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klug Klugheit
Klūg, a.:
klügst
(~heit, f.; –en):
zunächst von Personen (auch von Thieren), mit Verstand, mit scharfem Unterscheidungsvermögen begabt, ein- und umsichtsvoll; dann auch von Etwas, das von solcher Eigenschaft einer Pers. oder „Klugheit“ ausgeht, da-. von zeugt, ihr entspricht etc., vgl. den Ggstz. „dumm“ und als sinnvrwdt. „weise“ (s. d.), das nicht bloß einen bes. hohen Grad umfassender Klugheit bez., sondern gw. zugleich die richtige Anwendung derselben und somit die Beziehung auf etwas Löbliches und Gutes hervorhebt, während im Gegentheil „schlau“ und die sinnvrwdt. ,,listig, verschlagen“ dieeigennützige Anwendung der Klugheit zu selbstsüchtigen Zwecken und zur Bevortheilung Andrer hervorheben, s. auch „gescheit“: Gott ist weise; Sokrates war weise, die Sophisten k.; Ein k–er oder weiser Mann etc., in der Volksspr. auch eine Person von übernatürlichem Wissen, die heren kann etc., vgl.: Der k–e Böhme [Zigeuner], der Alles bannen kann. Ramler F. 2, 473; Das Traumbuch frag’ ich weiter nicht | und keine weise Frau. B. 16a etc.; Ein k–er oder schlauer Spitzbube, Betrüger, Betrug; Die Pudel gelten für die klügsten Hunde; Der Fuchs ist ein schlaues Thier; Die weisen Sprüche der sieben Weisen Griechenlands; Teutsche Apophthegmata, d. i. der Teutschen scharfsinnige, k–e Sprüche. Zinkgräf; Das war ein k–er Einfall von dir, Das hast du k. gemacht; Das Kind ist für sein Alter sehr k., fast zu k.; Du nennst ihn dumm, auf Schelmstücke ist er k. genug; seltner: Edler Sproß des Alterthumes | k. für [in Bezug auf] Roßgestampf, | k. für jede Wehr des Ruhmes | und für Pulverdampf. V. 3, 192; Er hat ein k–es [nicht: weises] Gesicht, ist aber sehr dumm; Das war das Klügste, was er thun konnte; Das ist der klügste Rath, den man ihm geben kann etc.; Sprüchworte: Das Ei will klüger sein als die Henne; K–e Hühner legen zuweilen auch in Nessel; Zu k. grenzt nah an dumm. (Müllner 6, 12); Durch Schaden k. werden; Aus Etwas od. aus Jemand (z. B. G. 20, 66) nicht (recht) k. werden können, es od. ihn nicht recht begreifen; Nach einer Mittheilung etc. noch gerade so k. sein wie vorher, durch dieselbe in der Einsicht über eine Sache, worüber man Auskunft wünscht, sich nicht gefördert sehn; Nicht k. (W. 12, 229), nicht recht k. im Kopf (Arnim 275), un-k. sein, nicht rechtbeiTrost od. bei Sinnen, bei Verstand; Mit Einem kein k–es [vernünftiges] Wort sprechen können, vgl.: Wir werden doch .. Eins trinken und k. reden [plaudern]. Höser Leb. 1; Ich schnackte klug mit ihr über Alles und Jedes. 40; Wie der Großvater sich gemüthlich im Sessel zurechtrückt, um noch eins k. zu schwatzen. Kühne Fr. 174; häufiger K. reden, schnacken, schwatzen (und im derben Volksausdruck: k. scheißen, vgl.: Frommann 5, 375), von dem sich k. Dünkenden und so in seinen Reden Gebarenden, dessen Thun aber dem Reden nicht entspricht, naseweis (s. d. u. vgl. dünkel-k.) und so auch personif. als Hw.: Indeß ihr gleichfalls | die alte Waare da, den Meister K., | in Ruhstand setzet. Schlegel Sh. 3, 61, und verklein.: Siehe, also meisterlich kann sich Frau Klüglin, die Vernunft, verdrehen [irren], wenn sie von Gottes Wort .. handeln will. Luther 6, 322a; s. Klügel, Klügling. Im Übrigen genügen wenige Belege: K–er [geschickter] Meister. Jes. 40, 20; Das Evangelium zu predigen, nicht mit k–n Worten [mit „Rednerkunst,“ Eß.]. 1. Kor. 1, 17; Den k–n Fabeln [,,schlau ersonnene Märchen,“ Eß.]. 2. Petri 1, 16 etc.; So ward doch mancher Mutter Kind | von einem Herrn oft k. geschlagen [durch Schläge k.]. Gellert 1, 245; Er wagt es, nicht zu kommen. So war denn diesmal wider Vermuthen der K–e k. genug, nicht k. zu sein. G. 9, 209; „Wer ist der Weiseste?“ Der nichts Anders weiß noch will, als das, was begegnet. „Wer ist der Klügste?“ Der in Allem, Das ihm begegnet, seinen Vortheil findet. 10, 51; 230; 13, 303; Die Schwalben .. wohnten in k–en Nestern, | wo Liebchens Fenster sind. Heine Lied 181 [in sie k. machenden Nestern, die ihnen die rechte Einsicht gewähren]; Wenn dem Volk weise | Nichts weiter wär’ als k.? Und klug nur Der, | der sich auf seinen Vortheil gut versteht? | Dann freilich wär’ der Eigennützigste | der Klügste; dann wäre freilich k. und weise | nur Eins etc. L. Nath. 3, 5; 1, 3; Er ist k., denn er weiß die Menschen zu brauchen und er handelt oft weise, weil er sie meist zu Zwecken gebraucht etc. Lewald Ferd. 1, 267 etc. s. Zsstzg. Durch seine Klugheit wird ihm der Betrug gerathen. Dan. 8, 25; Der Gottlosen Tücke sind keine K. Sir. 19, 19; Sprich zur Weisheit: Du bist meine Schwester, und nenne die K. [personif.] deine Freundin. Spr. 7, 4; 8, 1 etc.; Kinder der K., o habet die Narren | eben zum Narren! G. 1, 103; Die Weisheit soll die K. zu ihrer Dienerin haben; jene thront, diese regiert. Gutzkow R. 6, 83; Weisheit .. die Richtigkeit in der Bestimmung der Zwecke, .. Klugheit, die Richtigkeit in der Bestimmung der Mittel. Schleiermacher 3, 2, 363; Die K. gebietet, daß etc.
Anm. Mhd. kluoc, fein, schmuck, nett und danach: geistig fein, in der jetzt gew. Bed. Benecke, s. bei Schm. Belege zu der mundartl. Bed.: genau; knapp; karg u. fein; zierlich; welche Bed. noch durchschimmert: Das ist eine Pracht von einem Becher! | von Golde schwer, und in erhabner Arbeit | sind k–e Dinge zierlich drauf gebildet. Sch. 352b; und bei Stalder: schön; vgl.: Ephesus ist gar eine kluge Stadt. Mantvil Reise-Beschr. Kap. 8 etc., u.: Jch laß ihn . . . der Römer Sach klügen [rühmend verschönern, ausschmücken] und rühmen wie er will. Stumpf 673b; „„verklugen“ = beschönigen: Eine Sache verklugen oder verblümen. Brant Narr. 71, 23; Hortens. Protestir. Krieg 53; Meisterlich kund er verklugen sein Falschheit. Theuerdank, auch: verklügeln, s. Zarncke Br. 412b etc. Niederd. auch: der Klug = der Verstand, s. Jahn M. 307, z. B.: Nicht seinen rechten K. haben etc. Die Steigrung ohne Uml. (Noch kluger als etc. Scherr Pilg. 1, 105) ist beim Grundw. ugw., doch Regel bei den wirkl. Zsstzg. (s. d.), zumal wenn der Hauptton des Bstw. und der Nebenton des Grundw. unmittelbar zusammenstoßen, s. Ä, Anm. 2 und alt-, un-k. etc.
Zsstzg. vielfach, wenn man bloße Zusammenstellungen von k. mit einem Adv. oder auch wohl einem Hw. dazu rechnet, wovon wir im Folgenden nur einige beispielsweise anführen, s. albern-k.: Āber-: verkehrtk.; aberwitzig (s. d. u. vgl. über-k.): Demnach schrein die a–en Herrn | noch über Wahn und Blindheit. Gotter 1, 256; Wenn man .. so jeden Sittenspruch befolgen könnte, | der einem a–en Mund entfließt! | was könnte da nicht werden und entstehen! Platen 3, 55; Gläubig-a. | vom Sonnenstich. Thümmel 7, 7; Der a–ste Schwärmer etc.
Álbern-: So a., so dummgescheit, so vielseitig-einseitig. Gutzkow R. 8, 127; Lacht .. der alber-klugen Lappen. Logau 2, 1, 37; vgl. dummk., von Einem, der klug sein will und dumm ist, vgl. Alt 6 etc. Das Hw., wie bei ähnl. Zusammenstellungen, aufgelöst: Die alberne Klugheit.
Ált-: klüger als den Jahren nach zu erwarten:
1) Sanders, deutsches Wörterb. I. zuw. in lobendem Sinn: Des strengen Alters Eigensinn | verwandelt sie [die Liebe] in Scherz und Lachen | und diese holde Lehrerin | kann auch die Jugend a. machen. Hagedorn 3, 36; Ihr Freunde, lasst uns a. werden| und weiser als die Weisen sein. 152; Ein seltner Mann, wiewohl noch ohne Bart, | von Ansehn klug, doch a. an Betragen. W. 3, 267; G. 11, 66 etc., klug wie ein erfahrner Greis, auch: O du Jungfrau, die so a. aus der Kindheit du hervorblühst. V. 3, 62 etc.
2) gew. mit dem Nebensinn des Unnatürlichen u. deßhalb Unreifen, nam. des unpassenden und darum tadelhaften Ernstes: Was hat es sie genützt, in den Lebensjahren, wo Schwärmerei so schön, der Irrthum so liebenswürdig ist, schon so a. gewesen zu sein? Börne Frz. 5; Auf die a–ste [s. Anm.] Weise von oben herab betrieben. Danzel 139; Ein Publikum, das immer nur die Urtheile alter Männer hört, wird gar zu leicht a. und Nichts ist unzulänglicher als ein reifes Urtheil von einem unreifen Geiste aufgenommen. G. 22, 45; 1, 233; Sein a. Amtsgesicht. Hagedorn 1, 105; Die halb a–en, halb kindischen Gedanken des Knaben. Niebuhr Schr. 1, 57; Die Zurückhaltung, diese a–e Halbschwester der Schamhaftigkeit. Pfeffel Pr. 2, 186; Wird immer a–er [Anm.] und ernster. Prutz DMus. 1, 1, 99 etc.
3) A–heit, nam. zu 2: Auerbach Dicht. 1, 252; Zuletzt verhindert die munter lachende Gesundheit und Freiheit in dem Allen A–heit zu finden. Gutzkow G. 76; Das Gespräch der Brüder und Schwester betrifft die A–heit der ersten und den sie verhöhnenden Muth und Reiz des Jugendmädchens. H. R. 7, 87; So manche A–heit, die sich im Halten der Regel so groß dünkt. Tieck N. 1, 76; 3,111 u. v. 4) dazu verkl.: Eine Krähe schien sich altklüglich die Taubenwirthschaft mit anzusehen. Goltz 2, 192; Ältlich-k–en jungen Leuten. L. 1, 77. Arg-: s. arglistig, übel–k.: Die a–en Schlangen, die unschuldig wie Blumen zu lächeln wissen. Heine Reis. 4. 106. Bínnen-: Der die Klugheit in sich hat, ohne sie sofort äußerlich kundzugeben. V. Ar. 1, 265. Blítz-: sehr klug, s. satanisch-k. Dúmm-: s. albern-k.: D–es Gesicht. Heine Reis. 1, 152. Dǘnkel-: sich klug dünkend, ohne es zu sein. Eīs-: dessen Klugheit in eiskalter Gefühllosigkeit besteht: E–e Staatsgrübler. Heine Sal. 1, 84. Frǖh-: alt-k. Fúchs-: schlau wie ein Fuchs. Gérne-: Ein G. Logau (L. 5, 321), Einer der gern klug erscheinen möchte und es nicht ist. Hálb-: Der Eigendünkel eines h–en Egoisten. G. 10, 58. Hándels-: klug in Bezug auf den Handel, auf Handelspolitik: Die Finanzen des handelsklügsten[Anm.]Landes. Niebuhr Nachgel. 66. Lêbens-: welt-k., Kenntnis des Lebens und der Welt darin beweisend, daß man sich in allen Verhältnissen leicht und gewandt bewegt: Dies Benehmen mag l. sein, ehrlich ist es wenigstens nicht; An Kosmus wird die L–heit gepriesen, man schreibt ihm eine größere Übersicht der politischen Lagen zu als allen Regierungen seiner Zeit, G. 29, 166. Nēūgier.: neugierig-k., klug forschend etc.: Mit .. n–en Augen. Heine Lied 312. Nēūn: über-k., z. B. Jahn M. 269; Pröhle J. 311, vgl.: Den klugen, dreimal klugen Mann. W. 34, 325; Die kühne That der „neunmal Weisen“. Gutzkow Zaubr. 4, 5; Schweg- ler 1, 1057; und „neundrähtig“; baier. „sieben-“ und „neungescheit.“ Schm. 2, 697 (,,vielleicht in Bezug auf die ehemals gew. in der Zahl 9 oder 7 gewählten sachverständigen Schiedsrichter“, s. auch übersiebenen). Vgl. meine Bem. Frommann 5, 84. Satānisch-: teuflisch-k.: Teuflisch! Satanischklüger [Anm.] konnte man’s nicht anfangen, mir vollends alle Nahrung zu entziehen. Stilling 4, 110, von der ausgefeimtesten Bosheit. Dagegen braucht die Volksspr. die Ausdrücke: Verteufelt, verflucht, verdammt, höllisch klug, u. so auch: blitz-k. (s. Blitz 2c) bloß zur Bez. eines hohen bewunderten Grades von Klugheit ohne Gedanken an Bosheit, wie plattd. „pick-klok“, vgl. püik. Schárf-: von scharfer durchdringender Klugheit. Sch. 262a. Schlángen-: ungemein klug. Kohl A. 2, 331; Der Taubeneinfalt Sch–heit zur Gefährtin zu geben. Gervinus Lit. 5, 280, s. 1. Moses 3, 1 ff.; Matth. 10, 16. Sélbst-: selbstgefällig-k., der sich für klug hält und alle Klugheit sich selbst zu verdanken glaubt. Claudius 3, 9; 6, 36. Stāāts-: klug in Bezug auf Staatsangelegenheiten, politisch, vgl. lebens-k.: Die Beschwerden Brabands forderten einen st–en Mittler. Sch. 775b; In st–er Eintracht zusammenhalten. 904b; Mit gewohnter St–heit hatte Richelieu dieses Fürsten benutzt. 945a; 149a; 288b; W. 32, 346 u. o. Scherzhaft nach der Analogie: Ein Bürger voll von Recht, der schlimmen Zeiten Kenner, | staats-, stadt- und vorstadt- klug. Hagedorn 1, 168. Sūper-: über-k., mit lat. Vors.: S–keit und Verbesserungskitzel. B. 3721; Das Wort s. .. macht seinem Zusammensetzer zuverlässig Ehre, es giebt Leute, die sich angewöhnt haben, über Alles Reflexionen anzustellen, nicht weil ihnen die Sachen natürlich einfallen, sondern weil sie es erkünsteln. Lichtenberg 1, 218; Eines s–en Neulings oder Dummkopfs. Tieck N. 5, 11; 6, 117 etc. Tīēf-: gvater 1, 204. Übel-: arg.-k. Rückert N. 126. Über-: übertrieben klug und dadurch nam. das Einfachste und Nächstliegende übersehend, vgl.: Allzuklug grenzt an dumm etc., super- und neunk. etc. H. 13, 25; Tieck A. 1, 227; Daß sie ihn für einen ü–en Mann ansahen, der seinen abderitischen Mutterwitz auf seiner langen Wanderschaft verdünstet hätte. W. 13, 40; Ü–heit. Zschokke 8, 248. Un-: nicht (recht) klug, sinnlos, verrückt etc.: Jrrte wie ein U–er im ganzen Hause umher. Engel 12, 205; Welches doch in der Darstellung noch un–er [Anm.] aussieht, als es an sich war. G. Zelt. 2, 84; Ein Frauenzimmer ist un–k., wenn es sich das unauflösliche Joch der Ehe aufbinden lässt. Heinse A. 2, 39; Der u–ste [Anm.] Vorschlag. Lichtenberg 3, 553; Auf die u–ste Weise. OMüller Bürg. 180; Schlegel Sh. 3, 331; Wer im Sturm lustreiset, ist u–k. V. 2, 152 etc., doch auch nam. wieder verneint: Ein nicht u–er [ein ziemlich kluger] Mann. Lavater 1, 210. Die u–heit [Mangel an Klugheit]. Vōr-: (vralt.) vorbedacht. Rolenhagen Fr. 528, jetzt eher = vorlaut und naseweis. Wélt-: lebens-k., s. d. u. das ganz versch. „weltweise“, vgl.: Das ist das heimlich verborgene Stücklin, welches er allein seinen Christen sagt; denn die W–en können und sollen’s nicht verstehen, sondern darüber klügeln und spotten. Luther 6, 267b; 255a, von Klüglern: Daß er wirklich höhere Zwecke hatte und, wenn er w. handelte, wohl glauben durfte, der Zweck heilige die Mittel. G. 22, 224; 10, 57; W–heit. 4, 178; Zwar schien diese w–e Aufführung sich mit Jhrem offenen und ungeheuchelten Wesen nicht zu vertragen. Mendelssohn 5, 365; Sch. 298b; V. 2, 69 etc.