Faksimile 0280 | Seite 278
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Meinung
Mēīnung, f.; –en; –s-:
das Meinen (s. d. in den versch. Bedd.) und nam. das Gemeinte, so nam:
1) (s. meinen 1) auf subjektiven Gründen beruhende Ansicht (vgl. Glauben): (Un-)gegründete, (un-)wahrscheinliche, (un-)richtige, falsche, vorgefaßte M–en; Eine (gewisse) M. haben, hegen; einer (gewissen) M. sein; ich habe die M., daß etc.; ich bin der M., daß etc.; Einer (und derselben) M., der gleichen M., andrer M. sein; Ich war früher derselben M., bin jetzt aber andrer M. geworden; Ich bin mit Jhnen einer, derselben M., ich bin ganz Ihrer M., ich bin der M. des Aristoteles etc., dagegen bei vorangestelltem abhäng. Genit., wo das Genit.-Verh. von M. formell nicht zu erkennen ist: In Ansehung des Silbenmaßes bin ich ebenfalls von (s. d. †) Aristoteles’ M. H. 13, 53; Es waren nicht Alle von Engelbert’s M. Zschokke Nov. 3, 107 etc.; Ich stand in der M., daß etc.; Ich that es, in der M., daß etc.; In M., daß der Wolf im Ernst entschlafen sei. Ramler F. 2, 528 etc.; Auf, bei seiner M. bleiben, be- oder verharren, bestehen; über seine M. halten (L. 1, 256); Von seiner M. nicht weichen, abgehn; Seine M. aufgeben, fahren lassen, verlassen, ändern; „Was ist Ihre M. darüber?“ Meine M. geht dahin, daß etc.; Nach meiner M. oder meiner M. nach haben Sie Unrecht; Man hat mich in dieser Sache nicht um meine M. gefragt; Wollen Sie mir nicht gefälligst Ihre M. sagen? (vgl. a); Sagen Sie mir Ihre aufrichtige, wahre M. darüber; Das kann nicht Ihre wahre, Ihre Herzens- M. sein; Nicht mit des Herzens | M. sprach ich das Wort. V. Il. 8, 40 etc.; Die M–en darüber sind sehr verschieden; getheilt; Ich kann Ihre M. nicht theilen, Ihrer M. nicht beistimmen, beitreten; Einem irrige M–en beibringen; Einen bei seiner M., ihm seine M. lassen; Ich wollte ihm die gute M. (s. b), die er von dir hat, nicht (be-)nehmen; Eine gute M. von Jemand, von sich selbst, eine zu große, übertriebne, zu geringe M. von sich selbst, von Jemandes oder den eignen Verdiensten haben; Die M. des Publikums, des Volks, die öffentliche (Sch. 425a etc., s. nam. W. 32, 192), die allgemeine M. (s. c) spricht sich dafür, dagegen, (un)günstig dar- über aus; Die M. des Publikums aufklären, berichtigen etc.; Ein Jeglicher sei in seiner M. gewiß. Röm. 14, 5; Von den Jungfrauen habe ich kein Gebot des Herrn, ich sage aber meine M. 1. Kor. 7, 25; Haltet fest an einander in einem Sinn und in einerlei M. 1, 10; Niemals war, in allen Landen, | Aller eine M. | Aller Sinn hier trachtet Gutes. V. 4, 68 etc. Auch mit besondern Nüancen, nam.:
a) Einem seine M. sagen, derb sagen etc., die tadelnde M., die man von ihm in Bezug auf sein Thun etc. hegt, ohne Rückhalt gegen ihn aussprechen.
b) M., die Schätzung, die man von dem Charakter und Werth einer Person etc. hegt (vgl. 3); Eine gute (s.o.), schlechte M. von Einem haben, hegen, fassen; Er ist dadurch in meiner M. sehr gestiegen, gesunken; Er steht hoch in der M. des Volkes (s. c); Die Revolution ist .. durch jene Fehler offenbar in der M. gestiegen. Gentz Rev. 55; Der Pfeil des Schimpfs kehrt auf den Mann zurück, | der zu verwunden glaubt; die M. Andrer | befriedigt leicht das wohlgeführte Schwert. G. 13, 193 etc.
c) M. = allgemeine, öffentliche M. (s. o.), z. B.: Der unermeßliche Beistand, welchen der Revolution die M. leistet. Gentz Rev. 12; Werkzeuge der M. uud Werkzeuge der Gewalt. 58; Wenn es die M. fordert, mag es sein. G. 13, 156; Die M. muß ich ehren, um das Lob | der Menge buhlen. Sch. 438a; Die M. hält es | mit dem Unglücklichen, es wird der Neid | stets den obsiegend Glücklichen verfolgen. Ders.; Raphael schnitt alle Bande der Übereinkunft und der M. entzwei, ich fühlte mich ganz frei. 752b; Sein Silberhaar | wird eine gute M. uns erkaufen. Schlegel Sh. 2, 45 etc.
d) von Jemand, der zu bestimmen hat, was geschehen soll: die entscheidende Ansicht darüber, seine Willensäußerung, sein Wille, z. B. von einem König. 1. Kön. 2, 38; Esra 5, 17; Vergönne mir [o Königin], in dieser großen Sache | dein blindes Werkzeug willenlos zu sein. | In klare Worte fasse deine M.: | Was soll mit diesem Blutbefehl geschehn? Sch. 438b etc., auch: Ich kann Ihnen die Kaufbedingungen nicht mittheilen, der Besitzer des Hauses hat mir seine M. noch nicht bestimmt erklärt etc., so auch: Wilens-M.
e) ungw. und unklar: Hab ich menschlicher M. zu Epheso mit den wilden Thieren gefochten? 1. Kor. 15, 32.
2) (s. meinen 2 u.
3) Das was man bei seinem Thun im Auge hat, das dabei Gewollte, damit Beabsichtigte und die dem Thun zu Grunde liegende Gesinnung etc.: Aus guter (Phil. 1, 15), herzlicher (2. Kor. 6, 12), aus keiner bösen (Sir. 29, 10) M.; Nicht geschieht Das der M., daß die Andern Ruhe haben und ihr Trübsal. 2. Kor. 8, 13; Zu erfahren, ob sein Deuten diese oder eine andere M. [Bedeutung] gehabt. Forster R. 1, 114, ob er Das damit hat sagen wollen; Will die Kraft meiner Jugend mich retten? Undankbare Mühe! Das ist meine M. nicht. Sch. 213a; Daß das wahre Genie auf die Fingerzeige nicht viel achtet, die man ihm, aus besserer M. als Befugnis, zu ertheilen sich sauer werden lässt. 1133a; Das ist der Wortlaut, aber nicht die M. des Gesetzes etc. 3) (vralt., s. meinen 4) Zuneigung, Liebe: Zu denen ihr von Alter her besondre M. gehabt. Zwingli 2, 5 etc., vgl. 1b.
Zsstzg. meist zu 1, z. B.: Die Alteweiber-M. L. 13, 538. Wir vernehmen ihre M–en und Gegen- M–en. G. 39, 94, entgegengesetzte, die andern bekämpfende. Um unsre Herzens- und Glaubens- M. auszusprechen, daß etc. 33, 107, die innre als Glauben feststehnde M. oder Überzeugung; Religionskriege und Kämpfe um Glaubens-M–en [religiöse, Glaubenssatzungen betreffende]. Schon damals hatte sich bei mir eine Grund-M. festgesetzt. G. 22, 74. Einer Haupt- M. viele andre unterzuordnen. Ense Denkw. 6, 227. Beim Vortrag einer Lieblings-M. W. 34, 124. Die wandelbare Partei-M. des Tages. Börne 5, 113. Mitten im Strome der Tages-M–en [1c]. Gutzkow R. 1, 186, die öffentliche mit dem wechselnden Tage schwankende M.; Ense Denkw. 6, 593. Wie weit er die politische Übel-M., die ihn fast allgemein traf, verdient. 215, s. Ggstz. Wohl-M. Gegen Volks-M–en [1c] und öffentliche Irrthümer zu sprechen. Gentz Rev. XIII. Vor-M., M., die man von Etwas vor genauerer Kenntnisnahme gefasst, vgl. vorgefaßte Meinung, Vor- urtheil; Es zeigt doch, welch eine Vor-M. herrscht über die Einschüchternden und über die Eingeschüchterten. Auerbach Tag. 66; Ich danke Ihnen, Herr Major, für die gute Vor- M. Gutzkow R. 3, 185; Der .. manche ungünstige Vor-M. gegen Bürger’s praktische Brauchbarkeit hegte. OMüller Bürg. 130 etc. Einem seine Willens-M. [1d] kund thun. Wohl-M. [2], das Wohlmeinen, wohlwollende Gesinnung. Ense Denkw. 6, 11; Hutten (Wackernagel 3, 211 Z. 10); Luther 5, 17a; SW. 56, 99 etc.; Das Laster nimmt die Gestalt . . der Wohl-M. mit dem Fürsten und dem Staate .. an. W. 7, IX; Warum der Ausdruck von Wohl- M. und Güte eine so große Wirkung in seinem Gesichte thut. 22, 39; Äußerung unserer Gutherzigkeit und Wohl-M. mit ihm. 24, 17 etc. u. ä. m.