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Leder
Lêder, n., –s; uv.; -:
1) gegärbte Felle (s. d. 4b und vgl. Haut 1) als Stoffname: Thierische Häute können durch bestimmte chemische Behandlungsweisen dergestalt zubereitet werden, daß sie bei einem hohen Grade von Geschmeidigkeit und Biegsamkeit der Fäulnis sehr gut widerstehen. Diese Behandlung nennt man das Gärben und das Produkt L. Karmarsch 2, 561; Knapp 2, 519 etc.; Loh- oder roth-, alaun- oder weiß-, fett- oder sämisch-, schmackgares L.; Derbes, festes, kerniges, gedrungnes, stutziges, gut gestelltes; lummriges; blechiges, klappriges, spießiges, speckiges, ungares; gares oder reifes, voll aufgelaufnes, gut ausgegärbtes, Ggstz.: flaches, plauziges L.; Gekrispeltes oder grobgenärbtes, gezognes oder feingenärbtes L.; Gut ausgefalztes L.; Aas (s. d. 2c), Narbe, Korn des L–s; Eine Bürde, ein Decher L.; Dänisches (s. d.), Erlanger oder französisches L., zu Glacéehandschuhen; Blankgestoßnes oder blankes (oder Blank-) L.; Lackiertes L. (oder Glanz-L.); Gefärbtes L. etc.; Geschmeidig wie sämisches L. Musäus M. 5, 119; Das Fleisch war heut Mittag zäh wie L. etc., s. leder-schlaff, -weich etc., auch übertr.: Stockige zuL. vertrocknete Herzen. Laube Br. 14 etc. (s. ledern 2 2b). Sprchw.: Aus fremdem L. ist gut (s. d. 10) Riemen schneiden; Wie der heilige Krispin das L. stehlen und den Armen die Schuhe schenken; Aus bösem L. gute Schuhe machen wollen; An kleinen Riemen lernen die Hunde L. kauen oder fressen, s. Lappen 5, aus kleinem Beginn entwickeln sich größre Untugenden; Wenn man dem Hunde zuwill, so hat er das „Ledder“ gefressen. Luther 6, 316a; V. 2, 6 (vergl.: Der Hund hat Leber gessen, | so man Dienstes will vergessen. Freidank 138, 17 etc., s. Brant 79, 3), um eine Ausrede oder einen Scheingrund ist Der, der Einem Böses zufügen will, nie verlegen etc. Veraltend: Aus einem L. geschnitten [aus einem Teig gebacken], eines L–s sein, s. Frisch; Einer, so sich was mehr als aus dem gemeinen L. geschnitten zu sein dauchte. Weidner 196 etc. 2) zuw., wie Fell (s. d. 1 u. 2) in der niedrigen Sprache:
a) von der menschlichen Haut: Sich von Orbilius [dem Schulmeister] das L. wetzen lassen. Günther 374; Einem das L. gärben, übers L. kommen, ihn derb prügeln, z. B. auch: Getrachtet, den Werbern hinter das L. (wie man spricht) zu kommen. Schaidenreißer 59a, vgl.: Unheil sann er den Freiern. V. Od. 14, 110 etc. Niederd. auch: Vom L. ziehn, den Rock, die Kleider abziehn, vgl. 3a.
b) verächtl. Bez. eines Weibstücks, vgl. Balg II 1: Das ist garstig von dem alten L. JGMüller Lind. 2, 301. 3) auch etwas aus L. Bereitetes, z. B.: Dem Zelter . ., | als ihn dein L. fest noch hielt am Baum. .. Wie zerriß er trotzig da den Zaum! Freiligrath Ven. 29; Ein Bedienter kam .. bis an den Wagen. Indem er das [Wagen-] L. aufschlug. G. 17, 284 etc., s. Zsstzg. Namentl. auch:
a) die lederne Scheide des Degens, Schwerts, z. B.: Schwert vom L.! [entblößt]. Uhland 431 und oft: Vom L. ziehn, z. B. Langbein 1, 88; Pfeffel Pr. 3, 143; Schlegel Sh. 1, 5; Zieht gleich fasernackt vom L. 2, 264; Ich vom L. und mit der Wehr heraus! Berlichingen 152 etc.
b) bei den Bergleuten das halbrund geschnittne L., welches die Arbeiter vor dem Hintern tragen, Arsch-L., vgl.: Das unaussprechliche Bergmanns-L. Körner Sch. 4, 378, auch Berg-, Fahr-L. und daher: Leute vom L., die Arbeiter, im Ggstz. zu denen von der Feder (s. d. 4) oder den Schreibern und Beamten etc., dann auch allgm.: Ein gelehrter Kerl, ein witziger Kopf, Einer, der seine Feder und seine Sprache in der Gewalt hat, den nennen wir groß und vortrefflich, wenn’s auch ein Kerl vom L. ist [der nicht dem Gelehrtenstande angehört]. Forster Br. 1, 240; Der Wehrstand, er sei nun