Faksimile 0101 | Seite 99
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leidigen
Lēīdigen, tr., intr.:
nur mundartl. (s. Schm. 2, 436 und vgl. ahd. leidagon etc.), außer Zsstzg., nam.: Be-, tr. (s. beleiden): 1) durch Etwas, was nicht so ist, wie es sein sollte, Anstoß erregen, innerlich verletzen, Einem zu nahe treten etc., wobei, nach heutigem Gebrauch, im Allgem. bei Dem, von dem das B–de ausgeht, eine Absicht vorausgesetzt wird, wie bei Dem, den es trifft, ein Bewusstsein des innerlich Verletzenden, der Ehren- oder Rechtskränkung, der Unbill etc., vgl. 2: Sie b. mich durch Ihre Worte; Ihre Worte b. mich; Der b–de (s. a), der beleidigte Theil; Ist’s euch zu wenig, daß ihr die Leute beleidiget, ihr müsst auch meinen Gott b.? Jes. 7, 13; Die euch b. und verfolgen. Matth. 5, 44; Die Majestät b.; Einen öffentlich, schwer, gröblich, sehr, durch Worte, Äußerungen, durch Thaten, thätlich b.; Als Menschen hab’ ich ihn vielleicht gekränkt [s. d: 2], | als Edelmann hab ich ihn nicht beleidigt. G. 13, 156; Das beleidigte ehrgeizige Geld [die Geldmänner] wurde Demagoge. Heine Lut. 2, 224; Und warum? so fragt die Welt beleidigt. Platen 6, 21; Ich bin zu schwer verletzt, sie hat zu schwer | beleidigt! Nie ist zwischen uns Versöhnung. Sch. 426b; Sie zeigte sich mehr als empfindlich, sie fühlte sich beleidiget. Tieck N. 4, 65; Den Schönen, welche sich durch seine Sprödigkeit nicht wenig beleidigt fanden. W. 4, 57; Jemandes Ehre, Stolz (G. 24, 327), Herz b.; Sein Gefühl, seinen Sinn b., durch sittlichen oder ästhetischen Anstoß, z. B.: Das Bewusstsein des beleidigten Sittengesetzes. Sch. 1136b; Der Anblick sovieler Gegenstände, die seinen moralischen Sinn beleidigten. W. 4, 60; 58; Schlechte Gemälde b. den Schönheitssinn; Zoten b. ein keusches, unreine Töne ein musikalisches Ohr; Den Geruchsinn oder die Nase b. etc.; Wen in den Nebenrollen ein Anfänger oder sonst ein Nothnagel so sehr beleidigt, daß er über das Ganze die Nase rümpft. L. 7, 11 etc.
a) zuw. ohne ausgedrücktes Obj.: Nicht um Deß willen, der beleidiget hat [den Andern], auch nicht um Deß willen, der beleidiget ist. 2. Kor. 7, 12; Wem wenig dran gelegen | scheinet, ob er reizt und rührt, | Der beleidigt, Der verführt. G. 8, 317; Die letzten Scenen, von einem Frauenzimmer vorgestellt, werden immer b. 24, 328 etc. und nam. oft im (adjekt.) Partic.: Der B–de muß dem Beleidigten Genugthuung geben; B–de Äußrungen, Anspielungen, Reden, Worte, Scherze; Die b–dsten Äußrungen etc.
b) das pass. Partic. auch mit verneinendem „un“: 13* Unbeleidigt, kommt er gewiß Keinem zu nah (s. 2).
c) Zum Herrn schreien vor den Beleidigern. Jes. 19, 20; Weder um des Beleidigers noch um des beleidigten Theils willen. (2. Kor. 7, 12); Wagte nicht, den Beleidiger zu strafen. G. 23, 317; Daß der Beleidiger oft in Gefahr stund, Das zu verlieren, was der unschuldig Beleidigte gewann. Klinger Giaf. 432; 380; Sch. 494b etc. (s. 2).
d) Beleidigung, f.; –en: das B. und (mit Mz.) das B–de: Jede mir zugefügte Beleidigung wird der Monarch ahnden, wie eine ihm selbst widerfahrene. Immermann M. 3, 67; Sagte mir brennende Beleidigungen. Leisewitz Jul. 18; Die Person des Günstlings .. ist gewissermaßen der Schatten der Majestät, Beleidigungen gegen Jenen sind Verletzungen dieser. Sch. 195b; Ich weiß keine Formel, welche mir bequemer schiene, alle Beleidigungen, die der Stärkere dem Schwächern zufügen kann, zusammenzufassen als diese: Andere zu bloß leidenden Werkzeugen unserer Bedürfnisse und Lüste zu machen etc. W. 24, 58 etc.; Majestätsbeleidigung etc., s. 2. 2) früher auch (vergl. beleiden) in allgemeinrem Sinne: Etwas zu Leide thun, verletzen (auch äußerlich) etc., gehe Dies auch von Unpersönlichem aus oder treffe es Solches, wovon sich noch spät vereinzelte Bsp. finden, z. B.: Eine Krankheit beleidigt [packt] Einen. Paracelsus 1, 694a; Mit einer Krankheit beleidigt [behastet] sein. Reutter Kr. 70; Tabernaem. 703 etc.; Daß sie [die Heuschrecken] nicht Gras beleidigten, noch Laub, noch Baum etc. H. Rel. 7, 263 ff., nach Off. 9, 4; 10, vgl. 11, 5 etc.; Daß die emsigen Bienen nur gereizt stechen und den Nichtbeleidiger (s. 1a) unbeleidigt (s. 1b) durch ihren Schwarm hindurchgehen lassen. Immermann M. 2, 89; Wenn ein verwegner Feind Leib oder Gut beleidigt. Lichtwer 244 etc. Nam. auch (s. 1d): Daß die Schiffahrt will mit Beleidigung und großem Schaden ergehen. Ap. 27, 10; Der Tag, da den kindlichen Hirsch in dem Lager | ohne Beleidigung schauet der Wolf scharfzahniges Rachens. V. Th. 24, 85; Jeder Beleidigung der Jahrszeit und der Witterung ausgesetzt. W. 27, 26, vgl. Unbill etc. Er-: s. erleiden (unter Zsstzg. von I. leiden) 1 und 2.