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Klage
Klāge, f.; –n:
1) sich nam. in Worten, Seufzern und ähnl. Tönen kundgebende Schmerzensäußrung: In Thränen und laute K–n ausbrechen; Sich in K–n ergießen; Seine K–n zurückhalten, zurückdrängen, Ein Gebet des Elenden, so er betrübt ist und seine K. vor dem Herrn ausschüttet. Ps. 102, 1; Du hast mir meine K. verwandelt in einen Reigen. 30, 12; Meine Harfe ist eine K. worden und meine Pfeife ein Weinen. Hiob 30, 31 etc.; Des Volkes laut erhobne K. [über den andauernden Regen]. Chamisso 4, 76; Seiner K–n Reim’, in Sand geschrieben, | sind vom Winde gleich verjagt. G. 4, 19; Überall klagt man Gottes Klagen [gottsjämmerlich]. Höfer Leb. 129, mundartl., volksthüml.; Klag’ ist ein Mißton im Chore der Sphären, trägt denn die Schöpfung ein Trauergewand? Salis; Des Mädchens K. . . . Die K., sie wecket | die Todten nicht auf. Sch. 49a; Sie sah den todten Sohn vor sich, es brach ihr fast das Herz; | doch keine K. wurde laut in ihrem tiefen Schmerz; Als sie den Leichnam nun in die prangende Wohnung geführet, | legten sie ihn auf ein schönes Gestell und ordneten Sänger, | anzuheben die Klag’ und gerührt mit jammernden Tönen | sangen sie Trauergesang und ringsum seufzten die Weiber. | Aber die blühende Fürstin Andromache klagte vor Allen, | haltend sein Haupt in den Händen, des männervertilgenden Hektors. V. Il. 24, 719 ff. und so oft auch biblisch in Bezug auf die bei den Alten übliche „Todten-K.“ z. B.: Da hielten sie eine sehr große und bittere K. 1. Mos. 50, 10 ff.; David klagte diese K. über [den durchs Schwert gefallenen] Saul. 2. Sam. 1, 17, und daher mundartl.:
a) K. = Beileid.
b) Trauer um einen Verstorbnen; Trauerkleider, s. Schm. 2, 354, z. B. auch: Die Proceß-K. = Leichenprocession. ebd.
2) (s. 1) die Beschwerde, die man über Einen oder über Etwas führt, wodurch man sich verletzt, gekränkt fühlt:
a) allgm.: K. über Einen, über sein Betragen führen; Man hört viele K–n über seinen Hochmuth, über seine Grausamkeit; Ging unter dem gemeinen Mann die Sag’ und Klag’, was man also auf der Bärenhaut liege, warum man nicht schlage. Zinkgräf 2, 74 etc.
b) bes. eine bei dem Richter angebrachte Beschwerde über eine Einem zugefügte Rechtsverletzung: Eine K. ist anhängig; Eine K. anbringen, abfassen, einreichen, eingeben, zurücknehmen, fallen lassen; Die K. annehmen, abweisen; Mit seiner K. abgewiesen werden; Eine K. über ein zugefügtes Unrecht, wegen einer Rechtsverletzung, gegen oder wider Jemand, auf Entschädigung; Alle hatten zu klagen, er hatte sie Alle beleidigt . . Der Wolf begann die K. G. 5, 124; Er spottete meiner K. [a] und drohte mit einer K. Rückert Mak. 1, 210; Als er Klag’ und Antwort, Red’ und Widerred’ genugsam vernommen. Zinkgräf 2, 93 etc. Dazu: Klaglos (s. d.).
Anm. Ahd. chlaga, mhd. klage, dazu: klagen, ahd. chlagōn, mhd. klagen (mit den Formen kleit(e) = klaget(e); gekleit = geklaget, vgl. tragen etc.). Veralt. Nbnf.: Mancherlei Censuren und ,,klegten“ .. Diese,,Klegten“ [Klägde, vgl. Gebäu(d)e, Zier(de) etc.]. Stumpf IIIb.
Zsstzg. unerschöpflich nam. zu 2b, leicht zu verstehn und zu mehren nach den folgenden, vgl. die von klagen: Áb- [2]: (vralt.) Gleich nach der Abklage, da ich deren von Nürnberg Feind wollte werden. Berlichingen 127; Thät dann nach ein’ Abklag an Bischof von Mainz. 161, mit der Anm. (von Pistorius): Hierdurch wird anders Nichts verstanden als ein Absags- oder Feindsbrief und ist das Wort Abklag eig. alsdann gebraucht worden, wann man vorhero seine Klage bei dem Gegentheil angebracht, gleichwohl aber Nichts erhalten können, darauf von seiner Klage abgestanden und die Fehde oder Feindschaft angekündigt, ... auch „Verwandlung“ genennet, vgl. Haltaus 4. Án- [2b]: s. Anklagen: Falsche A. 2. Mos. 23, 1; Ihre A. in aller Form und öffentlich zu thun. Sch. 822b; Eine A. einreichen; Die A. begründen, aufrecht halten; Eine A. widerlegen; Sich gegen die A. des Betrugs, des Verraths vertheidigen etc.; Auf die A. mit einer Gegen-A. antworten; Einen von der A. entbinden, freisprechen; Die Selbst-A. etc. Arrést- [2b]: Klage auf Arrest oder Beschlag, vralt. Kummer- K., s. Kummer (2). Civīl- [2b]: bei einem Civilgericht. Ēhe- [2b]: auf Erfüllung eines Eheversprechens. Eīn- [2b]: gw. Einklagung. Entschǟdigungs- [2b]: auf Entschädigung. Fêhl- [2b]: fehlsame, erfolglose Klage. Gêgen-, womit man eines Andern Klage entgegentritt, z. B. [2a] W. 27, 172 und nam. oft [2b], bes. = Rekonventions-K., d. h. eine Klage, die der Beklagte gegen den Kläger vor demselben Gericht und in demselben Gerichtsverfahren anstellt, die Wider- oder Nach-K., im Ggstz. zu der ersten von dem Kläger ausgehnden Klage, der Konventions- oder Vor-K.
Hāūpt-: hauptsächliche Klage, Ggstz. Neben-K., nam. [2a u. b]. Hérzens- [1]. Hín- u. Hêr-: eine Klage, die sich hin und her bewegt, z. B.: Nach vielen H–n [2b] kam es zum Vergleich, s. Gegen-K. Jámmer- [1]: jammernde Klage, s. Weh-K.: Man konnte von fern die J. vernehmen. G. 5, 130; 6, 19; J–n und finstre Trauerlieder. WMüller Ngr. 2, 47. Knéchtschafts- [1]: Klage über Knechtschaft. WHumboldt Son. 46. Kontumaciāl- [2b]: der Antrag, Jemand für ungehorsam und seiner frühern Rechte verlustig zu erklären.
Konventiōns-: s. Gegen-K.
Krimināl-: s. Civil-K.
Kúmmer-: Arrest-K.
Lēīchen-: Todten-K. Līēbes- [1]: Klage eines Liebenden.
Nāch-:
1) das Nachklagen (s. d. 2 u. vgl. Nachruf).
2) nachträgliche Klage, nam. (s. Vor-K. 1): entschuldigendes Eingeständnis, daß nicht Alles ist, wie es sein sollte, daß Manches fehlt etc.: Ob er gleich zu Anfang versichert, er habe sein Experiment im Sommer und im hellsten Sonnenschein angestellt, so kommt er doch zuletzt mit einer N. und Entschuldigung, damit man sich nicht wundern möge, wenn die Wiederholung des Versuchs nicht sonderlich gelänge. G. 38, 88; Diese Art von Vor- und N. geht durch die ganze newtonische Optik. 53.
3) s. Gegen- K. Nêben-: s. Haupt-K. Rekonventions-: s. Gegen-K. Schādens- [2b]: auf Schadenersatz. Schēīdungs- [2b]: Ehe-Sch., auch Ehescheidung. Schēīn-: z. B.
1) [1] ohne wirklich gefühlten Schmerz.
2) [2a und b] die man nur zum Schein führt, seinen wahren Zweck dahinter verbergend etc. Schmérzens-: Weh-K. Spōli-en- [2b]: Klage auf Herausgabe oder Ersatz des Geraubten. Sch. 883b. Tōdten- [1]: Klage um einen Verstorbnen. Hes. 24, 17 etc. Un- [2b]: (vralt.) eine frevelhafte grundlose Anklage. Vōr-:
1) [2a] eine Außerung, wodurch man beklagend und eingestehend, daß Etwas nicht recht und nach Wunschist, der Anklage und Beschuldigung Andrer zuvorkommt und so gleichsam vorbauend sichentschuldigt (s. Nach-K. 2): G. 1, 9; Jch muß doch mit der V. kommen: was an den Traktamenten ermangeln wird, Das mögen die freundlichen Gespräche nach ihrem besten Vergnügen ersetzen. Weise Jak. 125; VWeber 2, 5 etc.
2) [2b] s. Gegen-K.
3) [2b] präjudicielle Klage, d. h. eine Klage, die man, um zu der eig. Klage berechtigt zu sein, zuvor durchführen muß. Wêh- [1]: lautevon tiefem Weh hervorgerufne Klage. Hes. 19, 1; Ich will eure Lieder in W. verwandeln. Am. 8, 10; G. 27, 24 etc., auch zuw. Bez. einer kläglichen Person: Da bringt sie ein häßlich Gerippe zum Vorschein, eine W., der kein Gast Bescheid thäte, wenn sie ihm einen Trunk zubrächte. Musäus Ph. 2, 192 etc., nach Spate auch Bez. eines durch Wehklagen Tod kündenden Gespenstes. Wīder-: s. Gegen-K. u. ä. m.