Faksimile 1055 | Seite 1047
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kühn
II. Kǖhn, a., (-heit f.; –en): muthvoll mehr als
Gewöhnliches wagend, zuw. wie „keck“ (ſ. d. und die
Bſp. dort, u. vgl. dumm-, toll-k.), „verwegen“ tadelnd
von einem Unbedachten ꝛc. z. B. Spr. 15, 14 ꝛc., doch
zumeiſt in gutem Sinn: Sprchw. Ein k–es Beginnen iſt
halbes Gewinnen. Heine Rom. 155; Mit dem K–en iſt das
Glück. Ruge Rev. 2, 307 ꝛc.; K. wie ein junger brüllender
Löwe. 1. Macc. 3, 4; Wo vom k–ſten Wager die Bahn |
du nicht vorgegraben dir ſiehſt. G. 1, 54; Der K–e ſucht die
Gefahr auf | und erfreut ſich mit ihr. 5, 233; Ein k. ge-
wandter Mann. 6, 24; Weiblich geſtaltet, bin ich [die Hoff-
nung] männlich k. 10, 248; K. iſt das Mühen, | herrlich
der Lohn; 11, 39; 13, 331; Wohin ſie ohne weibiſch Kraft-
ermatten | mit k–em Fuß beherzt zu gehen wagte. WHumboldt
Son. 293; Bei dem k–en, man möchte ſagen, frechen Über-
gange der franzöſiſchen Armee. Kohl A. 2, 136; Menſchen,
die k. und trotzig genug auftraten, um nicht Supplikanten zu
ſcheinen. Sch. 822b; Der Gedanke war k. und Viele waren,
die ihn für abenteuerlich hielten. 866b; K–es Unterfangen,
Unternehmen, Wagnis; Ein k–er Griff; K–e Behauptung,
Wendung ꝛc.; oft in den ſchönen Künſten: Ein k–er Aus-
druck; Allzugeſuchte Anwendung der k–ſten Tropen. L. 6, 310;
Ein k–er Pinſel; K–e Zeichnung; Ein k. gewölbter Bau ꝛc.
Ferner: K. [im Vertrauen] auf Etwas ſein oder werden.
Hiob 29, 24; 2. Kor. 11, 21; Greifet, kühn auf den Juſti-
nian | das klare Teſtament .. an. Nicolai 1, 84; Indeß flog
Jener auf, k. auf geprüfte Schwingen. Ramler F. 1, 225 (L.)
ꝛc. Dazu: Kühnheit (ſ. Kühne), z. B.: Mit K–heit,
ja Verwegenheit. G. 27, 25; Daß ein k. Unternommenes in
der Ausführung gleichfalls K–heit erfordert, weil bei dem Un-
gemeinen durch gemeine Mittel nicht wohl auszülangen ſein
möchte. 138; Wobei er mit unglaublicher K–heit das ganz
Abſurde als ein ausgemachtes Wahre der Welt ins Angeſicht
behauptet. 39, 235; K–heit iſt erhaben und groß, Liſt iſt
klein. Kant SchE. 9; Die K–heit dieſes würdigen Officiers |
..erhielt, wo Nichts als K–heit retten konnte | bei einem
furchtbarn Aufſtand der Beſatzung | dem Kaiſer ſeine Haupt-
ſtadt. Sch. 234a; Jhr nennet edle K–heit unverſchämte Frech-
heit. Schlegel Sh. 6, 228; K–heit des Ausdrucks, des Ur-
theils, eines Gleichniſſes, des Pinſels, der Zeichnung; Pinda-
riſche K–heiten ꝛc.
Anm. Ahd. chuoni, mhd. küene, wohl eines Stamms
mit können (ſ. d. und kennen), vgl.: Der allerköneſt und
beſt Salpeter [kräftig wirkend ꝛc.]. Büchſenmeiſter 17; Ein
Pfund desſelben Salpeters hat mehr Kraft und Konheit,
.. dann ſunſt 5 Pfund thun möchten. 14.
Zſſtzg. z. B.: Ādler-: kühn wie ein Adler, ſ.
löwen-k.: Der a–e Flug; A–er Stolz | der himmelſtreben-
den, ehrgeizigen Gedanken. Schlegel Rich. II 1, 3; Mit Ad-
lerskühnheit dieſe Geier | anfallen. Sch. 451a ꝛc. Är-
beit-: Der A–e. V. Th. 13, 69, Herakles, der kühn die
zwölf Arbeiten vollbracht ꝛc. Dúmm-: (veralt.)
toll-k. (vgl. dummdreiſt): Ich bin auch ſo frevel thum-
kühne nicht. Luther 1, 115a; Daß Einer aus Thumkühnheit
frevelich ſchreiet. 159b; Schwärmer ſind vermeſſen und durch
der Schwärmer Vermeſſenheit und D–heit. SW. 61, 16 ꝛc.;
Rollenhagen Fr. 226 ꝛc. Frēī-: ſich frei und kühn
bewegend ꝛc.: Diomed wird erkannt am F–en. G. 30, 415.
Hélden-: heldenhaft kühn: Wer die ſteile Sternen-
bahn | h. dir ging voran. Sch. 11b; Mit H–heit. 542a;
Tieck NKr. 3, 334 ꝛc. Kāūf-: (Bergb.) Die Zeche
macht k., lockt durch reichen Anbruch zu kühnem Kauf
der Kuxe. Campe. Līēbes-: kühn durch Liebe, in
der Liebe: Da er .. ſie l. in ſeine Arme nahm. W. 20,
120. Lȫwen-: kühn wie ein Löwe: Der l–e Jüng-
ling. Sch. 245a; Sei l. und ſtolz! Tieck Makb. 4, 1; L–heit|
durchlodert meiner Röhren Mark. Koſegarten Rh. 1, 152.
Pfēīl-: kühn als Schütze: Argos Volk, Pf–e! V. Jl.
14, 479. Schláchten-: kühn in der Schlacht:
Den ſch–en Polypöt. B. 169a. Schlāū-: Sch–e
Blicke. Alexis Dor. 1, Kap. 1. Sónnen-: kühn
zur Sonne ſtrebend ꝛc.: Ein Adler ſ. Arndt Gd. 190.
Strēīt-: ſ. ſchlachten-k.: Die ſt–en Sachſen. Simrock
Nib. 201. Thāten-: kühne Thaten wagend: Deſſen
Bruſt ein th–er Muth begeiſtert. WHumboldt 4, 287.
Tóll-: kühn bis zur Raſerei; mehr wagend, als ein
Vernünftiger wagen kann, ſ. dumm-k. und tolldreiſt:
Sir. 18, 8; Von der Wuth t–er Reiterei .. abzuſtehn. G.
13, 287; T–heit iſt nicht Muth. Kotzebue NSch. 10, 47;
T–heit, Raſerei iſt dieſer Muth. Sch. 423a; 250a ꝛc.
Úber-: allzukühn: Dein ü–er Muth. G. 13, 254.
Wúnder-: wunderbar kühn. Uhland 258. u. ä. m.