Faksimile 0102 | Seite 100
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Leier
I. Lēīer, f.; –n; –chen, lein; -:
1) Name mehrerer musikal. Jnstrumente, und zwar:
a) die griech. Lyra (s. d.), ein Saiteninstrument in Form zweier Widderhörner, mit gewölbten Resonanzboden, urspr. einer Schildkrötenschale, theils mit den Fingern gespielt, theils mit dem Plektrum (s. d.) geschlagen, ein Attribut des Gesangsgottes (Apollo) und der Dichter, die ihre Lieder mit der L. zu begleiten pflegten, daher auch oft = Gesang, Lied, lyrische Dichtkunst etc., vgl. Laute, Cither, Geige etc.: Mit Lied und L. weck’ ich dich | . . Der wache Leiermann bin ich. B. 30b; Ein Lied in die L. zu singen. Geßner 2, 130; Schweig, L.! hört Trompetenklang! Gleim 4, 17; Höre den Rath, den die L. tönt [Rath des Dichters]. G. 4, 39; Seine mächt’ge L. | zu schlagen, die Apoll ihm gab. 6, 56; 10, 220; 13, 137; 32, 29; Dich singe die L., die keine Kriege sang. Kl. (H. Ph. 10, 364, vgl. Kl. Od. 2, 43); Musen, die ihr .. | die deutsche L. mich gelehrt. Uz 2, 170; Erfreuend sein Herz mit der klingenden L. | schön und künstlich gewölbt, woran ein silberner Steg war. V. Jl. 9, 186; 1, 603 etc. Übertr.: Jedes Lieds bedarf der süßen L., | die man das Herze nennt. Freiligrath SW. 5, 284.
b) L., deutsche L., Bauern-L., ein aus einem Kasten mit Saiten bestehendes veraltetes Jnstrument, gespielt mittels eines durch eine Kurbel in Drehung versetzten Rads, während die linke Hand die Tangenten bewegt, z. B. Bettlertanz . . zur gebrochenen Leiren. Fischart B. 197b. Hierzu L. ein Lied, eine Weise, ein Vortrag von langweiliger Eintönigkeit: Die ärmliche L. kehrte immer wieder und schnurrte, vom Takte des Reckens unterstützt, unbarmherzig an ihm fort. Möricke N. 358 etc. und sprchw. (vgl. auch a u. s. 6). Immer die alte (L. 12, 404), die nämliche (408), die ewige (7, 110), dieselbe L. [vgl.: das alte Lied etc.], z. B.: Immer auf derselben L. klimpern. Arndt E. 255; Bei den Liebhabern der alten L. Engel 1, 359; Jch muß nur ein lustig Lied anfangen, daß er nicht gleich in seine alte L. einlenken kann. G. 8, 133; Da haben wir den alten L.-Ton. 12, 65; Doch die alte L. wieder? | mit einer neuen Saite nur bezogen etc. L. Nath. 4, 6; Nicolai 1, 53; Schlegel Sh. 2, 295 etc.: Fritz blieb bei seiner L. [Weise] | es taugte, wie man sprach, nicht einen bösen Dreier. Burmann F. 26.
c) (s. b) in Bezug auf die Kurbel = Drehorgel, Leierkasten: Savoyarden . ., die in ihren L–n eine Menge Briefe haben. Forster Br. 2, 240. Auch: Außerdem bediene man sich [zum Abrichten der Vögel] lieber eines Flageoletts, als einer Pfeif-L.; denn nach dieser nimmt der Vogel einen kreischenden Ton an. Winkell 2, 434. 2) (s. 1a) ein Sternbild: Wo über uns der L. Sternen klimmen. Fleming 59; Kl. M. 19, 954, auch: Die Lyra, z. B. Heinse Hild. 1, 75. 3) (s. 1a) Name einiger Fische: Trigla lyra; Callionymus lyra, auch Meer- oder See-L. 4) (s. 1b) eine Kurbel; etwas mittels einer Kurbel zu Bewegendes oder sich kurbelartig Bewegendes, z. B. veralt. die Armbrustwinde etc., ferner
a) L., Braten-L., Maschine zum Umdrehn mehrerer Bratspieße mittels einer Kurbel und diese Kurbel: Der Bratenmaschine hellschnarrende L. Langbein 2, 10.
b) L., Butter-L., Butterfaß, das mittels einer Handhabe zwischen 2Hölzern umgedreht wird. Dazu: Da war zu milchen, zu rahmen, Butter zu leiern [mittels der L. zu bereiten]. vHorn Schmj. 117.
c) L., Brust-L., eine schwächer und leichter gebaute Bohrkurbel (s. d.) mit scheibenförmigem Kopf, den der Arbeiter gegen die Brust stemmt, um die Bohrspitze in das Arbeitsstück eindringen zu machen. s. Karmarsch 1, 319.
d) Drahtzieh.: Die Ziehscheiben oder L–n .., aufrechtstehende hölzerne oder guß- eiserne Cylinder, welche mittels Handkurbel oder durch Elementarkraft und Räderwerk um ihre Achse gedreht werden, dabei den auf ihrer Peripherie befestigten Draht um sich aufwinden und so fortziehen. 546; Mitscherlich 2, 2, 116 etc., auch: Draht-L.
e) Bortenwirk.: Stock mit beweglichem Querholz, die Kette vom Schweifrahmen auf die Schweifspule zu wickeln.
f) weidm.: eine mit Leimruthen besteckte durch Schnüre rechts und links drehbare Walze zum Meisenfang. Döbel 2, 259: Laube Br. 273, Meisen-, Vogel-L., (Leuer) u. a. m.
g) s. ableiern 2. 5) L., Pflug-L., Pflugwetter, ein leierförmiges, mit einem Nagel an der Zunge befestigtes, die Pflugwage tragendes und zum Stellen dienendes Holz. 6) (s. 4; 1b und leiern 2): ein sich langsam und einförmig immer in demselben Gleis oder Weg bewegendes Fuhrwerk: Als Insasse einer sogenannten Markt- L. . . Ein erbärmliches Fuhrwerk. Willkomm Bank. 2, 95. 7) weidm. (s. 4f): Schwanzder Sauen. Laube Br. 273, wohl nach der Ahnlichkeit mit 1a, vgl. Krickel.
Anm. Aus gr. lat. lyra, ahd. lira, mhd. lîre (mit der Fortbildung liren, leiern), vgl.: In eine Leire gesungen. Garzoni 197b und larum. Vrsch. als masc. s. Leiter.
Zsstzg. z. B.: Bāūer- [1b], Brāten- [4a], Brús-leeBútter-ll, Meêr- [3], Mēīsen-[4e],Pfēīf-[lc], Pflūg-[5], Sēē- [3], Vōgel- [4e] L. etc.