Faksimile 0913 | Seite 905
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kiesen
II. Kīēſen, tr.: prüfend wählen: Daß es mir zum
K. und zum Karten | an Zeit und an Geduld gebricht. .. Da
brauchſt du nicht | viel, wie du ſagſt, zu karten und zu küren
[ſ. d.]. Baggeſen 5, 35; Zu k. einen König. H. 8, 413; K.
ſoll ich daraus. Kl. Od. 2, 225; Dieſe Ström’ und Wäl-
der | kieſte zum Sitz kein ſpielend Weſen. Koſegarten Rh. 3,
50; Logau (L. 5, 235); Daß ihr den Eckſtein kieſt zu einer
Himmelsſchwelle. Lohenſtein Himm. 25; Soph. 126; So
würd’ ich, für des Lebens Mai, | den dunkeln Stand des Hir-
ten k. Pfefel Po. 3, 5; Zur Braut mir zu k. die holdeſte
Magd. Platen 4, 325; Dieweil aber der Wein allermeiſt
dem Geſchmack nach gekieſt wird. Ryff Sp. 86b; Da ſoll der
älteſte [Bruder das Erbe] theilen, der jüngſte k. Schottel 297
(Sachſenrecht); Einen darunter zu k. Schweinichen 3, 321;
„So habt ihr freie Wahl.“ ... Was braucht’s hier erſt zu
k.? W. 20, 59.
Anm. Goth. kiusan, ahd. chiosan, mhd. kiusen,
kiesen = k., aber auch mit der weitern Bed.: „ich ſchaue
mit prüfendem Auge; finde, daß es ſo und ſo iſt, und dann
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von jeder ſinnlichen Wahrnehmung“, ſo noch: Abra geh, es
iſt vonnöthen, daß man heimlich ſich erkieſt [ſich umſieht], |
ob die königliche Wache vor der Thür vorhanden iſt. Opitz, ſ.
Schm. und vgl. küren I. mit Übergang des „ſ“ in „r“
im Impf. und Partic. Präter., ſ. Graff 4, 507 und Benecke
1, 825; Friſch 1, 169 ff.; Schm. 2, 337; Brem. Wörterb.
2, 856 und vgl.: weſen, Impf. „war“ ſtatt des mundartl.,
veralt.: „ich was“; „Froſt“ ꝛc. neben „frieren“, ahd. vrio-
san; „Verluſt“ neben „verlieren“, ahd. varliosan, vgl.:
Wer die Welt erkieſet, | daß er Gott verlieſet. Zinkgräf
1, 154 ꝛc., ſ. Kur, küren und z. B.: „Churfürſten haben
. Gewalt einen römiſchen Kaiſer zu erkieſen und um
ſolcher Erkorungwillenwerden ſie zugenennt Churfürſten,
als in deren Willkur ſtehet ein Kaiſer zu ernamſen“.
Stumpf 312a. Die Formen: „ich kor; habe gekoren“
werden heute zu dem jetzt ſelten ſchwachformigen „küren“ ge-
zogen. Selten und alterthüml.: Er hat ſich die güldene
Kron’, | ich den Blumenkranz mir erkoſen. Uhland 262;
und öſtreich.: Ich hab mir dieſe Seel’ für eine Feſtung er-
kieſen. SClara EfA. 2, 686; Der von dem Himmel abſon-
derlich erkieſene Kaiſer Rudolf. Derſ. (Wackernagel 3, 1, 906
Z. 1 2); Zum Bannerträger iſt der Thurm erkieſen. Grün
Sch. 41. K. wie Zſſtzg. gilt heute nam. in der gehobnen
Rede, zumal der Dichterſpr., daher komiſch, nam. in Ver-
bindung mit dem Schwanken in der Form: Daß ich Sie zu
meiner Hausfrau erkoren, will ſagen erkieſt. Benedir 10,
49; doch gw. (Schiff.): Einen Hafen k. = einlaufen; Die
Räumte (ſ. d.) k. = in See ſtechen. Zum ſelben Stamm
gehört: koſten, ahd. chostön, mhd. kosten, unterſuchen,
prüfend ſchmecken, vgl. mundartl., veralt.: Der Kieſer,
Bier-, Branntwein-, Weinkieſer ꝛc., der ver-
pflichtete Unterſucher des Getränks. Schm., ſ. goth. kustus,
Prüfung, ahd. chust, mhd. kust, Prüfung, Befund und vgl.
als urvwdt. gr. γEύoμὸαe, lat. gusto (ich ſchmecke, koſte).
S. auch frz. choisir (wählen). Diez 594.
Zſſtzg. ſ. die von küren und wählen, z.B.: Āūs-:
So kieſ’ er ihn [den Weg] ſich aus. Kl. 12, 410; Glück hat
zu ſeinem Kinde Sutrinum ausgekieſt. Logau 981; Gryphius
383 v. 402; Waldis Eſ. 2, 27. Er-:. B. 73a; Aus
den Schriften .. Dasjenige e. und ausleſen, was zu ihrem
Vortheil dient. Fiſchart B. 35a; Alles ... kürt ſich im Saale
ſein Plätzchen; | zum Drehen und Walzen und luſtigen Hopp |
erkieſet ſich Jeder ſein Schätzchen. G. 1, 158; Gotter 2, 52;
Haller 91; Nach erkieſten Gründen. L. 1, 179; 5, 113
(Logau); Daß ſie die Laſter oft für Tugenden e. Lichtwer 105;
Ein ſchlankes Nymphchen war erkieſt, | ſie nach der Kunſt zu
ſchmücken. Matthiſſon A. 7, 68; Mendelsſohn Pſ. 78, 70;
89, 21; Erkieſeten ihn zum Herzog. Muſäus M. 3, 28;
Rückert 2, 479; Mak. 1, 146; Ihm erkieſten jüngſt die
Achaier ein Mägdlein zur Gabe. Stolberg Jl. 18, 445; 19,
236; Stumpf 311a; 358a; Tieck Cymb. 4, 2; V. Sh. 3,
414; Werner Oſtſ. 1, 9; Noch hatte ſie Amathunt nicht zu
ihrem Sitz erkieſt. W. 3, 69; Ein Gott erkieſte ſich ſolchen
Ort | zum Aufenthalt. 11, 29; E. durch ein ſ. g. heimliches
Mehr die Anzahl von Volksrepräſentanten. 32, 240 ꝛc., ſ.
[Anm.]. Im Partic. in Zſſtzg.: Konſtantin, du großer,
got t erkieſter [gotterkorner, von Gott erkieſter]. Moſen
Ah. 86 ꝛc. Ferner Doppelzſſtzg.: Aus-e., z. B.: Ein
tapfrer Geiſt erkieſt | ihm ſtets ein Höhers aus. Fleming 110;
Ob nicht der Vogel euren Strauch | zu ſeinem Sitze auser-
kieſt. Lenau 2, 139; Mühlpforth 2, 7; Das Volk, das du dir
auserkieſt. Opitz 2, 46; Zum Schlachtlamm auserkieſt. Scul-
tetus (L. 8, 294) ꝛc. Ver-: (veralt.) auf Etwas
nicht achten, es aufgeben ꝛc. (ſ. Benecke 1, 825): Alte
Freunde ſoll man nicht ver-k. (Sprchw.). Schottel 1131aꝛc.