Faksimile 0899 | Seite 891
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keimen
Kēīmen: 1) intr. mit ,,haben“ und wenn die
Veränderung des Zuſtands oder auch des Orts hervor-
gehoben wird, mit „ſein“ (ſo auch auf-, aus-, ent-,
entgegen-, er-, hervor-k.): Keime treiben, und: als
Keim ſich entwickeln und ausbilden, wachſen, ſproſſen,
eig. und übertr.: Nachdem die Gerſte gekeimt hat, wird
ſie gedarrt; Die Gräſer waren eben aus der Erde [hervor-]
gekeimt, k–d hervorgetreten; Sah .., daß die Blätter ſich
ſchon gelb färbten .., gedachte des Frühlings, in dem ſie ge-
keimt [k–d entſtanden] waren. Gutzkow 11, 345 ꝛc.; Hoff-
nung keimte in dem Buſen mir. Beer Arr. 13; Keimt ein
Glaube neu, | wird oft Lieb’ und Treu | wie ein böſes Un-
kraut ausgerauft. G. 1, 188; Seiner Saaten k–der Genuß.
13, 286; Ich nährte gern dieſe k–den Gefühle. 35, 148;
39, 380; Aus dem Herzen keimt des Guten Same. Haller 93;
Daß in dem Jüngling ein Mann keimt. Klinger Teutſch. 102;
Unter morſcher Särge Brettern | keimt die neue Blume [der
Freiheit] ſchon. Platen 6, 16; Dieſe .. Tugenden [ironiſch],
die im Vaterſöhnchen keimten. Sch. 104a; 76a; Bald nun
keimten die Kiele zugleich wie gebrüteten Vöglein. V. Ov. 2,
4; Hier ſieht man ... die Edelſteine k. [wachſen, ſich bil-
den]. W. 12, 311 ꝛc. 2) tr.: a) k. machen, als Keim
hervortreiben, vgl. ſproſſen, z. B.: Als du, grün im
Sonnenſchein, | junger Lein, | blaue Blumen keimteſt. V. 3,
133 (ſelten). b) Brauer.: k. machen, zum K.
bringen: Die Gerſte wird gekeimt [gequellt] und dann ge-
darrt; Diaſtas, welches ſich in gekeimten Getreidekörnern vor-
findet. Karmarſch 2, 2 ꝛc. 3) Dazu (1 und 2): Bei der
künſtlichen Keimung auf der Tenne. 1, 200 ꝛc.
Zſſtzg. meiſt zu 1 vielfach, vgl. die von ſproſſen,
wachſen ꝛc., z. B.: Áb-: aus-k. (2) und ent-k. (2b).
Án-: anfangen zu keimen; keimend anwurzeln:
Bedecke die Fächſer mit Erde, damit ſie kräftig a. Landwirthſch.
Ztg. (55) 469a. Āūf- (ſein): keimend aufſchießen,
aufgehn, empor-k. ꝛc.: Strack aufgekeimte Baumwollſtau-
den. G. 19, 134; Bei uns, was vegetieret, | Alles keimt
getrocken auf. 1, 118; A–de Talente. 3, 162; 17, 3;
Leidenſchaften. 18, 283; Unterdrückten wir ein a–des Mur-
ren? 26, 225; Die Frage ließ einen Zweifel nach dem an-
dern a. 25, 105; Wie auch in ihm eine ſtille Neigung gegen
ſie aufzukeimen anfing. 16, 209; Die [das] a–de Mißver-
ſtändnis nahm zu. JvMüller 1, 322; Kunſt, .. durch welche
. erſchlagenen Rindern | Schwärm’ aus verweſendem Blut
aufkeimeten. V. Georg. 4, 285 ꝛc.; Ein Beweis der Auf-
keimung edler Gefühle im Volk. Kant Buchm. 12.
Āūs-: 1) Keime heraustreiben: Ausgekeimte Gerſte ꝛc.
2) ganz zu Ende keimen, ab-k. Empōr-: ſ.
auf-k.: Im .. Raſen | keimeten Veilchen empor. Baggeſen 1,
167; Geßner 1, 34; 81. Ent-: 1) intr.: ent-
ſprießen: Friſche Kräuter | e. ſtets des Pilgers Fuß. Reit-
hard 15; Blumengold entkeimt der öden Gruft. Salis 21;
Wo er meinte, zu verheeren, | entkeimet Segen deinem Lauf.
Schwab 85; Jedem zarten Triebe, | der ihm [dem Kind] ent-
keimt. W. 20, 230 ꝛc., zuw. ohne Dat. = keimen: Ger-
trud’s erhabne Seele entkeimte in ihm. Peſtalozzi 4, 241;
Das entkeimte Gras. Salis 80; Daß ſie [die Saat] e. werde |
zum Segen. Sch. 79a. 2) tr.: a) [ſelten 2a]: Des
Geſchickes Gunſt entkeim’ [laſſe e.] | unerſättliches Weh dem
Enkel. WHumboldt 3, 58. b) der Keime berauben, ſie
ausbrechen: Kartoffeln e. oder ab-k. Entgêgen-:
Fühlt er Alles voraus, | was ihm für Seligkeit | entgegen-
keimte. G. 2, 39. Er-: ſich keimend erſchließen, zu
keimen beginnen, vgl. erblühen, ergrünen ꝛc.: Mein
Vaterland | freut ſich Deß und erkeimt. Baggeſen 2, 52; Das
Gefühl, das ſtill erkeimt, | das nicht zu blühn, zu duften
wagt. Gottſchall G. 18; Neu erkeimt des goldnen Alters
Blüthe. Streckfuß Rol. 3, 18 ꝛc. Fórt-: weiter kei-
men. Herāūf- ꝛc.: empor-k.: Betrachtungen, wie
ſie einem h–den guten Geiſte wohl geziemen. G. 27, 91.
Hervor-k–de grünende Blätter. Hackländer Sold. 17; Was
nicht von innen keimt hervor [heraus], | iſt in der Wurzel
ſchwach. Uhland 119. Um-, tr.: keimend umgeben,
umſproſſen: Als kaum jugendlich Haar ihm Lipp’ und
Schläfen umkeimte. V. Th. 11, 9; Grün Gd. 163 ꝛc.
Ver- [2b]: keimend verderben ꝛc.: Das Malz iſt ver-
keimt ꝛc. U. ā. m.