Faksimile 0181 | Seite 179
Faksimile 0181 | Seite 179
lullen
Lúllen, intr. (haben) und tr.:
1) an der Dutte (s. d.), am Ludel saugen oder suckeln (s. Lull II1): Wir alten Menschen saugen noch Düttleen und liegen daran, zu l.; Der lullt an der Flaschen, Der lullt an Unkeuschheit etc. 23* Keisersberg Brösl. 33b.
2) (s. LullI) in Schlaf singen oder (allgem.) bringen etc.: Da werden alle die abgeschmackten Märchen vorgesungen, mit welchen man die Völker, als sie noch Kinder waren, in den Schlaf gelullt. Börne 2, 132; 263; B. 76b; Die Quelle, die mit l–dem Ton | oft dich gesungen in Träume. Freiligrath SW. 4, 84: Ich brauche Wiegengesang und den habe ich .. gefunden in meinem Homer. Wie oft lull’ ich mein empörtes Blut zur Ruh! G. 14, 9; Grün Gd. 39; Der l–den Amme. H. 11, 149; Es hat der goldne Tajo | ihm sein Wiegenlied gelullet. Heine Rom. 214; Dein Wiegen und dein L. Kosegarten Rh. 1, 149; 3, 16; Po. 1, 31 etc.; Lenau Sav. 67; Den Romantiker, der in melodischen Traum | sein Dasein lullt. Platen 4, 100; Die l–de Wiege. V. 2, 142 etc., s. Zsstzg.
3) Schiff.: Der Wind lullt oder lunt (s. d.), lüvt, wird durch einen Regenschauer oder eine Flage schwächer [etwa: schlummert ein?, s. 2 und lauschen, Anm. 4].
Anm. Zunächst wohl Tonw. der Kinderspr., s. Weinhold 55a und das dort Angeführte, woraus wir Folgendes ausheben: „L., den Harn lassen; sich ein-l.; Lullu [vgl. Pipi] machen, in der Kinderspr.; das Lullu, membrum genitale . .. Lüllen, lillen: den Speichel fließen lassen, geifern; sich belillen: mit Speichel oder Getränk benetzen. Lülle, f.: Speichel, auch die in den Tabackpfeifen gesammelte Flüssigkeit: Schmirgel-, Taback-Lülle [s. Lull II]. Lülleputte, f.: altes Weib, das „lüllt“. .. Zu dem Spottnamen Lulleputte stellen sich das schwzr. Löllerzapfi und die Bauernamen der Fastnachtspiele: Lullezapf, Lullaff, Lüllars, Lüllhart [s. Lollhart], Lullholz, Lullapp [vgl. Luder, Anm.]. Oberlausitz. mit Wechsel von „l“ und „n“: Nille, Geifer, nillen, geifern, wie auch mundartl. Nille, f.: membrum genitale, ferner zu 1: lullen, nullen, pullen, zulken, zulpen, lutschen, nutschen, zutschen, s. auch: Luzeln: saugen, schlürfen, trinken; Die Luzel: Weibspers., die gern trinkt. Schm. 2, 532; ferner Ludel, ludeln, dudeln etc., Dutte, Zitze etc.
Zsstzg. s. Anm., ferner zu [1] die von saugen etc., ferner zu [2] z. B.: Eīn-: in Schlaf lullen: Alexis H. 1, 1, VII; 2, 3, 213; Lullst der Eumeniden Schlangen | um meine Brust in Schlummer ein. Arndt 87; Böttger Byr. 8, 187; Man lullt so wenig ein die Glock’ auf ihrem Thurm, | als auf der See die Fluth, als in der Luft den Sturm. Freiligrath SW. 5, 313; Hypothesen sind Wiegenlieder, womit der Lehrer seine Schüler einlullt. G. 3, 306; 22, 360; Das dämmernde, träumerische Gefühl der Wehmuth, das uns einlullt zum süßen Nichtsthun. Gutzkow R. 2, 106; 5, 87; Alles einschläfern und e. in die alten erbärmlichen Manieren und Formen. Häußer Gsch. 4, 450, Eingelullt von dem Geplätscher der oratorischen Antithesen. Heine Lut. 2, 202; Reis. 2, 7; Troll 1; Immermann M.,3, 362; Kosegarten Rh. 2, 41; Platen 2, 72; 3, 34; Meine Sinne . . eingelullt. Sch. 17a; Streckfuß Rol. 6, 46; Tieck 11, 35; Kaum aber glaubt man, sich aufs Neue e. [einschlafen] zu können. Vogt Oc. 2, 134; Ihre Mystik lullt alle Klarheit ein. Waldau N. 1, 70; Werner Osts. 1, 29; W. 10, 289; Zelter 3, 327 etc. S. auch [Anm.].
Hinǖber-: einlullend, in Träume senkend hinüberführen: Die häuslichen Beziehungen, welche die Deutschen über ihre lange Nichtigkeit hinüberlullten. Immermann M. 2, 22.
Vōr-: lullend vorsingen etc.: Zauberflöten .., | die dir vorl. ihren Rettungsplan. Baggesen 5, 245.
Zū-: lullend zusingen: Dem Körnchen, das einst mit Taubenmund meine Amme .. mir zugelullt. FrMüller F. 7.
Zurück-: lullend zurückbringen: Wo ist der Reigen, der im Gekreische der Welt uns zurücklullt in frohe selige Tage? Börne 2, 489; Ich habe mich selbst verloren ... Meine Laute! ich muß mich z. in meine Kraft. Sch. 134a etc.