Lehre
Lēhre, f.; –n; Lehr-:
1) das Lehr, s. d. und vgl. Model, Kaliber, Schablone, Muster etc., namentl.
a) Bauk.: das hölzerne Gerüst, Gewölbe und Bogen darüber aufzuführen, Bogengerüst, Lehrbogen, Bogen- L. —
b) Bergb.: Maß, Richtscheit. —
c) Bildh.: Modell. —
d) Fischer.: Strickholz, die Netze dar- über zu stricken, ebenso weidm. —
e) Glaser.: ein Eisenblech mit Löchern, durch die das zu ziehende Blei gesteckt wird und die diesem gleichsam das Gleis (s. d.) anweisen. —
f) Kriegsk.: ein Eisenblech mit kreisrunden Löchern, den Durchmesser der Kugeln (das Kaliber) zu messen, Kugel-L., -Lehr, verderbt -Öhr. —
g) Landwirthsch.: der Vorsteckkeil, womit die Räder des Pflugs gestellt werden. —
h) Reepschläg.: ein zum Zusammendrehen der Taue dienender abgekürzter Holzkegel mit mehreren (gw. 3) Rinnen (,,Rümmeln“), worin die zusammenzudrehenden Duchten liegen. Die Dicke der L. (des „,Hoofds“, s. Haupt 10h) steht im Vh. mit der des zu schlagenden Taus und davon, wie viel schäftig es wird, hängt die Zahl der Rümmel ab: Eine vierrümmlige L. (für vierschäftige Taue). —
i) Schlosser.: Werkzeuge, den Durchmesser von Löchern, die gleichmäßige Weite von (Schlüssel-) Röhren, den Durchmesser von Stiften und Dörnern zu bestimmen (Kaliber), ähnlich auch L., Draht-L., bei den Drahtziehern = Draht-, Zieheisen; ferner: stählerne Muster zum Aushauen von Schildern, Schlüssellöchern, Blechen etc. — k) Schmied.: z. B. der gußeiserne Cylinder, um den die Glieder der Ankerketten gebogen werden. 2, 427 etc. — l) Damit diese [Schnitte] recht regelmäßig ausfallen, wird der Draht über hölzernen Linealen und L–n, die man neben den Leimblock legt, hinweggezogen. 578. — m) weidm.: s. d u. ä. m. —
2) Müller: Der Stein (Läufer) liegt in der L., wird in die L. gebracht (oder abgelehrt), in Gleichgewicht, wie er richtig liegen muß, Ober-L., in Bezug auf die obre, Unter-L., in Bezug auf die untre (nicht immer genau mit jener gleichlaufende) Fläche des Steins. — 3) (s. 1) eine Regel oder ein Satz als Weisung und Richtschnur des Verhaltens: Einem gute L–n geben; Das soll mir eine L. sein; Laß dir Das zur L. dienen; Deine L–n sind gut; wenn du sie nur selbst befolgen wolltest; Was ist die L. [Moral, s. Sitten-L.] dieser Fabel?; Er schlug der Weisheit L–n in den Wind. 4, 12; Aus diesem Ereignis zog ich mir jedoch keine L. 25, 214; Diesmal schloß er seinen Vortrag nicht mit einer L., die sich auf irgend eine beobachtete Krankheit bezogen hätte (s. 4). 22, 5; Acht’ auf eines Freundes L–n | und rufe selbst das Unglück her. 57b etc. — Die Ez. auch distributiv, z. B.: Ich bin nicht unbedeutsam, ich nehme L. an. 12, 60, d. i. die mir in den einzelnen Fällen zu Theil werdende L., — nam. aber auch kollektiv: eine Gesammtheit von L–n, die in sich ein abgeschloßnes Ganze bilden (s. 4), oft als Theorie der Praris gegenübergestellt: Lasst uns die Hauptsumma aller L. hören. 12, 13 etc.; Welcher [deren] L. ist kein nütze und ihre Werke sind falsch. 144, 8; Er vernehme die L. der Weisen und ihre Beispiele. 1, 6; Beispiel predigt besser als L. Br. 1, 341 etc. und oft prägnant = Glaubens- L., religiöses System (s. 4): Die rechte, die reine L.; Die Lehre Christi; Die christliche L.; Sie aber blieben beständig in der Apostel L. 2, 42; Jerusalem hat mein Gesetz verwandelt in gottlose L. 5, 6; L. der Pharisäer und Sadducäer. 16, 12 etc. — 4) (s. 3) verallgemeinert, wobei der Begriff der „Richtschnur des Verhaltens“ zurücktritt oder ganz verschwindet: etwas Wahres oder als Wahres Aufgestelltes, das in Denen, welchen es mitgetheilt wird, die richtige Erkenntnis Dessen, worum es sich handelt, bewirken soll, seien es nun einzelne Sätze oder häufiger ein System von Sätzen (Doktrin), wo es dann auch ein Buch, dessen Inhalt die Lehre bildet, bez.; Die L. des Pythagoras von der Seelenwandrung; Die L. von der Kongruenz der Dreiecke; Die L. von den Brüchen; Die L. des Kopernikus von der Drehung der Erde um die Sonne galt als ketzerisch; Die L. von der Dreieinigkeit etc.; Eigenschaften, welche .. Gall, nach seiner L. [der Schädel-L.], an mir anerkannte. 21, 288; Zur Farben-L. 37, III; Bänder-L. 19, 23 [Syndesmologie, L. von den die Knochen des Körpers verbindenden Bändern]; Akustik ist die L. vom Schall oder die Schall- L. und so in unzähligen Zstzg. — 5) (s. 3) o. Mz.: der Zustand Dessen, der in einem praktischen Fach (zunftmäßig) Unterweisung und Anleitung bekommt, um es später selbständig ausübend in Anwendung bringen zu können — und: die Zeit, solange man sich in dieser Unterweisung befindet, versch. Unterricht, Schule (s. d.): Bei einem Meister, Handwerker, Künstler in der L. sein, stehn, in die L. kommen, treten, gegeben, gethan werden; Einen Knaben in die L. nehmen; Aus der L. laufen; Wenn er die L. durchgemacht hat, wird er losgesprochen und Gesell; Sein Vater gab ihn einem sogen. Viehdoktor in die L. 3, 27 etc. Ugw.: Die Studenten . . . laufen alle aus der L. [dem Kolleg], | ihm ein Hoch-Vivat zu bringen. 2, 198). Auch übertr.: Du kannst bei ihm in die L. gehn [noch von ihm lernen, er ist dein Meister]; Ich merke schon, sie nimmt ihn in die L. [unterweist ihn in der Liebe]. 12, 80 etc.
Anm. Ahd. lêra, mhd. lêre, veralt.: Ihre Lahr. 8, 364a; Ps. 1, 3; 4; 60, 2 neben: Lehr. 2, 2; 60, 3 etc.
Zsstzg. sehr zahlreich, nam. zu [4], was wir unbez. lassen und wovon (vergl. Zsstzg. von II. Kunde, von Kunst, Wissenschaft etc.) wenige als Bsp. genügen: Arznēī-: Lehre von den Arzneien. — Bä́nder-. —
Bewússtseins-: s. Wissenschafts-L. — Bōgen- [1a]. —
Dénk-: Logik. —
Dínge-: Ontologie, der Theil der Metaphysik, der die Eigenschaften, ohne die ein Ding kein Ding sein würde, angiebt und erweist, die Lehre von den denkbaren Dingen, s. Wissenschafts-L., auch (s. Ding 4): Der Dichter, dessen Muse spricht, | wie seine Dinger-L., | der lauter Metaphysik ist. Uz 2, 49 etc., vgl.: In der Denkkunst [Logik] und in der Wesen-L. [Metaphysik]. Leibnitz (Wackernagel 3, 1, 998 Z. 14). — Drāht- [1i]. —
Erkénntnis-: s. Wissenschafts-L. —
Erzīēhungs-: Pädagogik. —
Fābel-: Mythologie, Götter-, Sagen-L. — Fárben-. —
Gehēīm-: geheime Lehre: Eine kniffliche G. der Juden. Jahn M. 239, s. Kabbala. —
Gēīster-: die Lehre von den Geistern, Pneumatologie. —
Gēīstes-: die Lehre vom menschlichen Geist, nam. insofern er sich im Gehirn manifestiert und dessen Gestalt aus der äußern Kopfgestalt, dem Schädel, erkannt werden soll, Phrenologie, s. Scheve Katechism. d. Phrenol. 33. — Glāūbens- [4; s. 3]: Lehre vom (keligiösen) Glauben, Dogma, Dogmatik. —
Góttes-: Religion, Theologie. —
Götter-: s. Fabel-L. —
Grōßen-: Mathematik, die Wissenschaft, die die Eigenschaften der Größe, soweit sie meßbar und berechenbar ist, zum Ggstd. hat. —
Grúnd-:
1) Grundsatz, Ariom, eine Wahrheit, die, aus sich selbst erhellend, keines Beweises bedarf und worauf als Fundament man den Beweis andrer Sätze baut: Wo man Grillen für Wahrheit und Hypothesen für G–n verkauft. 14, 258. —
2) Metaphysik, als die ersten Gründe aller menschlichen Erkenntnis enthaltend. — Hāūpt-: eine hauptsächliche, sehr wesentliche Lehre. — Hímmels-:
1) Lehre vom Himmel, den Gestirnen etc. —
2) [3] eine himmlische Lehre: Wo sie noch von Gott empfingen | Himmelslehr’ in Erdesprachen. 4, 1. — Jrr- [3; 4]: irrige, irrführende Lehre. 24, 53 etc., nam. auch in Glaubenssachen, vgl. Ketzerei: Ihn der J. angeklagt. 39, 83; Freventliche J–n. Rev. 2, 104. — Kínder- [3]: der für Kinder berechnete Unterricht in der Glaubens-L., die „Katechisation“, dazu: Der Kinderlehrer [Katechet]. — Kírchen- [3]: der Inbegriff der von der (oder einer) Kirche angenommenen Lehren, die Glaubens-L. der (oder einer) Kirche. — Klūgheits-: Lehre, wie man sich klug zu verhalten hat. — Knífflichkeits-: Kasuistik. M. 106. — Kráft-: bei statt des gw. Naturlehre, Lehre von den Kräften. StdZ. 132 etc. — Kūgel- [1f]. — Lícht-: Optik. — Míß-: irrige, falsche Lehre: Wegen meteorologischer M–n. 27, 233. — Natūr-: Physik, s. Kraft- L. — Öber-[2]. — Pflíchten-: Sitten-L. 1a, vgl. Tugend-L. — Réchts-: die Lehre vom Recht, s. Tugend-L. — Sāgen-: s. Fabel-L. — Schǟdel-: s. Geistes-L. — Scháll-. — Sēēlen-: Psychologie, vgl. Geistes-L. — Sēīns-: Ontologie, s. Wissenschafts-L. — Sítten-:
1) Moral:
a) die Lehre vom Sittlichrechten überh., Pflichten-L.: Der Religion und der ihr so nah verwandten S. 21, 75; Eine Probe seiner S., die den ersten Theil seiner Gesetzgebung ausmacht. 7, 69 etc. —
b) ein einzelner Satz, in welchem ausgesprochen ist, wie der Mensch sich zu verhalten hat (s. 2): Ich weiß wohl eins [ein Geschichtchen], es fehlt ihm nur die S. F. 3, 6. —
2) (selten) eine — und die L. von den guten Sitten im gesellschaftlichen Leben: Knigge’s Schrift .. enthält gute Klugheits- und S–n. — Sprāch-: Grammatik, Inbegriff der in einer Sprache geltenden Regeln: Es giebt mehrere deutsche Sp–n von Heinsius. — Stāāts-: Lehre von der Einrichtung, Verwaltung eines Staats. — Trāūm-:
1) Traumdeutungs-L. —
2) eine auf Träumen beruhende L. 5, 357a, vgl. Trug-, Wahn-L. — Tūgend-: die (oder eine) Lehre von der Tugend (Ethik): T–n geben und selbst nicht tugendhaft sein, vergl. Pflichten-, Rechts-L. — Unter- [2]. — Vernúnft-: Logik, auch eine von der Vernunft gegebne Lehre oder Wahrheit. Ph. 10, 379. — Wāhn-: s. Traum-, Irr-L. — Wēīsheits-, Wélt-: Philosophie, s. Wissenschafts-L. — Wérk-: Lehre von dem Verdienst guter Werke, im Ggstz. der Glaubens-L. 6, 42b, vgl. Werkheiligkeit. — Wêsen-: s. Dinge-L. — Wíssenschafts-: bei Bez. der (wirklich wissenschaftlichen) Philosophie: Jenen nichtigen Namen darum mußten wir aufgeben; offenbar wäre sie Wissen, Theorie, Lehre und zwar, während das Andere Dinge-L., Seins-L., Welt-L. (gar Weltweisheit) sich nannte, müßte diese Erkenntnis-, Bewußtseins-, W. heißen. 4, 373; 1, 38 etc.
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