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können
Können, tr. und Hilfszeitw.:
I. Formbem.: 1) Abwandlung: Präs.: Ich kann, du kannst, er kann, wir k. etc. Konj.: Ich könne etc. Jmpf.: Ich konnte; Konj.: könnte. Partic.: gekonnt und daneben fürs Hilfszeitw. k. (s. dürfen I), z. B.: Warum hast du’s nicht aufgeschrieben? Ich habe es nicht (aufschreiben) k.; Ich habe es nicht gekonnt; Er ist gefallen und hat nicht wieder auf(stehen) k., nicht aufgekonnt; Ich habe nicht umhin (kommen) k., nicht umhin gekonnt, es dir mitzutheilen; Es wäre mir lieb gewesen, wenn dein Bruder noch hätte mit (kommen) k., wenn er noch mitgekonnt hätte etc. Vereinzelt finden sich auch ,,gekonnt“ beim Infin.: Da hätte er keine Ausrede .. bringen gekonnt. Arndt Stein 136; Wie er mich nicht wieder finden gekonnt. Chamisso 4, 299; Des Leids, das ich heilen gekonnt, | gedacht’ ich. Freiligrath Pol. 2, 62 etc., nam. bei dem durch Inversion vorangestellten Insin. wie in dem von Adelung angeführten Bsp.: Schreiben hätte er doch wenigstens gekonnt. Rabner etc. (s. 4). Bsp. der ausgelaßnen Kopula im abhäng. Satz: Was er leicht [hätte] ändern k. G. 14, 223; Anstalten, die sie längst gewünscht, aber nicht recht [hatte] einleitenk. 15, 35; Weiß, ob es so [hat] sein k. L. 8, 243; 412; 11, 346; 12, 80; 233; Mich selbst befremdet, wie | auf einen solchen Sturm in meinem Herzen | so eine Stille plötzlich [hat] folgen k. Nath. 3, 3; Musäus M. 3, 122; Zelter 1, 347 etc. Ist k. nicht Hilfszeitw. (s. II 3f), so lautet das Partic. auch nur „,gekonnt“: Der Schüler sitzt nach, weil er das Aufgegebne nicht gekonnt hat. 2) Alterthüml. Nbnf. im Impf.: Was ich nun nicht all kunnt bemeistern. G. 34, 311; 6, 70 (Gotter); Heine Lied. 15; Rom. 17; Siegfried den Hammer wohl schwingen kunnt. Uhland 283; Werner Kr. 1, 62 etc. Veralt. konnen statt k. G. Stolb. 27 etc., umgekehrt: gekönnt. Haller 161; Jacobi Jr. 3, 221 etc.; ferner: Die Katzen künden [k.] sich sehr wohl gelieben gegen den Menschen. Ryff Th. 71 etc. 3) Unübl. ist das Pass. auch von dem Nicht-Hilfszeitw.: Er kann Französisch, nicht: Französisch wird von ihm gekonnt etc., doch zuw. im Partic.: Das einmal Gekonnte muß man nie wieder vergessen etc., selten das Partic. Präs., auch nach dem Latein. als Ew. = mächtig: Gott .., der .. verständig, k–d, stark .. ist. Zwingli 2, 206, ferner = kundig: Wohlk–d angestrichner Zier. HSachs G. 1, 242; und als Ggstz.: Einem un-k–den Maulaffen. 232; Unkünnend, unverständig. 94 etc. und das Partic. Perf.: gekonnt habend, wofür es ugw. heißt: Die Nichts Habenden, Nichts Könnenden, Nichts Seienden, Nichts Gehabten, Nichts Gewesenen, Nichts Ge- konnten. Goltz 3, 12; ferner der Jmper., z. B.: Doch sprich es nicht nur! könn es auch wahrhaftig! Schefer Laienbr. 58 etc. 4) Der Infin. bei k. steht als bei einem Hilfszeitw. ohne „,zu“, doch findet sich dies vereinzelt (anakoluthisch) bei dem durch Jnversion vorangestellten: Aber die Gadareer Gadarer zu nennen, Das kann [vermag] nur Klotz. L. 11, 281, vgl.: Das ist nur ihm möglich; Was Ullin von Galwinen spricht, | zu leugnen, Dieses kann ich nicht. Nicolai 2, 12; Den Fall zu überleben! | sie schwor, Das könne sie nicht. W. 15, 211 etc. 5) Statt des Plusqpf. Konj. findet sich hin und wider (bei den eig. Hilfszeitw. überh.) der Indik. des Impf. (wie im Lat.), z. B.: Lieblich ist .. | Gruß des Herren, der befehlen konnte. G. 4, 40 = der hätte befehlen k. [wenn er gewollt hätte]; Man konnte ihre Toilette einfach nennen, wenn nicht . die Absicht durchschimmerte [durchgeschimmert hätte] etc. Gutzkow R. 4, 62; Wäre nur die böse Mauer nicht gewesen, so konnte er durch die Hinterthür .. schleichen. Kinkel E. 96 etc., vgl. auch die Verbind. des Jmpf. mit einem Jnfin. Perf. (wie im Engl.): Ihr konntet mir auch einen Bären auf die Nase gebunden haben. Sealsfield Tr. 1, 79 = es war möglich oder es wäre möglich gewesen, daß ihr mir Etwas aufgebunden; Hätte ich damals schon die Menschenkenntnis haben k. .., so könnte mir vielleicht das Betragen .. einigen Argwohn gegeben haben. W. 16, 53, wo es im Nachsatz auch nach der Weise des Vordersatzes, und zwar gewöhnlicher, hätte heißen können: so hätte mir das Betragen vielleicht (s. II 1) einigen Argwohn geben k. etc. II. Bed.: 1) K. bez. als Hilfszeitw. die Möglichkeit überh. und ist also von weitrem Umfang als das svrwdte „vermögen“, mit dem es nur zusammentrifft, insofern die Möglichk. von der Befähigung, von dem Im-Stande-Sein des Subj. zu Etwas abhängt: Das Zimmer vermag, 100 Personen zu fassen, kann sie fassen; Die Post kommt erst Mittag, wir k. also seine Mittheilung nicht früher hören; Er war zu schwach, er vermochte die Mittheilung nicht zu Ende zu hören oder er konnte sie nicht hören; Die Mathematik vermag kein Vor- urtheil wegzuheben, sie kann den Eigensinn nicht lindern, den Parteigeist nicht beschwichtigen, Nichts von Allem Sittlichen vermag sie. G. 3, 310; Schriftsteller versprechen gar zu leicht, weil sie hoffen, Dasjenige leisten zu k. [daß sie nichts Äußres hindern werde, Das zu leisten], was sie vermögen [wozu sie die Kraft in sich haben]. 19, 367; Niemals werde ich in Gefahr kommen auf mein eignes K. und Vermögen [s. 4] stolz zu werden. 17, 171; 140; Unser Hauptmann und hochgebietender Herr, | der jetzt Alles vermag und kann [s. 3f] | war erst nur ein schlichter Edelmann. Sch. 324a etc.; Der Brief kann vor Dinstag nicht dort sein, der schnellste Bote vermag ihn nicht früher dorthin zu fördern, kann ihn nicht früher dorthin fördern; So könnte ich’s nicht machen [es wäre mir meinen Begriffen von der Kunst gemäß nicht möglich, die Rolle so zu spielen; diese würden mich darin hindern], wenn ich’s auch könnte [die Gaben dazu hätte]. Seydelmann 305 etc.; dagegen nur „k.“ in Sätzen, wie: Ich glaub’, es kann wohl heut noch schneien, es ist möglich, daß es heut noch schneit; In einem Dreieck k. nicht zweiWinkel stumpf sein, es ist unmöglich, daß sie es sind; Verdamme ihn nicht, er kann noch unschuldig sein; iron.: Vor Euch kann man Etwas verbergen, sagt er, ihr seid die Rechten! Hebel 3, 163 etc.; Meinetwegen kann er kommen, was mich anbetrifft, so ist da kein Hindernis gegen sein Kommen etc. und nam. in Verbind. mit dem Infin. Perf.: Er kann das Geld verloren haben etc. oder mit dem pass. Jnfin., vgl.: Du vermagst mich nicht zu täuschen, und: Ich kann von dir nicht getäuscht werden etc. Wir erwähnen noch den von guten Schriftst. nicht vermiednen pleonast. verstärkenden Gebrauch von k. neben Ausdrücken der Möglichk. (vgl. dürfen II 3); Die Unmöglichkeit, Dies zu k. Forster Br. 2, 820 (WHumboldt); Die Unmöglichkeit, Dies ganz genau bewerkstelligen zu können. Mendelssohn 4, 1, 3; Das Vermögen schaden zu k. erweckt, fürchte ich, die Lust schaden zu wollen. L. 1, 149 etc. und nam. auch mit Adv., z. B.: Es kann möglicherweise noch kommen; Er kann Das un- möglich gut heißen; Er kann es vielleicht überhört haben etc. (s. I 5: W. 16, 53). 2) Zusammenstellungen mit Hilfszeitw. (s. 1):
a) Verdopplung bei der Verneinung zur verstärkten Hervorhebung der Unmöglichkeit: Ich kann und kann es nicht glauben; Ich kann und kann sie nicht zur Ruhe und Eintracht peitschen. Chamisso 5, 118 etc.
b) K. und mögen, z. B.: Auch heute kann und mag ich das Stück noch nicht spielen sehen. Kann nicht, weil ich krank bin. Mag nicht, weil mir der Kopf davon noch warm ist etc. L. 12, 351; Ich kann und mag aber keine Plane machen. Forster B. 2, 420; Hier bin ich, Tasso, dir ein Wort zu sagen, | wenn du mich ruhig hören magst und kannst. G. 13, 192; 18, 181 etc. und mehr sinnvrwdt: Ein Physikus ist verwandt mit dem höchsten Ernst, da mag er ein Philosoph heißen, und mit dem gemeinsten Spaß, da kann er für einen Taschenspieler gelten. 6, 333.
c) Wollen und k.: Ich will mit ihm nicht rechten, kann es nicht. 13, 181; Gegen die Wünsche seiner Frau wollte er nicht, nach ihrem Verlangen konnte er nicht. 15, 12; Leugnen wollt’ er nicht, beweisen konnt’ er nicht. Hebel 3, 16; Seine Kleider waren schlecht und abgetragen, so daß er aussahe als Einer, der gern will und nicht kann. Stilling 2, 150; W. 32, 43 etc.; Gut! regn’ es denn, so lang es will und kann. Chamisso 4, 77; Dann mag, was will und kann, geschehn. G. 11, 68.
d) K. und dürfen, s. d. 3.
e) Ruhig sein k. und ruhig sein müssen, kommt es nicht auf Eines? L. Gal. 5, 7 u. A. m. 3) (s. I 1 und z. B. II 2c) Oft bleibt der Infin. fort, z. B.: „Du willst also?“ Mach mich k., so will ich. G. 9, 290; Es kann eben Keiner höher [fliegen] als ihm die Flügel gewachsen sind. Heinse A. 2, 223 etc. Wir erwähnen hier bes.:
a) die dadurch entstehenden unechten Zsstzg.: Der Deckel kann ab [bleiben oder genommen werden]; Wenn ein Käfer auf dem Rücken liegt und nicht mehr auf- kann. Kinkel E. 27; Dem Volk kann weder Wasser bei 124 [kommen, Etwas anhaben] noch Feuer. Sch. 545b; Eine Sackgasse. Sie kann nicht durch und mag nicht wieder zurück. G. 3, 170; Vor dem lauten Toben | .. kann der milde Laut von oben | nicht in unsre Herzen ein. Knapp (Wackernagel 2, 1770); Weil wir nicht so hurleburli mit der Sprache fort-k. Auerbach Gv. 399; Flecke, wo die Justiz und Policei nicht hin-k. Claudius 6, 51; Das Lügen ist für uns geringe Leute, wir können oft nicht drüber hin (s. umhin). Immer- mann M. 2, 62; Einen engen Kreis, aus welchem sie nicht heraus-k. Forster Br. 2, 588; Gutzkow R. 6, 46; Über die drei Zimmer wachen, daß auch nicht eine Stecknadel herauskann. 1, 297; Vorbei jagt Felsen und Baum. | Wie könnten die Diener, die Rüden mit? Kinkel 14; Jch kann nicht um- hin (s. d. undb), Dir zu versichern etc.; Die Götter sterben nicht, der Tod kann ihrem Samen | mit keiner Sichel zu. Opitz 2, 246 u. ä. m.
b) die Umschreibung: Nicht anders k. als = müssen (vergl.: nicht umhin k.): Daß manche Ausleger .. damals nicht anders als so über dies Buch [haben] schreiben k. H. R. 7, 115; Statüen, welche die Furien in ihren Tempeln nicht anders als gehabt haben k. L. 8, 22 etc.
c) scheinbar von k., in der That von einem zu ergänzenden Infin. abhäng. Präpos., z. B.: Ach, wenn ich Etwas auf dich [wirken etc.] könnte [= vermöchte]. G. 11, 149; Was könnte Seine Majestät dafür [s. d.], wenn Chörilus kein Homer war? W. HBr. 2, 122, war es ihre Schuld?, in fragenden und verneinenden Sätzen, z. B.: Ich kann nicht dafür [etwa: büßen], wenn etc.; Kann denn die Religion Nichts über diese finstere Laune [ausrichten etc.]? Tieck N. 5, 117; Was kann Vernunft, Religion wider dieses Giganten eiskalte Umarmung. Sch. 113a; Was k. sie dazu [thun etc.], daß etc. Forster A. 2, 308; Lichtenberg will nicht schweigen. Dazu kann ich Nichts. Br. 1, 306; Konnte mein Klärchen ’was dazu? Tieck N. 5, 31 etc. = dafür, u. ä. m.
d) Was ich kann etc., mit Bezug auf ein vorhergehendes Zeitw. = so viel nur immer möglich, z. B.: Blase Jeder, was er kann, | Lichter aus und Feuer an. Chamisso 3, 95; Ich eilte was ich konnte. G. 19, 89; Gutzkow R. 2, 31; Immermann M. 4, 156 etc., zuw. mit wiederholtem Zeitw.: Du eilst nun, was du eilen kannst. Sch. 164a etc.
e) bei Ew. und Adv. zur Bez. des möglichst hohen Grads: Schrie so laut [als] er konnte. Hebel 3, 321 u. o. Veralt.: Und rufte zum allerlautesten er konnte. Zinkgräf 1, 231; Damit ich den Segelbaum ... aufs best ich kunnt, anbände. Schaiden- reißer 54a; Will ich aufs nähest ich kann hinzuschießen. Luther 6, 136a etc. Auch: Erleichterte ihnen ihr Elend, als nach Kräften [gw.: so sehr] er konnte. Hebel 3, 399 etc.
f) in einigen Wendungen ganz tr. (vgl. I 1 und 3), nam.: Etwas k., es ganz inne haben, sodaß man es anwenden, ausüben kann etc. (vgl. Zarncke Br. 390betc.), wo es dann im Infin. mit dem Hilfszeitw. k. verbunden werden kann: Erkann ganz gut Latein k. und doch herzlich dumm sein; Der Schüler kann seine Aufgabe, seineVokabeln; Erkann [versteht zu] rechnen, schreiben und lesen; K. Sie Klavier lspielen]?; Daß Einer angenehm sei, hilft nicht, daß er ein Ding wohl könne. Pred. 9, 11; Bestellet Klageweiber .. und schicket nach Denen die es wohl k. Jer. 9, 17; ugw.: Sehet nach einem Manne, der es wohl kann [sich wohl versteht] auf Saitenspiel. 1. Sam. 16, 17 etc.; Wenn sie nur Deutsch erst in der Wüste könnten! Freiligrath Garb. 113; Was ihre Augen sahen, Das konnten ihre Hände. Musäus M. 5, 115; Das Leben lehren ist der Weisen Arbeit, | das Leben k. ist des Wissens Ziel. Schefer Laienbr. 90 etc. 4) dazu Hw.:
a) der Infin. als sächl. Hw.: Wollen und K. sind freilich durch eine große Kluft getrennt. Forster Br. 2, 64; Daß die schwache Zunge | über K. [über ihr Vermögen] girrend los sich windet. H. 16, 122; Ich hatte mein ganzes K. [meine malerischen Fähigkeiten] abgerundet. Keler gH. 3, 99; 180; Wen verleitet sein K. nicht öfter über sein Sollen hinaus? L. 8, 18; Die rechte Liebe ist ein Nicht-anders-K. [Müssen]. Lewald W. 2, 417; Diesen Fiesko rüstet er aus mit dem verwegensten K. Palleske Sch. 1, 306 etc.
b) Das Kann: das Bedenken ob man und wie weit man kann etc.: Und Kann und Glück kommt auch ins Spiel. G. 4, 45; Sie wollen, aber da ist wieder das K. Zelter 2, 347 etc.
c) Das Könnte: Was könnte nicht! O Gott! | du warst es nicht, es war der Teufel selbst, | der unsrer Sprache dieses „Könnte“ lieh. Ein K., das man könnte, doch nicht kann! Platen 3, 55 etc.
d) von Pers.: Bis endlich Erben mit Behagen | Herrn Kann-nicht, Will-nicht weiter tragen. G. 4, 45; Herr Pineis war ein Kann-Alles. Keller LvS. 458, Einer der Alles kann (s. 3f und f) oder zu können wähnt, vgl.: Kanns wohl, kann’s zuvor, | regiert an allem Ort | und wann sie sollen fort, | ist daran kein wahr Wort. Weidner 176.
e) (s. 3f) Abgenommen hat nicht die Kunst (s. d.) ihrer Könner, | sondern die Gunst ihrer Gönner. Rückert Mak. 2, 178 und dazu: Dieser junge Mensch ist nach dem Muster der Alleskönnerei erzogen. Gutzkow Bl. 1, 53.
Anm. S. kennen, Anm.