Faksimile 0136 | Seite 134
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liederlich Liederlichkeit
Līēderlich, a.: (~keit, f.; –en):
1) vralt., mund- artl.: leicht, leichtlich, z. B.: Sie sterben l. auch durch den Geruch, der etwas zu stark ist. Eppendorf 8; 11; Daß man den Elephanten l. mag den Schnabel [Rüssel] abhauen. 44; 46; 66; 85; So werden sie auch l. feist. 148 etc.; Wir könnten und würden sie l. verlieren. Luther 5, 7a; SW. 61, 313 etc.; Dies glaubige Weib lässt sich nicht so l. abweisen. Matthesius Pr. 185; Wasser, so schnell groß wird, fällt l. wieder. Schottel 1141a; Auch glaubt sie nicht l. Schaidenreißer VI.; 7a; Scultetus (L. 8, 295), s. W. 34, 209.
2) gering: Solche Irrunge fangen l. an, sind aber bös auszureuten, wenn sie ein kleines eingewurzelt. (Eck) Luther 1, 164b; Betreuget sich selber .. mit solchen sophistischen Argumenten und l–en Ursachen. (Ders.), 158b; Reden von der Erbsünde, als sei es allein ein l., gering Gebrechen. 6, 381a; Will geschweigen solches l–en und geringen Schadens. 8, 40b; Oft brach er lüderliche Ursachen vom Zaun. Musäus M. 4, 91; Aus bloßem Verdacht oder anderer l–en Ursachen. Olearius Rels. 111b; Für so l–en Werth kaufen. Jversen 173a etc., ebenfalls veralt., doch noch bei Adelung (und Campe): L–es Geld; L–e Scheidemünze; L–er Lohn, Preis. 3) achtlos und nachlässig, ohne die gehörige Sorgfalt: Daß mir große treffliche Anschläg durch l–e, fahrlässige Leut verhindert und verwahrlost worden. Berlichingen 181; 173; Durch Fahrlässigkeit, Verachtung [Unachtsamkeit] und L–keit versäumt. 44; Daß er ihn nicht l. [leichtsinnig] im Stich gelassen. Gotthelf G. 150; Welcher Stein noch bei [vor] kurzen Jahren aufrecht gestanden und durch L–keit ins Wasser ist gestürzt worden. Stumpf431a; Daß Einer so l. [leichtfertig] zu jeder Red seine Seel’ und Seligkeit verpfändte. Zinkgräf 2, 76; 1, 110 etc.; Das ist die echte Herzens-L–keit [Leichtsinn]. Auerbach Barf. 101. In dies. Sinne noch gew. nam. v. Nachlässigk. in Bezug auf die Arbeit, von Unordnung in der Wirthschaft, im Haushalt, im Anzuge etc., z. B.: L–e Arbeit, Arbeiter; L. arbeiten; Das Buch ist l. eingenäht, eingebunden; Die Waaren sind l. und unordentlich weggelegt, weggepackt; Es sieht im Laden, in seiner Stube, unter seinen Büchern sehr l. aus; Eine l–e Wirthschaft, Haushaltung; Er ist in seinen Sachen, in seinem Anzug, in seiner Kleidung sehr l.; Ich will mich ein wenig anziehen. Der Vetter kommt und ich sehe gar zu l. aus. G. 9, 160 etc. 4) von dissoluten Sitten, den Ausschweifungen ergeben, (vgl. locker II. 4 und Luder 5, luderhaft etc.), wobei oft die Bed. 3 hin- einspielt: unordentlich und nachlässig: L. leben; L–e Personen, Menschen; L–es Gesindel; Ein l–er Kerl, Patron, Prinz, Zeisig, Finke (vHorn Schmj. 24); Du sprichst ja wie Hans (s. d.) L., | der begehrt jede liebe Blum für sich. G. 11, 112; Sie werden doch meine Base keinem Bruder [s. d. 5] L. zur Frau geben wollen, der bis über die Ohren in Schulden steckt. Sch. 651a; Zu einem weichlichen und l–en Lappen werden. Arndt E. 66; Ein l–es Frauenzimmer, Mensch, Weibsstück, Stück, Weibsbild; Du l–e Hummel! Gutzkow Unterh. 2, 2, 275a; L–e Fliege etc.; Sich in l–en Häusern herumtreiben; Grausam (HKleist Kr. 14), verwettert, verdammt, blitz-l. etc.; Als der Alte fortfuhr, auf ihre Leichtfertigkeit und L–keit zu schmählen. .. Der Henker hole alle l–en Dirnen! G. 16, 130 ff.; Du lebtest mit einem l–en jungen Edelmann; führtest ihm Schauspielerinnen zu etc. 17, 270; 40, 431; Ein vorzüglich leichtsinniges, lüderliches Weibsstück. L. 7, 162; Lüderlichen Weibspersonen. Rabner 4, 378 etc.; Einige L–keiten [l–e Vorfälle] aus Versailles. Brachvogel Narc. 26. Wortspielend: Der minne-l–e Dichter [Dichter von Minneliedern, mit Anspielung auf seine L–keit].
Anm. Die Schreibw. mit „ü“ (gegen die allgem. Aussprache und die ältre Form) lehnt das in seiner Abstammung fragl. Wort nam. in der heute gw. Bed. 4 an Luder (s. d. und vgl. Benecke 1, 1053a). Mundartl. Bedd. s. Schm. Vgl. Lotter Anm., schlottern, schlotterig, Loden etc.