Faksimile 0123 | Seite 121
Faksimile 0123 | Seite 121
Faksimile 0123 | Seite 121
Leute
Lēūte, pl.; Leutchen, lein; -:
Leut-: erwachsne Personen ohne Untersch. des Geschlechts: L. sind immer die Einzelnen des Volks, die aber im Sein und Sinn eine Gesammtheit ausmachen. Jahn M. 48 etc.
1) eine große Menge Personen aus dem Volk, als eine, aber unbestimmte Gesammtheit gefasst, vgl. „man, Publikum“ etc.: Die L. sagen’s; Etwas unter die L. bringen; In der L. Mäuler kommen, gerathen; Wer kann den L–n die Mäuler verbieten?; Wer Korn inne hält, Dem fluchen die L. Spr. 11, 26; Sein Licht leuchten lassen vor den L–n. Matth. 5, 16; Ich bin ein Spott der L. Ps. 22, 7; Die L. zu Sodom waren böse. 1. Mos. 13, 13; In der Nacht, wenn der Schlaf auf die L. fällt. Hiob 4, 13; Leider hatte man uns die guten Sitten .. um der L. willen anempfohlen; was die L. sagen würden, hieß es immer und ich dachte, die L. müßten auch rechte L. [3] sein, würden auch Alles und Jedes zu schätzen wissen. Nun aber erfuhr ich das Gegentheil. G. 20, 52; Sich unter den L–n zu zeigen. 5, 12 etc.
2) L. mit einer nähern Best. zur Bez. einer Klasse von L–n (1), z. B.: Reiche, arme, vornehme, niedrige, gemeine L.; Seine Sorge für die kleinen L.; Wo reichen L–n [oder Reichen] das Herz sitzt, haben arme L. auch keinen Stein. Sprchw.; Jch sitze nicht bei den eiteln L–n. Ps. 26, 4; Ich danke dir, Gott, daß ich nicht bin, wie die andern L. Luk. 18, 11; Was hohe L–e sind, wird sich bücken müssen. Jes. 2, 11 etc. s. 3.
3) Individuen aus der Klasse der L. (zuw. sich nahe mit 2 berührend), z. B. im Ggstz. zu unerwachsnen Pers. (s. Latte, Anm.): Aus Kindern werden L. Sprchw., ferner im Ggstz. zu Menschen, im prägn. Sinn, d. h. zu Personen, die eben nicht zu der großen Masse gehören, sondern den rein ausgeprägten Werth des Menschenthums darstellen: Nach so viel L–n endlich ein Mensch! HHerz 67; Rahel 1, 302; Können .. weder Menschen noch Sanders, deutsches Wörterb. II. interessante Lumpe, sondern höchstens L. zu Tage kommen. Waldau (DMus. 1, 2, 356); Doch weiß ich wohl, daß Kleider L. machen [sprchw., insofern „das Kleid den Mann macht“, sein Werth nach dem Außern geschätzt wird]; nur Menschen, nein, Die machten sie noch nie. Tiedge Ep. 1, 299 etc.; Viel, wenig, manche L.; Es sind zwei L. draußen, die dich sprechen wollen; Eine r [s. Anm.] der reichsten und angesehensten L. in der Stadt; Wurden daraus Gewaltige in der Welt und berühmte L. [Männer, Personen]. 1. Mos. 6, 4; Schaffet her weise, verständige und erfahrene L. unter euren Stämmen, die will ich über euch zu Häupter[n] setzen. 5, 1, 13; Hoffet auf ihne allezeit, lieben L. .. Große L. fehlen auch. Ps. 62, 9 ff.; Daß wenig L. bleiben. Jes. 24, 6; Heilige L. werden aufgerafft. 57, 1 etc.; Er liebt sich | ganz besonders L., die bringen und die nach der Weise, | die er singt, zu tanzen verstehn. G. 5, 223; Die sogenannten beiden „Telle“ . . Diesen beiden L. Kohl A. 1, 307; Keine [s. d. 4] L. sind eingebildeter, als etc. Lichtenberg 1, 223; Was rechte L. sind, die machen lieber | den langen Umweg. Sch. 534b; Ältliche L. des Taglohns [Taglöhner]. V. 2, 20; Der Neid der Höflinge . . Die guten L. W. 6, 19; Die er für sehr überflüssige L. an dem Hof eines guten Fürsten ansah. 22; So sind wir gleich geschiedene L. 11, 84; Die Gallofranken sind auch die rechten L., lange auf Etwas zu warten. 31, 479; Jene populären Volksmänner, größtentheils L. von schlechter Herkunft. 34, 245 etc.; Der Hof zu den guten [s. d. 18] L–n.
4) nam. mit den besitz- anzeig. Fw. zur Bez. einer (größern oder kleinern) Genossenschaft etc., z. B.: Unsere L., die Unsrigen, nam. unsre Glaubensgenossen, eine bes. bei oder von Juden übliche Bez.: Was unsre L. im Grunde dawider haben, weiß ich .. nicht. Mendelssohn 5, 655; Einer [s. Anm.] von unsern L–n sein Jude, wenn ein Jude spricht]; Ist er nicht einer von Ihren L–n? [ein Jude, Anrede an einen Juden] etc., doch z. B. auch: Es wußte daß die Kapuciner es könnten, aber daß diese Kunst auch von unsern L–n [Protestanten] geübt werde, hatte es nicht gewusst. Gotthelf Sch. 301 etc. Meine L., die mir An- oder Zugehörigen, die zu mir in einer gewissen Beziehung und Verbindung, von mir in einer gewissen Abhängigkeit Stehenden, so z. B. spricht Gott: Merk auf mich, mein Volk, höret mich, meine L.! Jes. 51, 4 etc.; Unser Herr ist der Löwe. . . Er nennt uns gewöhnlich | seine L. Fürwahr, das Unsere, scheint es, gehört ihm. G. 25, 223; Meine L. nennt z. B. eine Herrschaft ihre Dienstboten, ein Fabrikherr seine Arbeiter, ein Gutsherr die Gutsbewohner, ein Hausherr seine Familie etc., aber umgekehrt nennt auch so ein Dienstbote seine Herrschaft, wenn sie eben aus mehrern Pers. besteht, bez. ferner so wenigstens in einigen Gegenden ein Kind die Familie, zu der es gehört, z. B.: Solche Gecken waren freilich Änneli’s L. nicht. Gotthelf G. 411 etc. Auch: Das sind meine L. nicht, mit Denen habe ich nicht gern zu thun, stehe ich nicht gern in Verbind., wie in Ez.: Das ist mein Mann nicht. Aber auch ohne besitzanz. Fw., z. B. wird ein Dienstbote sagen: Ich bin bei recht guten L–n etc., wie umgekehrt auch der Herr sagt: Ich habe recht gute L. [Dienstboten] und in diesem sehr häufigen Sinne z. B.: Er muß mit den L–n in der Leutstube essen; Je nachdem Einer ist, je nachdem hat er auch L. Gotthelf Sch. 236 etc., vgl.: Wie von einer leibeigen Magd leibeigen Leut und Erbknecht geboren werden. Luther 6, 381a; Hörige L. und Leut, 4. Ferner die stehnde alliterierende Verbind.: Land (s. d. 5) und L., als die zu dem Land gehörigen, z. B.: Ein Fürst verliert Land und L.; Als ihm unterschiedene Grafschaften, Land und Leut [s. d. 1] zugefallen. Zinkgräf 2, 22 etc.; Er kennt dort Land und L., in Bez. auf ein best. Land, eine best. Gegend, aber auch: Er hat Land und L. gesehn, viele Länder und deren Einwohner; Daß die historischen Bücher nicht allein allerlei „Verzeichnussen der Land und L–en“ uns fürstellen. Stumpf IIa.
Anm. S. Leut. Das gramm. Geschlecht ist, wo es hervortritt, hochd. das masc., s. 3 und 4, obgleich sich oberd. (s. Leut) das neutr. findet: Eins der feinsten L. etc. und in sinngemäßer Fügung auch das fem.: Von all meinen L–n ist sie die fleißigste [oder subst.: die Fleißigste]. So auch für Zsstzg.: Einer der reichsten Bürgers-, Kauf-L. etc.; Einer von den Braut-, Ehe-L–n [er oder sie] etc., dagegen: Nicht eine [oder Eine] von den Frauens-, Weibs-L–n [von dem Frauenvolk, von den Frauenzimmern] kann schweigen etc. Die Verkl. theils kosend, theils verächtl., z. B.: Die Leutlin [die guten, lieben L.]. Ap. 28, 2 ff.; Fischart B. 100a etc.; Leutlein mit kleinlichen Leidenschaften. Klencke Stolb. 1, 303; Daß ein er [s. o.] jener Leutlein sich mächtig ereiferte. Kosegarten Rh. 3, 264; 145 etc.; mundartl.: Die braven Leuteln. Spindler St. 1, 26; öfter: Mérkur: Meine Leutchen da [die von mir geleiteten Schatten]. G. 7, 213; 33, 241; Gutzkow 11, 41; Die Sorgen und Hoffnungen, welche die Gemüther der kleinen Leutchen des Landes bewegen. Kohl A. 1, 147; Irl. 1, 125; Weil mir dabei die lieben Leutchen [iron.] einfallen, die etc. L. 11, 592; Meine Worte .setzten die Leutchen etwas in Verlegenheit. Seume Sp. 448; Ihr jungen Leutchen. V. 3, 221; W. 9, 97; 12, 131 etc. Leut- als Bstw. zuw. nur Umdeutung, s. Anm. zu Leumund und Geber. Vgl.: Der Leutschaft nicht Theilhaftige als Hurenwirthe, Henker und Gaukler, gelten in alten Gesetzen für Un-L. Jahn M. 41, s. Leut, Anm.; Verleuten heißt aus der Gemeinschaft aller L. .. bannen (Narrenschiff 20 und Frisch), leuten hingegen mit Leuten besetzen. ebd. [s. vielmehr Zarncke Br. 412a und 427a]; Leutlich, keit [publik und Publicität]. 48 etc.
Zsstzg. s. die von Mann (vgl. dies 16f), neben denen und statt derer in der Mz. die von L. gemäß den oben angegebnen Bedd. gelten, nam. insofern nicht sowohl einzelne männl. Individuen, als vielmehr Personen, insofern sie zu einer Gesammtheit, einer Klasse von Menschen gehören, ohne besondre Hervorhebung des Geschlechts bez. werden, und so gelten die Zsstzg. von L. (s. u.) in manchen Fällen, wo die von Mann seltner üblich sind, s. Dorf-, Garn-, Gotteshaus-, Hall-, Jagd-, Kloster-, Lese-, Markt-, Nachbars-, Nord-, Stadt-, Stell-, Stock-, Treibe-, Webers-Mann (u. -Leute) u. ä. m., ferner: Herren-, Kammer-L., wie auch einzelne, die ein Paar (Mann und Frau) oder nur Frauen bezeichnen. Mit Übergehung der unter den Zsstzg. von Mann (s. d. und vgl. die von Mensch) erwähnten beschränken wir uns hier auf einige, nach deren Analogie sich andre bilden und erklären lassen: Állmanns-: Ein Zusammenlauf von A–en, ein Gemisch, ein Gesindel. Jahn M. 118 etc.
Brāūt-: Braut und Bräutigam, ein Brautpaar oder mehrere: Als ich und die Mutter B. waren. Brachvogel FB. 1, 235; G. 20, 210; Die vielen B. in der Gesellschaft machen diese für alle Andern langweilig, s. Liebes-, Ehe-L. Ehe- (s. Braut-L.): Mann und Frau, ein Ehepaar oder mehrere, versch. Ehemänner: Wären alle Ehemänner so eifersüchtig wie du, so gäb es gar keine glücklichen E. etc.; Tob. 8, 4; Zwischen E–n. Carolina § 137 etc.
Frāūens-: Personen weiblichen Geschlechts, Frauenzimmer, s. Weibs- und als Ggstz. Manns-L.: Forster R. 1, 326, vgl. Frauens-, Weibsvolk.
Hérren-: Leute aus dem Herrenstand: Der wackern Männer kenn’ ich viele dort | und angesehen große H. Sch. 519b.
Kámmer-:
1) Personen geringerer Art, zur Bedienung einer fürstlichen oder einer vornehmen Pers. in ihren Zimmern gehörend: Ein ehemaliger Schmeichler des Erblassers oder einer von seinen K–n. W. Luc. 1, 74.
2) Personen zweiten und niedern Rangs, die zur Finanzkammer gehören. Līēbes-: Liebender und Geliebte, Liebespaar, s. Braut- L.: Sie sind L. schon seit Jahren. Raupach Js. 35. Mánns-: Mannspersonen, s. Frauens-L. Immermann M. 1, 273 etc. Un- [Anm.]: Welcher üppig Ständ’ an sich nähme, also daß Einer ein Frauenwirth, ein Henker oder ein öffentlicher Platzmeister würd ..., ausgenommen ob [wenn] sein Vater oder Eltern auch solch „Unlüt“ gewesen, s. Haltaus 1492. Wēībs-: s. Frauens-L.: Meine W. sollen Euch munter machen. Ihr wart sonst ein Liebhaber. G. 9, 28 u. ä. m.