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leihen
Lēīhen, tr.:
leih; gelieh(e)n: 1) eig. (vgl. lehnen II) Einem Etwas l., es ihm zeitweise zur Benutzung ohne Aufgeben des Eigenthumsrechts, und also zur Zurückgabe, überlassen; Etwas von Einem l., es so (geliehn) von ihm nehmen, z. B.: Einem oder von Einem. sich von Einem Geld, ein Pferd, ein Buch, ein Brot, Korn, Holz, Möbel, Kleider etc., auf längere, kürzere, unbestimmte Zeit, umsonst, gegen Bezahlung l.; Geld ohne Zinsen, auf Zins, auf Wucher, auf Pfänder, Hypotheken l. etc. Auch ohne Obj. nam. von Geld: Mancher leihet ungern .. er muß fürchten, er komme um das Seine. Sir. 29, 10; 5; 35 etc.; Vielleicht bracht’s Jemand als ein Pfand | und meine Mutter lieh darauf. G. 11, 119; So wie l., | auf Wucherl. nicht viel besser ist | als stehlen. L. Nath. 2, 9 etc.
a) über das Vh. zu borgen, s. d. 1 und 2 und z. B.: So wirst du vielen Völkern l. und duwirst von Niemand borgen. 5. Mos. 15, 6 etc.
b) Miethen, (s. d. und vgl. pachten) bez. durch Zahlung einer bestimmten Summe das Recht erwerben, auf eine entweder an und für sich oder durch den zu erreichenden Zweck bestimmte Zeit Herr von Einem oder Etwas zu sein und in dieser Zeit die Pers. oder den Ggstd. zu gewissen durch die Miethsbedingungen festgesetzten Zwecken für sich zu behalten und zu benutzen, und demgemäß vermiethen: Etwas einem, es Miethenden überlassen. L. gilt auch von unentgeltlichem Uberlassen und in solcher Weise, daß man nicht eig. „Herr“ des Überlaßnen wird, dagegen ist zum Miethen das „Überlassen“ nicht nothwendig, z. B.: Dienstboten, Lohnlakaien miethen; Arbeiter miethen (Matth. 20, 1), gw. dingen etc., weil man nicht eig. ihr Herr wird; Häuser, Wohnungen, Stuben, Kammern, Keller, Läden, Ställe, einen Garten etc. (von Jemand) miethen, wodurch man für die Miethszeit Herr des Hauses etc. wird; Zu einer Reise ein Fuhrwerk, ein Fahrzeug, einen Fuhrmann, einen Schiffer miethen, so daß man für die Reise den Wagen etc. als Herr desselben benutzt etc. Dagegen z. B.: Geld l., nicht miethen, weil der Empfangende das Geld ausgeben, nicht „behalten“ will; Sich aus einer Leihbibliothek ein Buch, von einem Maskenhändler einen Domino l., gegen Bezahlung freilich, doch wird man dadurch nur Besitzer, nicht eig. „Herr“ des Buchs, des Domino’s etc. In Fällen aber, wo von L. und Miethen, (Vermiethen) die Rede sein kann, bez. Jenes das Unentgeltliche, z. B.: Ein Pferdehändler vermiethet, ein Freund leiht mir ein Pferd, einen Wagen; Da der von mir gemiethete Bediente erkrankte, lieh mir mein Bruder zur Aushilfe den seinigen etc. 2) (s. 1 und 3). Ein Gegenstand leiht Etwas von einem andern, empfängt von diesem das ihm Fehlende: Soviel Körper .. | leihn und borgen allzumal | ihren Strahl von deinem [der Sonne] Strahl. Brockes 1, 117; Mein Aug lieh euren Blick, die Zunge lieh | von eurer Zunge Wort und Melodie. Schlegel Sommern. 1, 1 etc. 3) (s. 1 und 2). Einem oder einem Gegenstand Etwas l., ihm Etwas, was er sonst nicht hat, geben, mit vrsch. Nüancen, (s. nam. ver-l. 3.) z. B.: Vorwand lieh dem Verlegnen zum Glück einfallender Regen. Baggesen; Es leiht gewalt’ge Worte mir oft ein heil’ger Zorn. Cham. 3, 327; Du solltest dieser höchsten Schmeichelei | nicht das Gewand vertrauter Freundschaft l. G. 13, 97; Wenn neben mir in Thales Schluft | er Liebeslieder sang, | so lieh sein Hauch dem Weste Duft | dem Haine süßen Klang. Herrig 17, 326; Wie leicht er andern Leuten Plane und Absichten leihet und unterlegt! L.; Wenn auch Natur mir Weihe verlieh und auch | tonreicher Brust Urbilder ans Licht zu ziehn | mir Geisteskraft gab . ., | mehr als Natur liehn Zeit und Geschick, sie liehn | mir Werth des Daseins. Platen 2, 174; Die Andacht leiht höheres Leben dem Stein. Sch. 75b; Lässt der Kaiser sich verehren, | wir l. ihm die Herrlichkeit. 74b; Lord Burleigh leiht dienstfertig dem Gerichte, | dem er den Geist geliehn, nun auch den Mund. 412a; So holt er auf eine künstliche Weise in seiner Volljährigkeit seine Kindheit nach, bildet sich einen Naturstand in der Jdee .., leiht sich in diesem idealischen Stand einen Endzweck, den er in seinem wirklichen Naturstand nicht kannte, und eine Wahl, deren er damals nicht fähig war [schiebt sich dieselbe unter]. 1152a; Der Zuschauer findet sich selbst darin [in dem angeschauten Ggstd.] nur, soweit er sich ihm l–d unterschiebt. Vischer Ästh. 2, 101 (s. 6b); Baxter, dervor lauter Sorgfalt, dem Horaz zu geben, was Horazens ist, ihm auch wohl von seinem Eigenen leiht. W. HB. 1, 157 etc. 4) Einem sein Ohr l., ihn anhören, ihm das Ohr zuwenden (vgl.: Einem seine Aufmerksamkeit schenken etc.): Doch lieh er noch diesmal dem Fürsten sein Ohr. Klinger Giaf. 232; Ein Ohr zu l. jenen Klagepunkten. Sch. 412a; Leiht uns ein geneigtes Ohr! Uhland VII. Seltner: Verleiht ihm gern ein Ohr. Platen 3, 153. 5) (vralt.) Einem etwas l., ihn damit belehnen, s. aus-, be-, ver-l. 6) dazu:
a) der Leiher, z. B.: Einer, der Andern leiht. Jes. 24, 2 (s. Lehner); Lichtwer 255; Luther 1, 193b etc., aber auch: Einer, der von Andern leiht, z. B.: Der Leiher [von Büchern]. Petzholdt Bibl. 208; Die Leierkasten-Besitzer nein Leiher. Gutzkow R. 4, 120 etc.
b) seltner: Ich nehme alle deine Vermuthungen und Leihungen [die Gedanken, die du mir in deiner Korrektur geliehen] als Geschenke an. IP. HV. 144; Die Leihung, die Unterschiebung des Menschen [in Bezug auf den ästhetischen Eindruck des Thierlebens]. Vischer Ästh. 2, 117; 116 (s. 3).
Anm. Goth. laihvan, ahd. lîhan, mhd. lihen, dazu: Das Lehen und lehnen. Ungw. Jmpf.: Daß sie ihn leiheten. 2. Mos. 12, 36.
Zsstzg. (vergl. die von lehnen II. und borgen), z. B.: Áb-: Einem Etwas a., es von ihm leihen. Forster Br. 2, 289; IP. 1, 108; 3, 51; 4, 173 etc.; Der Paß-Plagiarius und -Ableiher. Fat. 1, 84.
Án-: Von oder bei Einem Geld a. u. es ihm a., insofern es bis zu einem best. Betrage heranreicht, daher gew. nur von größern Summen, s. Anleihe und auf-l.: Indem er ihm 300 Thaler schenkt | und noch 300 anzuleihn verspricht. W. HB. 1, 144; Der Schaden fällt auf den Anleiher [der das Geld hergiebt]. Kant 5, 110 etc.
Āūf-: durch Leihen Summen aufbringen, borgen, vgl. an-l.: So konnte doch der Aufwand des Hofs davon nicht bestanden werden, man mußte a. H. Erinn. 1, 278; Daß England im vorigen Kriege keine 50 Millionen Pfd. Sterlinge würde haben a. können. Möser Ph. 2, 314.
Āūs-: fort-, weg-l., leihend fortgeben: Lieh auf Zins und Pfänder aus. Lichtwer 89, auch [5]; Die Burgen und das Land | mit Fahnen auszuleihen [an die Lehnsmannen]. Simrock Gudr. 189.
Be-: mit Etwas als Lehen und danach allgem.: mit etwas Verliehenem begaben: Das Flügelpaar, mit welchem ihn | der hohe Genius beliehn. B. 93a; Vasall, du bist erprobt, | hierdurch beleih ich dich mit Millionen Seelen. G. 34, 325; Präsentation, Beleihungen. 321; Wird mit dem Schloß, worin er wohnt, beliehen. 28, 334; [Er] ist beliehn auf ew’ge Zeiten | mit des Stammes Land und Leuten, | sammt den Erben. Müllner 2, 52 etc.
Dār-: leihend darreichen: [Der Papst] der den Fürsten diesen mehr als Armeen geltenden Machtspruch aus seinem Schatz verkauft oder darleiht: „Alle Macht kommt von Gott.“ Forster Jt. 2, 69; Anderes lieh man gern dar. vHorn Schmj. 104; Verpfände meine königlichen Zölle | und laß dir Geld darleihn von den Lombarden. Sch. 453a; Dir dein Erbe zu erkämpfen, | lieh der alte Freund sie [der Krone] dar. Schwab 188 etc.; Gesuche um Darleihung von Büchern. Petzholdt Bibl. 205; Darleiher etc.
Fórt-: leihend fortgeben, weg-, ver-l.
Ge-: (veralt.) Gott geleihe [verleihe] mir dazu seinen Segen. Schweinichen 2, 2. Hêr- etc.: leihend hergeben: Die Eltern wollen ihre Töchter nicht mehr h., wie sie sagen. Alexis H. 2, 3, 19; Der sie den nicht damit versehnen Herrn gewiß mit Vergnügen herlieh. Schücking Gs. E. 4, 233: Nicht sehr geneigt, .. | zu seinen plumpen Schmeicheleien | noch Ohr, noch Hand, noch Lippen herzuleihen. W. 15, 176; Den ew’gen Litaneien | des Erdenvolks die Ohren herzuleihen. 12, 129.
Ver-: leihend vergeben, und zwar:
1) [1]: Geld auf oder ohne Zins, Pferde, Bücher, Kleider für Geld oder umsonst verl.; Ich kann dir das Buch nicht geben, ich hab’s verliehen etc. Veralt. statt verpachten [1b]. 2. Macc. 11, 3; Kein Borger sei und auch Verleiher nicht, | sich und den Freund verliert das Darlehn oft. Schlegel Haml. 1, 3; Juden als Mäkler und Geldverleiher der Studierenden. H. Ph. 10, 115; Bücher-, Masken-, Pferde-Verleiher etc.
2) [5] Etwas als Lehen (s. d.) fortgeben: Die Gaben, Diesen hier verliehn —, | an Jeglichen ein reiches Land —| sind groß und herrlich. G. 12, 204; Kaiser Friederich „verleich“ die Abtei einem jungen Mönch. Stumpf 406b; 369b; 371b u. a.
3) (s. 2) verallgemeinert: Einem Etwas gleichsam aus oberherrlicher Machtvollkommenheit freiwillig und ungezwungen geben, ihn damit begaben etc., wofür auch zuw. das bloße leihen [3] steht, vergl. schenken: Gott, der Schöpfer, die Natur verleiht (einem Wesen) Gaben, Talente, Kräfte, Stärke, gewisse Eigenschaften, Waffen zur Vertheidigung etc.; Gott verleihe uns seinen Segen, Frieden, Gnade, die ewige Seligkeit etc.; daß wir das Werk glücklich zu Ende führen; das Werk zu Ende zu führen; Einem Hilfe, Gefangenen die Freiheit verl.; Der Fürst verleiht Ämter, Orden etc.; Da schien mir, daß in tiefem Schlaf ich schliefe | und sei mir aufzuwachen nicht verliehen. Cham. 4, 157; Die römische Kirch, .. die den päpstlichen Rechten alle ihre Macht und Autorität lehnet und verleihet. Fischart B. 48a; An dem Tag, der dich der Welt verliehen. G. 3, 340; 4, 5; Kann ich die Talente nicht verl., | verborg’ ich wenigstens sein Kleid. 12, 223; Auch .. hab’ ich nie | als Rang und als Besitz betrachtet, was | mir die Natur, was mir das Glück verlieh. 13, 97; Die Natur, sie ist ewig gerecht. | Uns verlieh sie das Mark und die Fülle ..,| Jenen ward der gewaltige Wille etc. Sch. 491b; Gabst du mir nicht die freundlichsten Blicke? . .. Den Leuten ein freundlich Gesicht | verl. [machen] etc. W. 15, 111; Die losen Knaben, die ihm Gesichter verl., | wovon ihn .. der Inhalt nicht besonders ergötzt! 125, vergl. auch [4]. Dazu: Juno, die Verleiherin. G. 31, 95; Glücks-, Heil-, Segen-Verleiher(in), Amts-, Ordensverleihungen etc. und Doppelzsstzg.: Dagegen sollen die von Mannsfeld die Behausung auf dem Kirchhofe .. der Dechanei ein-v. Luther SW. 56, 156. Vōr- (veralt.): leihend vorschießen. Schweinichen 1, 270; 2, 25; Zinkgräf 1, 26 etc. Wég-: fort-l. Zu-: leihend hinzufügen: Zu dem geliehnen Gelde Einem oder: sich von Einem Etwas z. etc.