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lustig Lustigkeit
Lústig, a. (~keit, f.; –en):
1) (vralt., mundartl.) Lust zu Etwas habend, z. B.: [Zu schimpfen] wie du immerhin l. bist. Goltz 2, 427, soviel du immer magst; Wo der Magen nit sehr l. ist zu der Speise. Ryff Sp. 97b; Wurden des Kriegs müd. . . Als die Städt zur Hilf nit mehr l. waren. Stumpf 372a etc., s. Schm. 2, 511. Allgem. üblich mit Bstw. als Komplement, vgl. Zsstzg. von Lust und lüstern, gierig, süchtig etc., Liebhaber etc., z. B.: Arbeits-l., Lust zur Arbeit habend, und als Ggstz.: arbeits-unlustig etc.; So rückte der erste Bau-L–e auf die bestimmte Linie vor. G. 21, 199; Die beute-l–en Soldaten; Bemühung der Schreib- und Druck-L–en. 32, 239; Diese herzensunersättliche, eroberungs-l–e Helene. Lewald W. 3, 279; Dem essens-l–en Magen. W. 20, 73, auch: ess-l.; Der farben- und lebens-l–en niederländischen [Maler-]Schule. G. 27, 100, die an Farben und Leben Lust hat und zeigt etc.; Alle Wissens- und Fassens-L–en. 39, 118; Bei feuer-l–en, Geheimes forschenden Fürsten. 40, 109, die sich mit der Feuerkunst, mit Scheidekunst in den Schmelzküchen und chem. Laboratorien zu beschäftigen Lust hatten; Den forsch-l–en Wandersmännern. W. 19, 228; Das freude- und schaul–e Volk. Schütze HambTh. 7; Daß die Bürger .. friedens-l. waren. 34, 246; Unser geistes-l–es Zeitalter. Demokr. Stud. 157; Dem neuheits- und genieß-l–en Publi- kum. Schütze HambTh. 27; Genuß-l. Schwegler (46) 535; Gesang-l. (von einem Vogel). Winckell 2, 40b; Wollen sich in die Beute theilen. . . Die Gold-L–en. G. 25, 114; Arm und hab-l. Kohl Irl. 2, 423; Die herrsch- l–en Spartaner. W. 24, 14; 31, 487; Das Geschöpf ist hupf- und sprung-l. G. 36, 368; Die Jagd-L–en. 25, 174; Dieser kampf-l–en Schaar. Sch. 1079b; Rückert Rost. 98b; Auf der Messe waren viel Kauf- L–e; Kriegs-l–e Helden; Das geistreiche Zusammensein lebe-l–er Menschen [die Lust am Leben habend, es froh genießen etc., vgl. 2 und farben-l.]. G. 22, 309; Einen lebens-l–en Besitzer. 21, 252; Lebensmüde, bejahrte Männer. . . Lebens-l–e, jüngere. 19, 12; Trieb ihn sein lehr-l–er Sinn zu einer Schulmeisterstelle. G. 21, 192; Schrieb er für den großen lese-l–en Haufen. W. 24, 195; Kohl Alp. 1, 132; Mann-l–e du, so wie verführt, verführende. G. 12, 173, s. mann-süchtig, -toll; Mit gestrecktem Speere | mord-l. hingepflanzt. Sch. 32b; Nach meiner Befreiung aus den mord-l–en Klauen Domitian’s. W. 18, 212; Die Musik-L–en. G. 24, 75; Von den Haupt- ereignissen benachrichtigten mich neuigkeits-l–e Freunde. 27, 252, s. genieß-l.; Pacht-l–e Landleute; Raub-l. und schreckenverbreitend. Platen 1, 211; Sch. 1079a; Der schau-l–e Blick. G. 21, 250; Stieg auf jenen Thurm schau-l. Platen 2, 167; Schlag-l. und -fertig. G. 25, 63; Schreib-l., s. druck-l.; Speise-l. und genäschig. G. 18, 338; Aus seinen . . Augen blitzte die helle Spott- L–keit. Möricke N. 483; Sprech-l–e Damen; Sprung- l., s. hupf-l.; Streit-l–e Advokaten; Das Cymbal, das . die Tanz-L–en gelockt. Waldau N. 3, 140; Mit thaten-l–er Eile. Möricke N. 109; Thatkräftige und wage- l–e Leute. Körner Sch. 3, 523; So sei Folgendes Denen gesagt, die zu schauen Lust haben; den Wahn-L–en kann es Nichts helfen. G. 40, 25; Wissens-l., s. fassens-l.; Wiewohl der Ruf der Wunder, die er verrichtete unter dem wunderl–sten Volke der Welt, immer neugierige Leute um ihn her versammelte. W. 18, 290; 229 etc. (vrsch. 2u. 3: wunderbar l.); Zank-l–e Sophisten u. ä. m.
2) Lust u. Wohlgefallen erweckend, anmuthig, wonnig, lieblich, vgl. lustbar, lustsam: Allerlei Bäume, l. anzusehen und gut zu essen. 1. Mos. 2, 9; Ein l–er Baum. 3, 6; Er sah .. das Land, daß es l. ist. 49, 15; Soll die Stadt .. fein l. bleiben mit ihren Brünnlein. Ps. 46, 5; Die Hügel sind umher l. 65, 13; L–e Pflanzen. Jes. 17, 10; Alle Pracht der l–en Stadt. 23, 9; Die Wüste und Einöde wird l. sein und das Gefilde wird fröhlich stehen. 35, 1; Eine schöne und l–e Aue. Jer. 6, 2; Hes. 31, 9 ff.; Zuweilen Wein, zuweilen Wasser trinken, Das ist l. etc. 2. Macc. 15, 40 etc.; Wie ich so schreit’ in den l–en Wald | und alle Bäum’ erklingen. Ebert (Echtermeyer 229); Seitdem scheint mir das Leben nicht so bunt, | so l. mehr. Geibel Rod. 45; Die Mooshütte .. auf das l–ste ausgeschmückt. G. 15, 23; Der Vorsaal, welcher kühl und luftig, durch mehrere Balkone l., gleich an unser Zimmer stieß. 23, 283; Mein Herz, mein Herz ist traurig, | doch l. leuchtet der Mai. Heine Reis. 1, 7; Öffnet die Läden! . . | In die schaudrige Nacht falle der l–e Tag. Sch. 83a; Es keimt l. die köstliche Saat. 76a; Das Märchen ist l. und bunt genug. G. 1, 204; Diese Stadt hat ein l. Geländ und schönen Weinwachs. Stumpf 392b; So weiß und l. als eines weißen Menschen Haut. 610a etc. In dem allgm. Sinn wie in den Belegen aus Stumpf und denen aus der Bibel (bis auf den letzten) ist l. vralt. und mundartl. (s. Stalder 2, 187), doch s. G. 15, 23 und nam. gilt es, wie die andern Belege zeigen, hochd. da, wo die Bed. 3 (der Heiterkeit, Lebendigkeit und Lebhaftigkeit) durchschimmert. 3) (s. 2) von lebhafter, lebendig und laut sich äußernder Freude erfüllt, davon zeugend oder sie erregend, vgl. heiter, froh, fröhlich etc., die das innre Gefühl des Frohseins und eine ruhige Außerung desselben bez., während munter einen geringern Grad der Lustigkeit bez., ausgelassen dagegen eine die Grenzen überschreitende L–keit: Ein l–er Mann; Ausgelassen l. sein; L–e Gesellschaft, Kameraden, Brüder; Bruder (s. d. 4 und 5) L.; Eine l–e Fliege (IP. Fat. 1, 224) = ein l–er Kumpan etc.; L–e Geschichten, Einfälle, die die Hörer l. machen; Sich l. halten, machen (vgl. c); Da geht’s l. her etc.; Sprchw.: L–er Muth | macht leichtes Blut; L. gelebt und selig gestorben, | Das heißt: dem Teufel die Rechnung verdorben; Einem L–en ist gut aufspielen. vHorn Schmj. 117; Zu l. am Morgen | schafft Abends Kummer und Sorgen. Immermann M. 3, 154 etc.; Sehr hat mich ergetzet dein l–er Schwank. B. 67b; Weißt du, worin der Spaß des Lebens liegt? | Sei l.! geht es nicht, so sei vergnügt. G. 3, 55; Kaum aber hatte die Heiterkeit, womit Dies geschehen, eine frohe, man kann sagen eine l–e Stimmung .. aufgeregt, als der Muthwille sich schon hervorthat. 22, 283; Manchmal mißfällt mir nicht ein l–er Abend mit Freunden, selbst ein ausgelassener. 29, 247; Es ist l. [ergötzlich, spaßhaft] genug, daß er sich beigehn lässt etc. 39, 324; Von Ximenens Seele | war das taumelnde Gelächter | weit entfernt, sie ist zu glücklich, | als daß sie sich l. zeige; | mehr spricht ihr gerührtes Schweigen | als die lautste Fröhlichkeit. H. Cid 16; Wenn der Sanguiniker nicht l. ist, so ist er mißvergnügt und kennt wenig die zufriedene Stille. Kant SchE. 34; Wenn sie .. so l. wimmern. L. 7, 428, so ergötzlich, daß es den Hörer belustigt; Den Unverzagten, Immer-L–en. W. 11, 114 etc.
a) Zsstzg. z. B. verstärkt: Erz-l. Dorow 3, 56 (Gott- sched); Kreuz-l. Gotthelf U. 2, 128 etc., ferner z. B.: Die Aschaffenburger für ihre diesjährigen Sommerverluste aufherbst-l–e Weise zu entschädigen. König Kl. 2, 364 etc.
b) Erhielt die übermüthige L–keit einen Dämpfer. Auerbach Leb. 2, 121; Ich sage L–keit, gaité, nicht Freude, joie. Heine B. 29; Der Humor wirkt mächtiger im deutschen Publikum als die bloße L–keit. Laube DW. 5, XXI; Gerne folgt | der ausgelaßnen L–keit ein Übel. Platen 3, 169; Meine Sara war sonst nie melancholisch, sondern die L–keit selbst. Tieck 16, 182 etc.; Natur-L–keit. Vischer Ästh. 1, 461, natürliche, angeborne.
c) nam. oft in Bezug auf das Erregen des Gelächters etc.: Sie hat mir die ganze Familie aus dem Stegreife ins L–e recensiert. G. 18, 86 etc. Dazu: Sich l. macheu über —, zuw. auch mit (z. B. W. 2, 177; Luc. 2, 88 etc.) Jemand etc., sich über ihn aufhalten, ihn aufziehn, verspotten; Der L.-Macher (s. d.); Als durch einen gewissen Halbgeschmack die l–e Person [von der Bühne] .. weichen mußte, da sie sich bereits von der Derbheit des deutschen Hanswursts gegen die Niedlichkeit und Zierlichkeit der italiänischen und französischen Harlekine gewendet hatte. G. 22, 146; 11, 5 etc.; Der l–e Rath, Titel der Hofnarrn etc.
d) zuw. auch nur zur Bez. des Lebhaften = hurtig, flink, munter etc., von Pers. und Sachen: Nun l. an die Arbeit!; Dein Erdenbällchen fliegt | l. mit dir fort im Gleise. Arndt 402; Waren nun l. darüber her, die Einrichtungen zu unserm Nachtlager zu machen. Forser R. 1, 125; Ein Feuer, welches .. l. flackerte. Immermann M. 1, 253; Der Specht hämmerte noch eins so l. auf die Stämme. Kinkel E. 60 etc.
Anm. Veralt. lüstig (s. d.), ferner: L–lich, l–lich leb’ ich. Schlegel Sh. 3, 119 etc.
Zsstzg. s. [1] und [3a], ferner: Er-: (veralt.) Macht euch e. mit einer frischen Hur. Weidner 341, erlustigt euch.
Un-: keine Lust, Unlust (s. d.), Unmuth, Überdruß, Widerwillen etc. habend oder erregend: Eine wollustige Jugend bringt ein unl. Alter. Jahn M. 300; Darum hab ich sein satt und bin über die Maßen un-l. dar- a uf. Luther SW. 56, 121, gw. dazu etc.; Das Suchen verlorner Papiere ist eine u–e Arbeit. Mendelssohn 5, 720; Es werden auch Die, so also geizig [gierig] fressen, viel ehe satt und unl. Ryff Sp. 97a; Wenn die Hund maßleidig und unl. werden zu der Speis. Sp. 11; Des Bibers Fleisch ist ganz unl. zu der Speis, ausgenommen der Schwanz, welcher auch für ein Hofessen .. geachtet wird. 20; Ihr seid unl., weil euch Orleans | entging und lasst nun eures Zornes Galle | an mir .. aus. Sch. 461a; Reitzeug wünscht unl. der Stier und zu pflügen der Klepper. V. H. 2, 270; Das Ruder der Regierung, welches sie .. zu führen unvermögend oder unl. waren. W. 8, 256; Daß ich die schlechteste dieser Existenzen noch immer viel weniger unl. und mühselig gefunden als das menschliche Leben. Luc. 1, 142; Was mich wohl nicht krank, doch wehe und unl. machte. Zelter 1, 396; Der unl. war über die Armen, daß sie .. auf Almosen warteten. Zinkgräf 1, 274; 219 etc.; auch Doppelzsstzg., s. [1]: Er ist arbeits- u., verdrossen zur Arbeit etc.
Ver-: s. Verlust c.
Wól-: veralt. st. wollüstig.