auch zur Bez. des Ungemeinen überh.: Ein M.Kerl, -Rausch, -Gaudium. Schm. 2, 615; Sie verthäten mordsviel Geld. Gotthelf Sch. 364; Ein mordgnädiger Herr. vHorn rhD. 2, 64 u. ä. m. in der Volksspr. (vgl. mörderlich). Ahnlich auch: Auf M. z. B. schreien, Einen hauen; Es friert auf M. und verstärkt: Till hackte Holz auf M. und Brand. Claudius 7, 63 etc.
2) M. und Todtschlag, Name eines Biers in Kyritz (z. B. Jp. 31, 37), in Eisleben, s. Bier, Anm.
Anm. Goth. maúrthr, n., ahd. mord, n., mhd. mort, n. und m., vergl. lat. mors, Tod, zu mori, sterben (Skr.- Wurzel mri). Das sächl. Geschl. noch im ältern Nhd., z. B. HSachs (s. 1h); Dies M. geschah etc. Stumpf 526b; Das M. eines Juden [subj. Genit.]. 729b etc. Mz. mit Uml. z. B. Luther (Wackernagel 2, 20 Z. 24) etc., s. Kinder-M. Dazu: morden, goth. maúrthrjan, ahd. murdran und murdan, mhd. mürden, morden; Mörder, goth. maúrthrja, ahd. murdrëo, mhd. mordar(e), morder etc. S. mörderisch etc.
Zsstzg. vielfach, nam. (wie in denen ohne Erklärung) mit objekt. Genit., zuw. Doppeldeutung, s. [1a] leicht zu mehren nach den folg., vgl. Ermordung: Bandīten-: durch einen Banditen, gedungnen Meuchelmörder.
Bránd-: Mordbrennerei, Brandmörderei.
Brūder-: Sage mir die größte Sünde. . . . Vater-M. heißt die eine, B. die andere. Sch. 139b; Von den B–s Händen entseelt. 507b; 513a etc.
Dóppel-: doppelter, zwiefacher Mord. Gryphius Fr. 359. Dráchen- [1e]: Drachentödtung. Uhland 307.
Eīgen-: gw. Selbst-M.: Komm, E. mit Strang und Stahl! Gryphius Fr. 425; Kühne Char. 1, 43; 120; Lohenstein A. 1, 5 etc. Eltern-. Frēīheits- [1d]: Cäsar’s F. | gab Brutus gegen ihn den Mordstahl in die Hand. Fürsten-. Gátten-. Geschwíster-.
Gíft-: Meuchel-M. durch Gift. IKinkel Jb. 2, 133.
Justīz-: ein Mord, zu welchem die Justiz die Hand geliehn etc. oder in Folge des Justizverfahrens.
Kāīser-: Von dem Blute triefend | des Vater-M–es und des K–s. Sch. 551a.
Kinder-: O pfui über den K., den Weiber-M., den Kranken-M.! Sch. 121a, die Ermordung von Kindern, Weibern und Kranken; Der bethlemitische K. etc.; Von Kinder- und Vätermörden. Opitz (Wackernagel 3, 1, 624 Z. 25), zuw. statt Kindes-M. (s. d.).
Kíndes-: das Tödten der Leibesfrucht oder eines neugebornen Kindes durch die Mutter (s. Kindesmörderin), auch: eine zur Abtreibung der Leibesfrucht dienende Pflanze, der Sadebaum, Juniperus sabina (vgl. Menschendieb). Nicht immer genau geschieden von Kinder-M. (s. d.).
Kȫnigs-: Zu der verfluchten That des K–s [die Ermordung der Königin]. Sch. 406a; 417a; 301b etc.
Kránken-: s. Kinder-M.
Lǖgen-: durch Lügen bewirkter. Luther SW. 56, 226.
Mä́nner-: Würze des M–s zu erkundigen, daß er mit solcher | sich die ehernen Pfeile vergiftete. V. Od. 1, 262, versch.: Mannes-M., s. Kindes-M. und vgl. Gatten-M. Ménschen-.
Mēūchel-: meuchlerischer Mord: Durch einen der schrecklichsten M–e befleckt. Engel 7, 144; Jenen der ganzen Welt als heroīschpatriotisch rühmlich geltenden M. [Geßler’s Ermordung durch Tell]. G. 22, 368; Angelegte M–e. Sch. 1078b etc.
Mútter-: Die Furien .. reizten den Sohn [Orest] zum M. an. 507b. Uneig.: Meine erste Handlung, | als ich das Licht der Welt erblickte, war ein M. 243b, meine Geburt kostete meiner Mutter das Leben.
Nácht-: nächtlich verübter. Spate.
Rāūb-: ein Zwecks eines Raubs begangner.
Schláchten-: Die entrissen mir der Sch. ABube (Hungari 2, 46). Schwéster-. Sēēlen- [1d]: Dein schwarzes Aug, | weil es so stark im S. Daumer H. 1, 73.
Sélbst-: ein Mord, durch den Jemand sich selbst das Leben nimmt: Erzählungen von mehreren S–en. Arnim 366; Schreckliche Rache, Bruder-M., Vater- und S. G. 33, 246; 22, 165; Zudem war es eig. kein rechter S., im vollen Sinne des Wortes, ehe eine Selbsttödtung durch Mangel an Überlegung. Stahr Par. 1, 77; Dieser Seelenzustand, welcher den Wunsch des 42* S–es emporwachsen lässt. Tieck DBl. 2, 102; 108 etc., vgl.: Entwertherung. IGMüller Lind. 2, 360, mit Bezug auf den S. Werther’s (G. 14, 1 ff.). Übertr.: Der Idealmensch Fenelons so voll Liebe und voll Stärke der Jdealmensch Kato’s III. so voll Stärke und voll Liebe könnten gleichwohl sich nie gegen einander ohne Geister-S. [ohne sich geistig zu vernichten etc.] auswechseln od. seelenwandern. IP. 36, 37.
Strāßen-: auf offner Straße begangen. Tyránnen-.
Vāter-: Platen 4, 102 etc., zuw. auch nur von der Ermordung eines Nahverwandten, z. B. des Oheims. Sch. 551a, s. Kaiser-M., ferner Kinder-M. Verwándten-. Völker- [1d]: z. B. von einem mörderlichen Völkerkrieg. Herwegh 1, 41, aber auch: die Vernichtung eines Volks durch Mörderthaten, z. B. des polnischen Volks durch die Zaren. Platen 6, 36; Ihre längst entnervten, | weibisch entgürteten Dschingiskane, | die nur des Mords noch pflegen und nicht der Schlacht, | des V–s. 2, 200 etc.
Wéchsel-: ein Mord, wobei zwei Pers. sich wechselseitig morden: Lasst diese Halle .. | den Schauplatz werden eures W–s. | Vor eurer Mutter Aug zerstöret euch | mit euren eignen, nicht durch fremde Hände. Sch. 493a.
Wēīber-: s. Kinder-M., vgl. Weibes- M. [Gatten-M.] u. ä. m.