Faksimile 1023 | Seite 1015
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kränken
Krä́nken, tr. (und refl.):
1) (vralt.) krank, schwach machen, schwächen: Wurde mit dem Bauchfluß behaft und davon sehr gekränkt. Ryff Th. 42; Die Gedächtnis wird .. davon gekränkt. Sp. 30b; Daß .. der Leib geschwächt werde und gekränkt. 101b; 154a; 193a etc., s. Schm., Frisch ꝛe.
2) (s. krank 1d) tief schmerzlich verletzen, auf Einen, zumal auf seine Seele, sein Herz einen tiefschmerzlich ergreifenden Eindruck machen, namentl. auch insofern man den Ansprüchen, zu denen er berechtigt ist oder zu sein glaubt, zu nahe tritt, vgl. beleidigen, das sich mehr auf die Verletzung der Ehre (als etwas Außern, in den Augen der Welt Geltenden) bezieht, während k. die Verletzung des innern Gefühls bez.: Als Menschen hab’ ich ihn vielleicht gekränkt, | als Edelmann hab’ ich ihn nicht beleidigt. G. 13, 156; Ich war durch diese Bitten weniger beleidigt als gekränkt. Hartmann Unst. 1, VI etc.
a) tr.: Etwas kränkt Einen tief in der Seele. G. 16, 26; 17, 46; Stilling 4, 49 etc.; Von einem Reimarus kränkt mich ein solcher Vorwurf in die Seele [tief eindringend]. Mendelssohn 4, 2, 402 etc.; Die Schmach bricht mir mein Herz und kränket mich. Ps. 69, 21; Das, was geschehn ist, kränkt mich nicht so tief, | allein Das kränkt mich, was es mir bedeutet. G. 13, 182; 3, 67; 137; Wenn ein Holunke den andern auf das empfindlichste k. will. FHJacobi 5, 51; Daß mich mein bisheriges Unvermögen genug gekränkt [geschmerzt] hat. L. 12, 459; Dort wird Er- innrung dich nicht ums Verlorne k. Rückert BE. 8; Ich bin aufs tödtlichste gekränkt. Sch. 272a; 609a; Er sei von Adel, doch im Elend, | unredlich zwar gekränkt, doch redlich selbst. Tieck Cymb. 4, 2; Herz-k–de Leiden erduldet. V. Od. 1, 4; Die seelen-k–de Bosheit. 23, 64; 24, 326 etc. Gegen den gewöhnl. Sprachgebrauch von einem nicht verletzenden Schmerzgefühl: In Gram denn | zeig dich selber zuerst, dann wird mich k. [rühren] dein Unglück. V. H. 2, 359. Dagegen oft: Einen an Etwas k., ihm in Bezug auf das Genannte zu nahe treten, ihn daran verletzen, schädigen, ihm empfindlichen Abbruch thun: Einen abgedankten an seiner Ehre gekränkten Officier. L. 1, 575; Er kann ihn [den Glauben] nicht verlieren, ohne an seiner Sittlichkeit, der Ergebung in sein Schicksal und der Hoffnung einer bessern Zukunft sehr gekränkt zu werden. W. 32, 23 etc. So auch: Jemandes Ehre k. etc.; ferner: Mit so unverschämter Lüge | das Ohr zu k. [verletzen] Seiner Herrlichkeit. Chamisso 4, 74, und rein körperl.: Meinen [der Biene] Stachel, der dich kränkt. Lichtwer 139; Qualen .., die den Körper k. Nicolai 1, 111 etc.
b) ohne ausdrückl. Obj.: Sorge im Herzen kränket. Spr. 12, 25; Ein Derwisch! solche Schätze! die eignen Kamele! Das kränkt! Chamisso 3, 165 etc., nam. oft im Part. Präs.: Weit unglücklicher ist der K–de als der Gekränkte. V. 4, 189; Mit k–der Rede zu Zeus Kronion begann sie. Il. 1, 539; Redeten k–de Worte. Od. 2, 324 und so mit persönl. Dat. (s. dacken 6 und Anm.): Dem dieser Angriff auf seine Ehre um so mehr, als einem im Amte stehenden Prediger, k–d sein mußte. Schütze Hamb. Th. 350 etc.
c) unpersönl.: Ist Niemand unter euch, den es kränke meinethalben? 1. Sam. 22, 8; Er freue sich schon so viele Wochen darauf; .. wenn es Nichts würde, so kränke es ihn todt. Jacobi Ir. 3, 93 etc. (s. d).
d) refl. (s. c): Niemand wird sich um deine Plage k. Nah. 3, 19; Der bei seinem Gold und Schätzen | tolle sich zu k. pflegt. Opitz 1, 549; Die Jungfraun k. sich . . Jerusalem, die kränket | ihr Herz [= sich] ohn Unterlaß. 2, 45; Meine Frau kränkte sich zu Tod. Stilling 3, 11; Weidner 341 etc.
e) das verneinte Partic.: Vollkommen stehet das Werk noch | un- gekränkt [unverletzt] von der Zeit. G. 5, 98; Laß uns ungekränkt | .. der Lust .. genießen. 8, 86; Die ungekränkte Ausübung des Gottesdienstes. W. 8, 201; Einen Jeden im Besitz und Genuß Dessen, was er für Wahrheit hält, ruhig und ungekränkt zu lassen. 29, 145 etc.
f) Kränkung, f.; –en: etwas K–des: Was härter treffe, Kränkung oder Schimpf, | will ich nicht untersuchen. G. 13, 193; So treu bewahrst du jede kleine Gunst | und für die Kränkung hast du kein Gedächtnis. Sch. 366a; 272a etc.; Ehren-, Rechtskränkung etc.
Zsstzg. z. B.: Áb-: refl.: sich abhärmen etc.: Sie kränkt und zehrt sich ab. Kompert Pfl. 1, 263; Der abgekränkte Körper. Günther 1095; Gryph. Fr. 359 v. 222 etc.
Be-: st. des einfachen kränken, verletzen etc. oft in der ältern Sprache, z. B. Stumpf 344a; 427b; 509a etc., s. Grimm; doch auch noch oft bei Rückert, z. B.: „Herr, ein Bekränkter.“ Und wer ist, der dich bekränket? Morg. 2, 73; 1, 172; Bekränkungen | sind die Schranken doch. Gd. 6, 115; Bekränktheit. 50 etc. Ferner: Doch wir b. Dies [wir bedauern es, es kränkt uns, thut uns weh]. Gryph. Fr. 398 v. 29 etc.
Durch-: durchdringend kränken: Der durchkränkte Leib in Furcht und Schrecken schwebet. Mühlpforth 2, 24; Durchkränkter Sinn. 64.
Ent-: (vralt.) gesund, starkmachen. Weckherlin 158.
Er-: (veralt.) statt des Grundw. Spee 72.