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Kern
Kérn, m., –(e)s; –e; –chen, lein; -: 1) ein Sa-
menkorn, das im Keim die Pflanze enthält, z. B.:
[Ceres] nimmt von ihres Kranzes Spitze | einen K., mit Kraft
gefüllt, | ſenkt ihn in die zarte Ritze | und der Trieb des Kei-
mes ſchwillt. Sch. 55b. Gw. gilt ſo „Korn“ (ſ. d.) u.
K. bez. den Samen nur inſofern er umhüllt und ein-
geſchloſſen iſt, im Ggſtz. zur Hülſe, Schale ꝛc., ſo z.B.:
K–e der Weintrauben ꝛc., in der Hülſe der Beeren ent-
halten, von Äpfeln, Birnen ꝛc., im Griebs, von
Pflaumen, Kirſchen ꝛc., im weitern Sinne der von dem
Fleiſch umſchloßne Stein, im engern der in der
Schale befindliche Samen, und ſo auch: K–e von Nüſſen
ꝛc. Botan. heißt K.: nucleus, das Jnnre eines
Samenkorns, d. i. alles von den Samenhäuten Ein-
geſchloßne, ſo auch im gw. Leben: Der Weizen hat einen
ſchönen K. ꝛc. und wenn auch in Süddeutſchland (ſ. o.)
die Körner des Getreides K. heißen, ſo gilt dies doch
auch hier gewöhnlich nur (kollektiv), inſofern ſie von
der umhüllenden Spreu befreit ſind und beſ. für ent-
hülſtes Getreide, inſonderheit für derartigen Dinkel (ſ.
Feſen und vgl. Schm. u. Stalder „Kernen“, m.; Der
Sack Kernen. Hebel 8, 232; 236 ꝛc.). So nach Adelung
auch kollekt. für Gries und Grütze von Getreide.
2) (ſ. 1) erweitert, das Innre andrer Pflanzentheile,
z. B.: Der K. der Artiſchocken, Salatköpfe ꝛc., namentl.
aber auch das Mark (medulla) im Holz und dann das
dieſem zunächſt liegende derbe und feſte Holz im Ggſtz.
des lockrern und weichern Splints, z. B. auch: Preis,
Nymphe, dir! dein Kraftquell ſieget, | wann Außengluth den
derben Baum umlodert, | doch tröſte Gott den Hausherrn,
der noch hofft [auf Geneſung], | ſobald der K. in Schwell
und Ständer modert. B. 69b ꝛc., ſo auch die feſte, derbe
und tüchtige Beſchaffenheit von Leder, Zeugen ꝛc., vgl.
kernig, kernhaft und K. als Bſtw. in Zſſtzg. wie: K.-
feſt, -geſund, -Mann ꝛc.; Welch ein K.-Teufel ſcheint in ihm
zu hauſen. Chamiſſo 5, 134; ſ. 3 (Rückert Nal.). 3) (ſ. 1)
bildl. und übertr., im Ggſtz. der Schale, Hülſe ꝛc. als
des Außern, das Jnnre, nam. das den weſentlichen In-
halt von Etwas Bildende, etwas Gehaltvolles, Echtes,
Tüchtiges, das Beſte, Vorzüglichſte ꝛc., z. B.: Durch
die Häßlichkeiten und Verkehrtheiten hindurch zur Hoheit des
ewig Menſchlichen zu dringen und ſich dieſen K. rein heraus-
zuſchälen. Auerbach SchV. 36; Biſt ja mein Herz, biſt mei-
nes Lebens K. Chamiſſo 4, 170; 6, 71; Aus den lieblichſten
Blümlein der röm. Bücher den innerſten kräftigſten Saft und
K. zuſammengetragen. Fiſchart B. IIb; Ins Innre lugend, |
verfault erfand ich alles Weſens K. Geibel (D Muſ. 5, 1, 26);
Natur hat weder K. noch Schale, | Alles iſt ſie mit einem
Male. | Du prüfe dich nur allermeiſt, | ob du K. oder Schale
ſeiſt. G. 2, 304; Das iſt der K. des Stücks, | iſt die Moral.
8, 159; Das alſo war des Pudels K.? [ſteckte in ihm] |
ein fahrender Skolaſt. 11, 55; Dieſe Prediger ſtumpften
ſich die Zähne an den Schalen ab, indeſſen ich den K. genoß.
17, 142; 18, 137; 22, 148; Auch bis in ihren innerſten
K. nicht das mindeſte Gute in ihr zu finden. 230; Das Rit-
tergut, | der Erbſchaft K. Hagedorn 2, 295; Man ſucht in
dir den K. der Güter | und findet Nichts als leeren Schein.
Haller 9; K. und Stern. Hippel 1, 43; Die rauhe Hülſe um
den K. des Lebens . . iſt der Staat. Hölderlin H. 1, 53; Daß
die reichsadligen Anmaßungen nicht den K. und die Kraft
Deutſchlands bilden. Laube DW. 5, 190; Er blitzte mit ih-
rem [der Augenſterne] leuchtenden K–e (ſ. 5a). Rückert
Mak. 1, 61; Erlas er Roſſe von hartem K. [ſ. 2]. Nal.
231; Herb’ iſt des Lebens | innerſter K. Sch. 51b; Aus dem
felſigen K. hebt ſich die thürmende Stadt. 75b; Es nimmt
. den K. und Ausbund unſres Werthes weg. Schlegel Haml.
1, 46 (Luther 8, 258b); Doch zum K. der Sache. 4, 7; W.
12, 3; Zinkgräf 1, 141; 160 ꝛc. 4) (ſ. 3) ſo auch
von Perſonen, die Vorzüglichſten, Auserleſenſten in ei-
ner Menge (Elite, vgl. Kreme u. 17) ꝛc., z. B.: Der
K. der Bucklichten. Hagedorn 1, 128; Der K. der Tapferſten
birgt ſich in dem Gebäude. Sch. 28b; IESchlegel 1, 433;
Nur bloß die Wichtigſten gebeten, | den K. der ſchönen Welt
an Alter, Geiſt und Rang. W. 12, 49; 51; Der K. der
Truppen ꝛc. Zuw. auch (ſ. 12) eine Perſon oder Ge-
noſſenſchaft, an die als den Mittelpunkt ſich andre an-
ſchließen ꝛc., z.B. G. 24, 171. Ferner vielfach (wo-
bei theilweiſe andre Stämme einfließen) in techn. An-
wendung, ſo nam.: 5) Anat.: K. [das Innre] der
Kryſtall-Linſe ꝛc. 6) Artill. (ſ. 14) die Seele eines
Geſchützes, in gleicher Dicke von der Mündung, im
Ggſtz. zur Kammer (ſ. d. 7). 7) Arzn.: K. eines
Harnſteins, ein Körper, worum ſich der Harnſtein anſetzt
und bildet, ſ. 12. 8) Aſtron.: K. der Sonnenflecken,
der innre ganz ſchwarze Theil; Der koncentriertere Theil
[der Kometen], welchen wir Kopf oder K. zu nennen pflegen.
Humboldt K. 1, 90; 106 ꝛc. 9) Bergb.: a) K., ſpä-
tiger Eiſenſtein. Nemnich. b) Erz auf den K. rein ma-
chen, im Waſchen alles taube Gebirge abſondern.
10) Bildh. = Seele (ſ. d. u. vgl. 6). 11) Bor-
tenweb. ꝛc.: die Art der geſponnenen Gold- u. Sil-
berfaden, wo die Seide noch etwas unterm Lahn vor-
ſcheint. Krünitz 9, 474. 12) Chem.: Das, worum
als Mittelpunkt Etwas kryſtalliſierend ſich anſetzt, vgl.
4 u. 7. 13) Gärb. (ſ. 2). 14) Gießer.: der
die Höhlung beſtimmende Formtheil. G. 31, 284; Kar-
marſch 2, 112; 114; Mitſcherlich 2, 2, 92; Aus der Hülſe
blank und eben | ſchält ſich der metallne K. Sch. 80a ꝛc.,
vgl. K.-Drücker; Hemde 4a und Mantel, ſo bei Ge-
ſchütz, das „über den K. gegoſſen“ wird, von der Ge-
ſtalt der Seele (ſ. 6), während es jetzt freilich meiſt
maſſiv gegoſſen und dann gebohrt wird. S. auch 23.
15) Glaſer: am Fenſterblei der innre feſte Theil
zwiſchen den beiden Nuthen. 16) Inſtrumenten-
mach.: bei Orgel- u. Schnabelpfeifen der das Labium
bis aufeine enge Ritze ausfüllende Theil. 17)Land-
wirthſch.: der Rahm der Milch, beſ. der ſüße (vgl.
4 u. Krême), dazu: kernen = buttern. 18) Mül-
ler: das feinſte, weißeſte Mehl, K.-Mehl. 19)
Pferdek.: a) der vom Huf umſchloßne Theil des Fu-
ßes: Der K. ſchwindet, vgl. Hufſchwund. b) K., Boh-
nen-K., ſ. Bohne 4c. c) Querfurche des Gaumens,
„Gaumerſchlaffung“. Falke; In der Feifel pflegt man den
Pferden den dritten K. zu ſtechen. Adelung; Fleming J. 205b,
auch übertr.: Den K. zu ſtechen und den Schaden zu bren-
nen, bevor das Gift weiter greift. Goltz 2, 98. 20) Pul-
verfabr. = Korn (ſ. d.): Das Pulver iſt gut von K.,
beſteht aus guten, feſten Körnern, iſt gut gekörnt.
21) Schlachter: derbes, feſtes Fleiſch (ſ. 2), nam.
Bruſt-K. 22) Schloſſer: ein Eiſen, die Geſenke
[ſ. d.] damit zu machen. 23) Schriftgieß.:
[ſ. 14] im Gießinſtrument eine auf der vordern Fläche
des Bodenſtücks liegende, genau rechtwinklige, länglich
viereckige Meſſingplatte, deren Dicke dem Kegel, de-
ren Höhe der Höhe der zu gießenden Lettern entſpricht,
ſ. Karmarſch 3, 177. 24) Seifenſied.: Die Seife
zum K. oder klar ſieden [ſ. 2], ſie zu einer minder ſchau-
migen, gleichförmig geſchmolznen blaſenfreien Maſſe zu
vereinigen. 261, vgl. K.-Seife. 25) Tuchm. [ſ. 2].
26) Uhrmach.: a) eine runde Eiſenſcheibe, die
Zähne der Kronenräder darüber umzubiegen. b) eine
Vorrichtung an Weckeruhren zur Auslöſung des Weckers,
„Nuß“. 27) weidm.: Fleiſch, inſofern es für
Menſchen nicht eßbar iſt, (gedörttes) Fallfleiſch oder
Luder für die Hunde. Laube Brev. 267; ſo: K. zupfen,
nach beendeter Jagd den Hunden ſolches Fleiſch zupfen
und vorwerfen. 28) Zoolog.: z. B. Art Archen-
muſchel, Arca nucleus; Art See-Jgel, Filaria
nucleus.
Anm. Ahd. chërno, mhd. kërn(e), vgl. goth. kaurnô,
wie kaurn, ahd. chorn, mhd. korn (Korn), dem lat. granum
entſprechend. Dem mhd. kerne mit ſchwacher Flerion ent-
ſpricht oberd.: Der Kernen (ſ. d.) und z. B.: Die Schale
hält ihn auf, er kömmt nicht bis zum K–en. Haller 78 (ſpätre
Lesart: zu den K–en); Rollenhagen Fr. 74; Eines Rinds
Bruſtkernen. Stumpf 610b; fem. z. B. Reithard Gart. 2,
141, auch neutr. und ſo die Mz. auf „er“ (ſ. d. und vgl.
Körner), z. B.: Mit Pflaumenkernern. Alexis H. 1, 2, 197;
Nbnf.: Mandelkeren. Ryff Th. 54. Mundartl. ſtatt
Kerbe (ſ. Brem. Wörterb. 2, 741), ſo vielleicht auch 19c, ſ.
Kerner. Zu 27 vgl. lat. caro, carnis, Fleiſch, und das
mundartl. Gerner (carnarium), Beinhaus ꝛc. Schm. 2, 66.
Zſſtzg. vielfach, z. B. zu 1 nach den verſch. Pflan-
zen und Früchten: Apfel-, Birn-, Kirſch-, Pflaumen-, Pfir-
ſich-, Nuß-, Mandel- ꝛc., Samen-, Frucht-K. ꝛc., manche
auch übertr., z. B.: Bōhnen-: ſ. o. und [19b].
Brúſt- [21]: Schafe, an welche bloß der B. heraus ge-
freſſen war. Tſchudi Th. 445. Dáttel-: ſ. o., übertr.
(ſ. Dattel) = Schmetterlingspuppe: Ein Sommer-
113*
vögelchen, wenn es die morſchen Schalen | des D–s zertrennt.
Brockes 1, 218; 7, 338; 8, 174. Fílz-: Hutmach.,
dickes, gutgeleimtes Papier, das beim Fachen der Haare
zwiſchen 2 Fache gelegt wird. Karmarſch 2, 280, Filz-
kegel. Granīt-: granitfeſter Kern, ſ. [2 u. 3]:
Der G. alles geſunden Staats- und Völkerlebens. Auerbach
Leb. 2, 8. Hēīden-: eine Pflanze, Tormentilla
erecta. Komēt- [8]: G. 15, 173. Kryſtalli-
ſatiōns- [12]. Lēhm- [14]: ſ. Kerndrücker.
ūr-: der eigentliche, urſprüngliche Kern. Immermann
M. 3, 149; Kohl A. 2, 25. Vitriōl-: vgl. [20]
Abgang von Vitriol in Körnern u. ä. m.