Faksimile 0905 | Seite 897
Faksimile 0905 | Seite 897
Faksimile 0905 | Seite 897
Kennlnis
Kénnlnis, f.; –se (n., –ses; –se):
1) das Wissen von und um Etwas: K. (Kunde, Wissenschaft s. d. —) von Etwas haben, bekommen, erhalten; Etwas kommt mir zur K. oder zu meiner K., Kunde, Wissenschaft etc. Die Ausdrücke grenzen sehr nahe an einander, doch ist mit K. mehr eine Thätigkeit, nicht bloß eine Empfänglichkeit verbunden, daher z. B.: K. [seltner: „Kunde“ Campe] von Etwas nehmen. W. 16, 107 etc., ferner bezieht sich „,Kunde“, an das sinnvrwdte „Nachricht“ sich anschließend, immer auf eine Einem gewordne Mittheilung, die sich darauf beschränken kann, daß Etwas ist, während „K.“ und „Wissenschaft“ sich auch auf ein auf uns selbst entwickeltes Wissen beziehn kann und das Wie mit einschließt (s. 2): Wir haben Kunde von der gelieferten Schlacht; doch fehlt uns noch jede nähere K. (oder Wissenschaft) von den einzelnen Umständen.
2) insbesondere ein einer Wissenschaft oder Kunst gemäßes und sich darauf beziehendes Wissen. K–se gehören zur Wissenschaft, bilden die Grundlage derselben, sind aber nicht die Wissenschaft selbst. Diese kann, wie z. B. die Philosophie, die Mathematik, etwas nur aus dem Geist Entwickeltes sein; insofern sie aber auf Erfahrung beruht, als Etwas, das Einem „kund“ wird, heißt sie auch, doch gw. nur in Zsstzg. mit beigefügtem Bstw. „Kunde“. Diese ist also umfassender als K., welche nam. auch im Ggstz. zu der Ausübung (Praris) das bloße Wissen (die Theorie) bez., z. B.: Die Stern- kunde (Astronomie) ist eine Wissenschaft, zu der viele K–se gehören, darunter die Stern-K. (Astrognosie) oder die K. der Sternbilder, ferner nam. mathematische K–se; Er hat schöne medicinische K–se, aber es fehlt ihm jener praktische Blick, den kein der Heil kunde Beflißner bei Ausübung seiner Kunst entbehren kann; Die Aufspeicherung mannigfacher K. Danzel 72; Jene K. ist keine Erkenntnis, sondern ein bloßes Auswendiglernen von willkürlichen Wortzeichen. Fichte 7, 407; Wenn auch [in der Düsseldorfer Bildergallerie] nicht eben meine Einsicht vermehrt wurde, meine K. ward doch bereichert und meine Liebhaberei bestärkt. G. 22, 222; Daß diese Wissenschaft selbst damals noch gar nicht Wissenschaft, nur erst äußerliche K. war. Prutz DM. 1, 2, 341; K–se in einer Wissenschaft; K. einer Wissenschaft; Ohne K. der Eigenthümlichkeiten, objekt. Genit. = ohne die E. zu kennen, so auch: Gewöhnlich meint man, wer eines Lehrgegenstandes Meister, sei schon ein Lehrmeister, mit der K. der Schüler [damit, daß er die Schüler kenne] nimmt man es nicht so genau. Raumer Päd. 3, 1, 164, dagegen: Die K. der Schüler [subjekt. Genit.] in diesem Fach ist sehr gering etc. Dem objekt. Genit. entsprechen Zsstzg., z. B.: Ich habe die größte Achtung vor der Geschäfts-K. eines Londoner Hauses. Gutzkow R. 7, 130; Reinere Gottes-K. [religiöse Ideen] verbreiten. Campe; Daß hier die Achse der ganzen Kunst-K. befestigt sei. G. 30, 25; Unser Freund, der auf Menschen-K. ausging, wollte die Gelegenheit nicht versäumen, die große Welt näher kennen zu lernen. 16, 180; Ein Diplomat von großer Welt-K.; Diese berühmte Welt- K. Knebel 3, 55; Durch meiner Feinde Heer gewinn’ ich an Selbst-K. und durch meine Freunde werd’ ich beschuppt. V. Sh. 2, 385 u. ä. m.
Anm. Oberd. veutr., z. B. Haller 135; 173; Vorr. 8 (aber fem. 153 etc.); Zimmermann Nat. 17 etc., welches Geschlecht hochd. sich in einigen der folgenden Zsstzg. (s. d.) behauptet hat, vgl. Nis; niederd. Kennis auch = Bekanntschaft.
Zsstzg. s. 2, ferner (vgl. die von kennen): Be-, n. (f.): das Bekennen und die bekennende Aussage und Formel (nam. religiös): Ein B. ablegen, thun, machen (G. 15, 19); es Einem abzwingen, von ihm erpressen (Ber- lichingen 149) etc.; Jst das B. gnug, daß uns die Sünde reut? Gellert 2, 178; Die Erkenntnis der lutherischen Lehre und ihr B. Gervinus Lit. 3, 86; Wir haben sein [Glaubens-] B. L. 11, 30 etc., so auch in Zsstzg.: Was wir überliefern von Glaubens- und Sitten-B. G. 18, 182; Schuld-, Sünden-B.; Bei dem Letztern finden wir die Gesinnung der Erstern, aber schon als Überzeugungs- B. erstarrt und leidenschaftlich parteiisch überliefert. G. 39, 13.
Anm. Oberd. und bei Ältern: Bekanntnus, fem. z.B. Fischart B. VIb; Luther 6, 361b; Zeitschr. f. d. Recht 13, 434; 441 etc. (neutr. Berlichingen 149), auch B. fem., z. B. Luther 5, 147a; 291a; 6, 17b; 307b; 378a; 484a (dagegen neutr. 116b; 117a; 378b); Matthestus Pr. 114; Zinkgräf 1, 150 etc. Er-:
1) fem.: (abstrakt) die selbst thätig in Etwas eindringende Kenntnis; die Beziehung einer Vorstellung auf Etwas, wodurch es als ein Bestimmtes von Andrem unterschieden wird; danach auch zuw. = E.-Vermögen und Bereich desselben: Kenntnisse lassen sich mittheilen, E. aber ist immer das Ergebnis eigner geistiger Thätigkeit; Die E. des Irrthums ist der erste Schritt zur Wahrheit; Die lebendige E. des Fehltritts wirkt Besserung; Ich hoffe, er kommt bald zur E. seines Unrechts und bessert sich; Zur E. der Wahrheit kommen, gelangen; Eine tiefe, klare, deutliche, anschauende E. von Etwas haben, gewinnen etc.; Die Ungewißheit der menschlichen E.; Das ist über seine E. etc.; Wachset in der E. Gottes. Kol. 1, 11; Seine E. zu erweitern. Forster R. 1, 51; Die mit Kant behaupteten, wenn gleich alle unsere E. mit der Erfahrung angehe, so entspringe sie darum doch nicht eben alle aus der Erfahrung; die E–se a priori etc. G. 40, 420; Mir vornehm zwar Kenntnis, aber keine E. Lessing’s zugestanden. Guhrauer L. 2, 122; Der E. nach sind wir Engel und dem Leben nach Teufel. L. 11, 27; Nur durch das Morgenthor des Schönen | drangst du in der E. Land. Sch. 22b; Eine Religion nicht des blinden Glaubens, sondern der helläugigen freien E. Stahr Par. 2, 209; Die mich irre macht in allen meinen E–sen. Tieck NKr. 2, 300 etc. So auch in Zsstzg., z. B. nam.: Daß auf Selbst-E. das Selbstbewusstsein beruhe. Burmeister gB. 2, 97; Als sein Ehrgefühl von der Selbst-E. litt. Lewald W. 2, 182 etc.
2) neutr.: das gefällte Urtheil, nam. ein richterlicher Spruch, ein gefaßter Beschluß, z. B.: Ap. 25, 21; Für die E. (1) seines krankhaften Geisteszustandes gegen das rechtskräftige Straf-E. kann er Nichts thun. Ule Nat. 3, 164 etc.
3) dazu Doppelzsstzg.: An-E. = Anerkennung, z. B.: Lehren, zu deren A. der Leser die Mühe seiner Fabelreise schwerlich bedurfte. H. 13, 34, wor- aus das Geschlecht nicht erhellt, ebenso wie Fichte 8, 117 etc., dagegen fem. Bettine 1, 220; 354; Brentano Fr. 1, 324; G. Zelt. 4, 65; Heine Lut. 1, 31; 115; Monatbl. 2, 236a; D Museum 1, 1, 59 (Auerbach); 1, 2, 561 (Carus); Prutz GschTh. 390 etc., dagegen neutr.: Das A., daß man in jeder Partei ein rechtschaffner Mann sein kann. Forster Br. 2, 609; Müllner 4, 225; Prutz GschTh. 79; DMus. 1, 2, 513; HSmidt Devr. 120; Tieck NKr. 2, 85; Waldau N. 3, 97 etc. Vor-E., gw. Vorkenntnis, z. B.: Wenn er diese Vor-E–se einmal hat. JvMüller 14, 411 etc. Wieder-E., gewöhnl. Wiedererkennung: Indeß ereignete sich .. ein Auftritt von Wieder-E. W. 15, 161 etc.
Anm. Das über das Geschlecht in 1 und 2 Bemerkte (s. Nis) ist das im Hochd. heute Gw., doch fanden sich früher häufig und finden sich noch jetzt nicht selten Abweichungen, z. B. in der Bibel (s. Konkordanzen) und danach nicht bloß z. B.: Vom Baum des E–ses. 27, 428; IP. 21, 158; Börne 2, 257, neben: Von dem Baum der bösen E. 135; sondern auch in Bed. 1 neutr.: Dies Geheimnis einzusehen stehet mein E. still. Brockes 9, 28; Mit dem E. seiner Unwürdigkeit. Engel 8, 7; Fichte 7, 12; Nach fröhlichem E. | erfolge rasche That. G. 3, 56; Die s. g. untern Seelenkräfte, das sinnliche E. H. 9, 333; Von einem E. nach Begriffen. Kant Kr. der Urth. X; VIII; XII etc. neben: Die Principien 113 der Vernunft-E. der Dinge. X etc. (s. u.); E. a priori, von ihnen sinnreich das Vonvorn-E. genannt. Buchm. 20; Luther 5, 13a; 8, 301a; 6, 351a; 176b; 178b; Diese E. Christi [objekt. Genit.] ... Das bloße E. .. Nach und aus dem E. folgen Werk. 177b; Sturz 2, 350 etc. und selbst wo es in den frühern Ausg. hieß: „Wann mit den Jahren nun auch die E. reifet“ (s. Haller 56) ist dies in den spätern in „das E.“ geändert etc. Dagegen findet sich auch in Bed. 2 das fem., z. B.: Wann eine E. oder eine Exekutionsverfügung ergangen. Erbvergl. § 384, neben: Den Ursachen des Verfahrens oder E–ses etc. 397; Der Triumph hing von der Senats-E. ab. JvMüller 1, 221 und veralt., mundartl.: Nach rechtmäßiger „erkantnuß“. Fischart B. 45a; Erkantnis sei keine ergangen [kein Gemeindebeschluß]. Gotthelf G. 27; Ohne vorgehende rechtliche „erkantnuß“. Stumpf 603b etc. Vgl. ferner: „Daß Kant noch zwischen den Worten das E. und die E. unterscheidet. Es ist zu bedauern, daß wir diese Differenz jetzt aus unserer philosophischen Terminologie verloren und das erstere Wort nur noch im Gerichtswesen für Endurtheil behalten haben. Daub hat das Neutrum in seiner Einleitung in die Dogmatik in unserm Jahrh. vielleicht [!] zum letzten Mal gebraucht und es könnte dieser Ausdruck wohl von Frischem Platz greifen. Rosenkranz (Kant SW. 1, XXI). Veralt. Bed., z. B. = Erkenntlichkeit: Mir wird hiervor ein ewiges E. gebühren. Spate VIII. Hálb-: halbe, nicht gründliche Kenntnis. über-: (ugw.) s. Vor-K. Vōr-: (gw. pl.) die zu einem Wissen vorbereitende, die Grundlage desselben bildenden Kenntnisse (s. Vorerkenntnis): Schriften, aus denen sich, wer nur einige V–se besaß, gründlich unterrichten konnte. G. 22, 101; 15, 7; 27, 95; Meine wunderlichen Vor- oder vielmehr Überkenntnisse. 21, 181 [die in das Gebiet der Mediein übergriffen]. Nach Campe auch = „vorläufige Kenntnis von Etwas“.