Lust
I. Lúst, m., –(e)s; (–e), Lüste:
1) mundartl., vralt. statt II. (s. d., Anm.), so noch zuw. Zsstzg.: Ge-: das starke, nam. ungeordnete, unmäßige sinnliche Verlangen, die Begierde oder Lust (s. II.), das Lüstern (s. d.), nach Etwas:
a) Es wird dir wohl der G. vergehen, hier Gold zu suchen. Sh. 265; Sie haben ihren eigenen G., sich an ihr Gegentheil zu machen. H. 1, 61; Wenn Mephistopheles einen G. bekommt, braucht’s nur einen Wink und er hat den Braten noch warm. 150a; Ich habe neulich einen G. nach eurem Kopf gehabt. 163a; Er kann mit dem Talisman seiner Größe jeden G. meines Herzens wie ein Feenschloß aus der Erde rufen. 188a; Der freche G. spottet der Nemesis Zaum. 2, 1154 Z. 29) etc.; Den Gedanken an ein brüderliches Verhältnis als einen Affen-G. ansehn, der etc. 4, 22 etc., vergl. 2, 50: „Der G., der G–en, der G–er“ etc. —
b) dagegen fem.: 2, 187, und so auch: Da ist mir wieder alle G. vergangen. D. 4, 307. —
c) häufiger aber (wohl mit Einwirkung von e) neutr.: Doch immer nach dem Ritter sich zu wenden, | zwang meine Brust ein schauerlich G. 3, 34; Regt sich in mir ein ander G. Mak. 1, 61; Ich habe gar großes G. zur Kunst. 2, 9; Wo sie das wilde G. trug. Ov. 1, 47; Hatt’ ein G. .. nach geröstetem Mehl. Th. 14, 7; Fühlest du denn ein G., dir .. ein Kriegskleid | .. um die Schulter zu schnallen. 65; Ar. 1, 389 etc.; Dies fremde Schlacht-G. | in solcher zarten jungfräulichen Brust. 3, 125 etc. Daran reihen wir Stellen mit nicht erkennbarem Geschlecht: Das ist sehr einerlei, G. nach Fleisch, nach Gold. 7, 102; Das trank sein Herr mit großem G. 3, 351; Über die Anmahnungen des ihn zur Unwahrheit verlockenden G–es Herr zu werden. M. 1, 286; [Der Weiber] Liebe kann G. nur heißen, | nicht Regung ihres Herzens, nur des Gaums. Sh. 2, 216; Sh. 2, 323; Gebt mir vollauf davon, daß übersatt | mir mein G. erkrank’ und sterbe so. 273; Sie .. zwängen Recht und Unrecht nach G. 189; Mir kommt ein G. Gd. 2, 90; Was zum Äther | habe vom Wahn und G: des Staubes. 3, 5; Ihr Geier-G. Ant. 1, 264 etc.; Es ist nur ein G. [der Schwangern]. 20, 176, spätre Lesart: ein Lüstern. —
d) bes. oft mit Uml., n.: Das böse Gelüst hat sich schon so stark in mir festgesetzt. Gv. 24; Ein noch kitzelnderes Gelüst | nach dem Verbotnen. 4, 195; 12, 147; B. 294; R. 8, 379; Dasselbe alte Gelüst nach Willkür. Th. 1, 378; 4, 19; Ein gewisses Gelüst zum Selbstmord. DrBl. 2, 118; 102; Erst ließ sich ihr Gelüst mit einem Kusse büßen [stillen, befriedigen]. 10, 20; Mich stach das Gelüst, eine solche Fahrt mitzumachen. 8, 261 etc., Verfolgungsgelüst. 39, 298, auch — in Dat. etc. und Mz. nicht zu unterscheiden: Die schüchterne Scham | zuseinem Gelüste zulocken. 61a; Sie, geschäh nur ihr Gelüste, | erhöbe nie sich, daß er immer küßte. Ven. 33; Stein 1, 159; R. 3, 300; Ein geheimes Gelüst nach absoluter Herrschaft. Sal. 1, 137; Er hatte manchmal ein Gelüste nach einerrecht saftigen deutschen Dummheit, wie eine schwangere Frau nach einer Birne. B. 294; Tieck, trotz seinem hitzigsten Gelüste, konnte es nie zu einer dramatischen Leistung bringen. Lut. 2, 274; Lauter Augengerichte, Nahrung für das übersatte Gelüste. 5, 402; Nur stundenlang geflügelt, büßt die Larve | der Ephemer’ ein mondenlang Gelüste. 2, 26; Woch. 58; Eng. 2, 124; Mak. 1, 49 etc., und als Mz. — die freilich auch zu G. gehören kann: 1, 24; Hing seinen schöngeistigen Gelüsten behaglich nach. 161; Befand sich in gesegneten Umständen, und als die Gelüste, denen sie, wie andre Frauen in solchen Fällen ausgesetzt war etc. 28, 10; Der Hudel hat keinen Gedanken mehr, sondern nur Gelüste. Sch. 96; Die kriegerischen Gelüste. Lut. 1, 203; Vastola’s Gelüste zu vergnügen. 12, 38; Plötzlich von den [oder Druckf. st. dem?, s. e] Gelüsten überfallen . ., ein Kind zu haben. 9, 97 etc. und Zsstzg. z. B.: Die Bestien wittern den Leichengeruch | mit schnupperndem Fraßgelüste. Verm. 1, 139; Von den Rheingelüsten [der Franzosen]. 8, 155; 321 etc.; Mit frohem Siegsgelüste. 10 etc. —
e) daran reiht sich der subst. Infin.: Das Gelü- sten (s. d.), z. B.: Es faßte mich ein starkes Gelüsten, mich der Landschaft noch zu erfreuen. 1, 52; Angewandelt hat mich | ein mächtiges Gelüsten, | zu schaukeln etc. 1, 251; Es kommt mir .. das Gelüsten. 12, 84; Sein Gelüsten gestillt. M. 117; Was er den Gelüsten des Unrechts für einen gewaltigen Köder entgegenhielt. R. 3, 117; In seinen .. Gelüsten nach dem Bilde. 5, 43; 6, 10; Sie wünschen nur ihre Gelüsten. 15, 350; Faßte ihn ein heißes Gelüsten, Das zu schauen. E. 10; Wenig Gelüsten danach haben. Ferd. 2, 17; Dem Raben nach Gelüsten [nach Lust, Belieben, Gefallen] | geschmückt das Fußgeschmeid. Erb. 2, 82; Mich treibt die Götterstimme, nicht | eignes Gelüsten. 465a; Daß er sein bös Gelüsten nicht vollbracht. 517b etc.; Seid unverschämt nach Herzensgelüsten! 636a; Es regte sich ein Evagelüsten in ihr. 11, 344; Österreich witterte darin deutsche Hegemoniegelüste. 211; Den Sondergelüsten des Adels. 434 etc. —
2) Ver-:
a) (vralt.) das Gefallen, Belieben (s. 1). 2, 511. —
b) das Verlieren (s. d.) eines Guts und der dadurch entstandne Schaden oder Nachtheil: Der V. des Lebens, Vermögens, Verstands, Amts, der Ehre, Schlacht, des Gelds; Der V. des Kaufmanns an Geld; Sein V., gw. den er erlitten, aber auch: Er wollte .. nur das Gefühls seines V–s [daß sie ihn verloren] bei den Atheniensern erzwingen. Röm. (1) 1, 429; Gewinn und V.; Euch war’s .. ein harter Schlag, ein großer V. 3, 218; Was du auch verloren hast, | vertraue den V. 1, 70; Nur halb ist der V. des schönsten Glücks, | wenn wir auf den Besitz nicht sicher zählten. 13, 162; V. der Neigung macht mich zittern. 34, 335; Du fürchtest nur den V. meiner [mich zu verlieren]. 2, 94; Wenn deinem Herzen sonst | nur kein V. nicht droht! dein Vater ist | dir unverloren. Nath. 5, 8; Daß V. und Lust beisammen stehn. 2, 35; Jch sage nicht, daß ich ihn [den Gestorbnen] verloren; was für ihn Gewinn war, sah mein Mutterherz nie für V. an. Goethe 179 etc.; ungw. das Verlorne: Der himmlische V. [das verlorne Saitenspiel] lag in bemosten Gründen. 8, 30, vgl.: Wieder zu seinem V. kommen etc. — Bsp. der Mz.: Kommt endlich nach beträchtlichen in Staub zerriebenen V–en als Kies und Sand in der Ebene zur Ruhe. gB. 1, 35; Kleine V–e gleichen sich durch kleine Gewinnste aus. G. 28; Für alle meine V–e mich entschädigen. Silt 1, 219; Es ist .. nicht Viel an solchen V–en gelegen. Par. 2, 339 etc., zuw. mit Uml.: Mit allen Verlüsten, Opfern. Reis. 2, 68; Entschädigung für alle Verlüste. (55) 166a etc. — Jn Zsstzg. z. B.: Ob dem starken Blut-V. bekam er eine Schwäche. 3, 101; Der Geld-V. ist zu ertragen; Daß das Subjekt grade durch den Selbst-V. zu sich zurückkehrt. Ästh. 1, 470; Sie für ihre diesjährigen Sommer- V–e zu entschädigen. Kl. 2, 364; Die dem Kurfürsten erwachsenen Vermögens-V–e. 392; Die Entschädigung für ihren Zeit-V. 6, 33; Welche Verhandlungen, welche Zeit-V–e! R. 6, 29; Zu solchen Umwegen und Zeit-V–en zwingt das Gesetz den Fortschritt. Unst. 1, 6 etc. — Mund- artliche Nebenform: Einen Verlurst. Sch. 115; 277; Verlurste gemacht [erlitten]. 304; Diesen Verlurst rächen. 308a; 372a; 603a etc. und fem.: Wegen der ersten schädlichen Verlurst. 165a; 487a; 524b etc., vgl. 2, 500, wo auch: Der Verlur, Verlor. —
c) zu b: Eines Gegenstands verlustig gehn (z. B. Lit. 5, 579; Ph. 1, 106; 229), seltner: werden (14) sich machen, ihn verlieren, darum kommen; Eines Gegenstands verlustig sein, darum gekommen sein, und in Zsstzg. z. B.: Sein ehrenverlustiger Name. 5, 79, der die Ehre verloren etc., s. verlustigen.
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