Faksimile 0178 | Seite 176
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luften
Lǘften, tr. (und refl.):
Etwas so machen, daß die Luft dazu freien Zugang hat, es durchdringt (1); Luft [s. d. 1b] machen (2); in die Luft (s. d. 1c) d. h. in die Höhe heben (3), welche 3 Bedd. sich nam. oft durch Metonymie ganz nahe berühren:
1) eig.: dem Zugang und dem Durchstreichen der frischen Luft eröffnen, um das Verdumpfen etc. zu verhindern: Betten l. und sonnen; Kleider, Pelze l., an die Luft hängen; Stuben, Zimmer l., z. B.: Jener Dunst, der sich aus den schlecht gelüfteten Zimmern der Armen an ihre Kleider heftet. Lewald W. 1, 230; Gutzkow R. 4, 11 etc., und meton.: Dann lüftete [öffnete] sie das Fenster, um den Eßgeruch zu vertreiben. 5, 385, vgl. (3): Die Offnung eines nur etwas gelüfteten [in die Höhe geschobnen] Aufschiebfensters. Lichtenberg 5, 86 etc.; ferner: Korn, Getreide l., umstechen umschaufeln, z. B.: Auch von der christlichen Spreu soll kein Hülschen verloren gehen! Lieber wollen sie die Körner selbst nicht l. und umwerfen lassen. L. 10, 181 etc. Färber.: Die Küpe l., von der erwärmten und gärenden von Zeit zu Zeit den Deckel heben und sie umrühren. Gärtn. etc.: Die Wurzel des Baums oder den Baum l., die Erde auflockern, damit Luft an die Wurzel dringen, ferner überh. (s. 2): Den Baum etc. l., ihm Luft machen, z. B.: Zur Beförderung der Reife der Weinstock von dem verdumpfenden Laube gelüftet [befreit]. V. Ländl. 2, 373, vgl.: Hat nun Helios vor Allen | l–d, feuchtend, wärmend, gluthend [mit Luft, Feuchte, Wärme, Gluth durchdringend] Beeren-Füllhorn aufgehäuft. G. 12, 225 etc.
2) (vgl.
1) Luft (s. d. 1b) machen, sowohl das Beengende, Einpressende, Drückende, Verhüllende etc. wegnehmen, als auch: durch das Wegnehmen den Ggstd. frei machen, z. B.: Ach, lüftet mir die Schnüre, | daß mein beklemmtes Herz Raum hat zu schlagen. Schlegel Rich. 3, 4, 1 etc. und: Sich l., körperlich, wie geistig: Die Hoffnung .. lüftet die bangende Brust. Matthisson A. 8, 106; Bei seinem Weben lüftet | sich das beklommne Herz. B. 8a; Wie sehr auch das Herz sich zu l. [durch Mittheilung des Geheimnisses zu erleichtern] begehrte. V. Ov. 2, 210; Ein ziemlich weites Feld, | nach Nothdurft sich zu rühren und zu l. [sich auszudehnen, sich freizu regen]. W. 11, 233; „Sie gähnen“ .. Der Arme schwört . ., es sei | bloß seine Art, .. vor lauter Vergnügen den Magen so zu l. 15, 27; Ich gähne, lüfte mich. 34, 256 etc. Ferner (s. 3): Etwas Verdeckendes l. [ein wenig aufheben, wegziehen], und meton.: Das Verdeckte l., z. B.: Laß als deiner Tochter | Ehgemahl mich ihren Schleier l. Platen 4, 243; Den Schleier von einem Geheimnis, das Geheimnis l.; Daß Sie ein Inkognito, das Sie zu bezwecken scheinen, l. müssen. Gutzkow R. 1, 229; Ich erfuhr, daß ein wunderliches Jnkognito ihn umspann, lüftete das mysteriöse Dunkel. 4, 29; Über Das, was er .. vorhatte, die Maske zu l. 6, 71; Wie eine sündliche Thorheit . . den Vorhang lüftet von einem unliebsamen Dunkel. Keller gH. 4, 19 etc. 3) ein wenig in die Höhe heben, lüpfen (s. d.), s. Bsp. 1 und 2, ferner: Den Hut l., z. B.: Behält den Hut auf dem Kopfe, den er höchstens nur, um Jemand zu grüßen, lüftet. G. 10, 32; Er lüftet fromm den Hut. Gottschall G. 27; Gutzkow R. 116 etc.; Da zeigte sich Alles so schön gepackt und geordnet, daß sie es nicht auseinanderzunehmen, kaum zu l. wagte. G. 15, 124; Alle Zeigefinger und Spitznasen nach mir hin gelüftet zu sehen. W. 23, 228; Ein Faß, einen Stein l., s. Luftbaum. Seltner: hoch, ganz in die Höhe heben, z. B.: Hat, was bisher einzeln oder paarweis an der Erde in der Mittelhöhe erschien, nun zur Dreiheit erhoben und in die höchste Atmosphäre gelüftet. G. 31, 171. 4) Lüfter (s. d.) und Lüftung, das L. und Luftbaum (s. d. 1).
Anm. In Bed. 3 auch mhd. s. Benecke 1, 1051a, vgl. engl. lift (haben), aloft (in die Luft, Höhe, s. Alaaf), s. auch lichten 4 etc. Danach dürfte in „Luft“ viell. Grundbegriff sein: das Leichte, Emporschwebende. S. auch luften und lüpfen.
Zsstzg. z. B.: Āūf-
1) [3]: auflüpfen, empor-l.: Der Wagen wurde endlich aufgelüftet. Benzel-Sternau; Das Joch .. ein wenig aufzulüften. Tiedge Ep. 1, 239.
2) [2] lüftend öffnen, frei machen: Sich von dem Zwange a. Hippel 10, 208.
3) [1] lüftend auffrischen: Das Bett a. Grimm, gw. aus-l. Aūs- [1; 2]: von der frischen Luft durchdringen lassen; von dem Dumpfen, Verdumpfenden frei machen: Stuben, Betten, Kleider a.; Ein Zimmer a., bairisch: auslüftern. Radlof Tr. 67; Leute, die sonst im stillen Gewerbe lebten, hatten diesen Tag zum A. [zur Ausfahrt] sich erwählt; da traten so viele verlegene Kleider ans Licht. Arnim 75; Müd’ und ausgelüftet von der Eisfahrt. G. Lav. 15; Das würdigste Amt eines Seelsorgers ist Kampf gegen Vorurtheile; die Menschheit soll ausgelüftet werden. Gutzkow Bl. 1, 479; Ich habe hier keinen alter ego [kein andres Ich], mit dem ich recht a. [mich aussprechen, expektorieren] kann. Hamann 4, 3, 309; Stank .. nach Schwefel, als würde die ganze Garderobe des Molochs .. ausgelüftet. Sch. 120b; Der verdumpften Schulen Auslüftung und Erheiterung. V. Ant. 2, 129; Eines Morgens früh, als Danischmend ausging, seine Träumereien auszulüften. W. 8, 13 etc. Nbnf.: Sich auslüf- Sanders, deutsches Wörterb. II. tigen. Hohberg 3, 244a. Durch- [1]: von frischer Luft durchdringen lassen. Spate, s. aus-l.; vralt. Nbnf.: durchluftigen. Sebitz Feldb. 386. Ent- [2]: (vralt.) Sein Herz e., erleichtern. Spate, s. er-l. Er- [1; 2]: Sein armes Herz zu e. V. Mosch. 4, 51; Dann sollte das Herz mir | wohl sich e. [s. erlaben] des Wehs. Od. 9, 460, s. ent-l.; vralt. auch: Solches Gemach .. zu erluftigen. Ryff Sp. 116b. Ver-: aus-l. s. verluften: Sich v., in die frische Luft gehn; Die starken, feuervollen Hüften | lässt es [das Thier, d. i. im Räthsel: das Schiff] im Ocean verl. Gozzi Theatr. Werk. 1, 253 etc.; Bis zu dem Augenblick meiner Verlüftung, wie es dein Unbekannter zu benennen beliebt hat. W. 16, 86; 17, 135, von der Selbstverbrennung des Peregrin.