Faksimile 1026 | Seite 1018
Faksimile 1026 | Seite 1018
Faksimile 1026 | Seite 1018
kratzen Um-Kratzen
Krátzen, tr. refl., u. intr., (haben u. sein):
mit etwas scharf Eindringenden, sich Einhakendem, Rauhem hart über Etwas hinfahren, vgl. krauen: 1) intr. (haben), oder vielmehr ohne bes. ausgedrücktes Obj.: Katzen, | die vorne lecken und hinten k.; Dürft ihr schmatzen, darf ich k. Immermann M. 1, 370; In Gedanken so kratzt Peter den Otto am Arm (s. 2a) | ... Was kratzest du? K–d erwidert | Otto: Mir juckt der Arm. V. 4, 179; Mein Bursche .. kratzt [sich, s. 2a] hinterm Ohr. W. 12, 10 etc.; Der Barbier, das Rasiermesser kratzt; Er [der Barbier] wetzt, er stutzt, er kratzt [rasiert, schabt], er putzt. Chamisso 3, 199. Wie viel dazu gehört, Jemanden zu barbieren, eben daß es nicht kratzt (s. 2a). G. 10, 200 etc.; Guter Wein gleitet (s. d. u. vgl. glatt) hinunter, schlechter (vgl. Krätzer) kratzt im Halse; Schlechter Taback, Hagebutten k. im Halse; Ein K. [Gefühl der Rauheit] im Halse haben etc.; Die Hühner k. und scharren im Sande; sie k. nach Würmern, nach Körnern [suchend]; übrtr. (s. 3d) von Geizigen: Scharren und k., als wollten sie gar Hungers sterben. Luther 5, 410b; Daß er nicht so geize und kratze. 350b; Da fängt er erstlich an zu schaben und zu k. Rachel 4, 117; Zu k. und zu schinden. 277 etc.; Auf der Geige k. (vgl. 2c), mit dem Fiedelbogen k., v. dem rauhklingenden Spiel: Orchester.., das nicht aufhört zu k. G. 29, 356 etc., s. 2. 2) tr. (ref.), mit dem gekratzten Ggstd. als Obj.:
a) Einen, sich k.; Den Kopf, Arm, Ellbogen, die Stelle, wo’s juckt, k.; Wen’s juckt, Der kratze sich! Sprchw.; Daß Einer den Andern kratzt, damit er ihn wieder kratze. Claudius 4, 7; Fühlst du irgendwo ein Jücken, | kratze dich! Heine Verm. 1, 185; 253 etc.; Ein Bader kratzt [rasiert], wäscht und putzt dich. Zinkgräf 1, 158; Bartputzer | du sollst den Bart mir k. Chamisso 3, 197 etc.; Ich kratz’ den Kopf, reib’ an den Händen [verlegen; nicht wissend, was zu thun]. G. 11, 117; Zieht Mäuler ihr, kratzt euch (Dat.) die Köpfe? Werner Osts. 1, 31 etc.; Sich in den Haaren (Ramler F. 1, 56), hinterm Ohr, hinter den Ohren k. Chamisso 6, 275; Schwab 389; Thümmel 3, 44 etc., wo das „sich“ gw. Accus. ist, vgl.: Da stehest du und kratzt [s. Anm.] dich hinter den Ohren. Benedir 3, 287; Gleim 3, 375; Thümmel 3, 65; 6, 45 etc., vgl.: Hahnebutten .. k. mich im Hintern. G. 6, 154; Hahnebutten, so sehr sie Einen im Halse k. Tieck N. Kr. 4, 120 etc., wofür doch auch der Dat. richtig ist (s. 1 u. vgl. beißen Anm. 1. und Herrig 15, 60): Sie k. mir im Halse [= in meinem Halse]. Andrerseits findet sich anakoluthisch auch der Accus. des Obj. st. Dat. der Pers. bei Präpos. mit Accus.: Hat sie nach ihm geschlagen u. ihn ins Gesicht gekratzt. Heinse A. 1, 214; Freytag DW. 364 etc. Vgl. dagegen: „Zärtliche Freundin“ Die beiden R in diesen Wörtern k. mir durch die Seele. Möser Ph. 4, 105 etc. Wolle k. (s. krempeln, streichen; schrubbeln), mittels der K. bearbeiten, Tuch k., auf-k., karden, rauhen etc. c) Die Geige k., schlecht spielen. Gutzkow R. 3, 70. 3) tr. (refl.), mit Angabe der Wirkung neben dem Obj. od. auch des durch das K. Bewirkten als Obj.:
a) Eine Stelle ganz roth, sich [Accus.] wund (od. durch-), sich [Dat.] eine Wunde k.; Durch die steinerne Mauern gelang es Jsegrim endlich | eine Spalte zu k. G. 5, 158; Ein Wort aus-k. und dabei ein Loch ins Papier k., das Papier durch-k.; Etwas entzwei k. etc. Selten st. der Zsstzg. ohne Zusatz, z. B.: Über die ich W. hätte die Augen [aus-] k. mögen. H. Merck 1, 15.
b) (s. 2c) Ein Lied auf der Geige k., ab-, auf-, daher-, her-k. etc. [k–d spielen] etc.
c) Buchstaben in die Wand k., hinein-, ein-k., an-k. etc.; Etwas aufs Papier k. (vgl. kritzeln und Gekratz), schlecht schreiben, z. B.: Das unleserliche höchst übel gekratzte Billett. FLSchröder Beitr. 3, 3, 34; Mit einem Krähenfuß | geschrieben .. Die Hand, die Dies gekratzt. W. 11, 215, s. zusammen-k. etc.
d) ferner nam. mit Bezug auf die Ortsveränderung: durch K. oder Scharren von einem Ort weg, an einen Ort hin schaffen, z. B.: Daß ich, wie jene Katze, | dir die Kastanien aus den Gluthen kratze. G. 12, 68; Ein paar tausend Gulden in einen Haufen (od. zusammen-) zu k. Gotthelf U. 2, 52; Kratzte sich die Ähren aus dem .. Haar. Gutzkow R. 1, 17; Die Hühner k. Körner aus dem Mist (heraus, hervor); Die Rinde von der Wunde k. (ab-, fort-, weg-k.); Vespasianus ließ seine Amtleut immerhin [Geld, s. 1] an sich k. Hammer RH. 314 etc., s. Zsstzg. 4) intr. (sein): mit den Füßen k–d od. scharrend sich in Eile fortbegeben, nam. in Zsstzg.: Hui! wie ist er da von der Stelle (ab-, aus-, daher-, einher-, fort-, her-, hin-) gekratzt! vgl. Kratzfuß etc.
Anm. Ahd. chra(z)zôn, mhd. kratzen, vrwdt. mit ritzen (ratzen, reißen etc., vgl. kritzeln), gr. ~αραooc, wohl urspr. Tonw. Vgl. frz. gratter etc. (Diez 181). Für du kratzest (s. Sanders Orth. 68) findet sich auch zuw. mit Ausfall des „e“: du kratzt.
Zsstzg. z. B. Áb-:
1) tr. [3 d]:
a) Den Schorf v. der Wunde, die Wunde, die Pocken a.; Den Schmutz v. den Schuhen, die Schuhe a.; Nachdem der Trog mit der Scharre rasch abgekratzt worden. Karmarsch 1, 373; Die Alte .. kratzt sich die Schminke ab. W. 12, 320.
b) [3b] Eine Sonate auf der Geige a., kratzend abspielen. 2) [4]: abschurren (s. d.), nam. sterbend: Schändlich, daß Das erst jetzt aufkommt, wo ich bald a. muß. Auerbach Ab. 275, s. aus-k. 2. z. B. [2c] Etwas an die Wand a., schreibend etc., nam. aber [3 d]: Sich Etwas a., esgeizig scharrend sich aneignen, vgl. zusammen-k.: Kratze, Trulle, | dir den hübschen Jungen an! Chamisso 3, 115.
An-: Āūf-:
1) [3b] Ein Lied a., kratzend aufspielen; Etwas a. [3c], aufkritzeln, auf Etwas ein-k. etc.
2) [3d] Etwas kratzend aufmachen, öffnen, Löcher, Vertiefungen in Etwas hinein-k.: [Jch] kratze die Wang’ auf, um Dich zu nähren. Talvj 2, 43; Mit wohl zerzaustem Haar und aufgekratzten Wangen. W. 11, 230; IP. 3, 141; Die Hühner kratzen die Erde auf etc., s. 3 und 4.
3) [3 d] empor-k., durch Kratzen in die Höhe bringen: Die Hühner im Mist kratzen die Körner auf (oder empor).
4) (s. 2) durch Kratzen aufarbeiten, besser machen: Schlechte Abdrücke der alten aufgekratzten Platten. Merck’s Br. 1, 272; Wolle, Tuch a. [2b] etc. und übrtr.: Mir ist wohl in meiner Pein, solche Disteln kratzen uns auf und bereiten uns zu. IP. 21, 190; Ihr Gedächtnis ein wenig aufzukratzen [aufzufrischen]. W. Merck 1, 126 etc. u. nam. im Partic. = aufgeräumt (s. d.): Schmauchte sein Pfeifchen so emsig und aufgekratzt. Goltz 1, 140; 2, 379 etc.; Die Aufgekratztheit. 5) [2 b] Alle Wolle a., ver-k., sie kratzend auf- oder zu Ende arbeiten. Āūs-:
1) tr.: [3a] Einem die Augen a. G. 20, 77; W. 15, 188 etc.; Einen Klitter auf dem Papier a. [ausradieren]. Zink- gräf 1, 166; Eine Teufelei mit der andern a. Sch. 164a etc.
2) [4]: Kreuz Donnerwetter! der Hund von Häscher ist ausgekratzt. Droysen A. 3, 168; Jetzt wollen wir einmal a. [laufen]. Grube 3, 33 etc. Be-, tr.: Etwas b., daran kratzen, z. B.: Kerker, die bekratzt der Staatsgefangnen Messer. Freiligrath SW. 5, 266; Als Türk [der Hund] die Schwelle bekratzt und hinaus wollte. Gutzkow Zaubr. 1, 167 etc. Dahêr-: z. B.
1) [3b] Der Du auf altem Fiedelbrett dasselbe Histörchen daher gekratzt. KSchmidt etc. 2[4]. Eīn- [3a]: Mit dem Feuerstein Etwas ins Glas e. Einhêr [4]. Empōr-: s. auf-k. (3). Er- [3e]: kratzend, zusammenscharrend erwerben, erkargen: Das erkratzte Gut. Lichtwer 214; Rollenhagen Fr. 259. Fórt-:
1) [3d]: Etwas Geschriebnes f. etc.
2) [4]. Hêr-, Hin- etc. [3b; c; d u. 4 etc.]. Nāch-: z. B. [3b] Das vorgespielte Stück auf der Fiedel n. etc. I.
Um-: kratzend umwühlen:
Die ihren Acker nicht bestellen, sondern nur um-k. Möser 3, 268; Die Hühner haben den ganzen Mist umgekratzt. Auch: Etwas kratzend umwerfen. II. Um-: Etwas allseitig, rings herum be-k. Ver-:
1) Etwas kratzend verderben, vgl. zer-k.: Anderst verkratze er das Papier zugleich mit dem Klitter. Zinkgräf 1, 166 etc.
2) [2b] Die Wolle ver-k., auf-k. (5). Zer- [3a]: entzwei kratzen: übel zerbissen .., zerkratzt. G. 5, 279; [Die vergiftete Ratte] zernagt, zerkratzt das ganze Haus 11, 187; So rings sah ich zerkritzt Euch und zerkratzt. HKleist Kr. 107 etc. Zū-:
1) [3a] durch Kratzen schließen, zuscharren: Das Loch in der Erde z.
2) intr.: tüchtig, mit Eifer kratzen: Drunter liegen die Schätze | Kratzt und scharret nur zu! G. 5, 185. Zusámmen- [3d]: Ein beträchtliches Vermögen z. W. 13, 66; Luc. 1, 76; Die Pfote mag der Teufel lesen, ist’s doch, als hätten’s die Hühner zusammengekratzt. Wagner Kind. 78, s. [3c].