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Keim
Kēīm, m., –(e)s; –e; –chen, lein; -:
Das, was ein künftiges Wesen, etwas Werdendes in sich schließt und woraus unter günstigen Umständen sich dieses entwickelt und hervorgeht:
1) von Pflanzen Embryo, corculum, blastema, die entwicklungsfähige Pflanze im Samen (Pflanzen-, Samen-K.) etc.: Es schläft ein K–chen im mehligen Körnlein etc. Echtermeyer 368; [Ceres] nimmt .. einen Kern | mit Kraft gefüllt, | senkt ihn in die zarte Ritze | und der Trieb des K–es schwillt. Sch. 1, 239 etc., ferner: Schon bricht der kleine grüne K. des neuen Wachsthums in den Zweigspitzen der Sträucher und Bäume hervor. Gutzkow R. 6, 249; Blatt-K., was andrerseits auch bei dem Samen-K. den aufsteigenden Theil, das Federchen, Plumula bez., ferner: Blüthen-, Frucht-, Wurzel-K., woraus sich die Frucht, die Wurzel entwickelt etc. Außer nach den versch. Pflanzen, z. B.: Bohnen- (vgl. auch Bohne 4c), Erbsen-, Gersten-, Kartoffel-K. etc. untersch. die Botanik mannigfach, z. B.: Faden-, Haut-K., jenachdem die Samenlappen faden- oder hautförmig zerreißen u. ä. m.; Der Same der Farrenkräuter, Schachtelhalmen u. s. w., welcher zuerst einen Zellenkörper, den Vor-K. bildet, aus dem das neue Pflänzchen entspringt. Schacht B. 11.
2) der Embryo eines Thieres; Das, woraus sich ein Thier entwickelt, hervorgeht, s. Oken 4, 301 ff. und vgl. Gude Leseb. 2, 18, z. B. auch: Was sie [diese Buttervögel] nachlassen, sind K–e verherender Raupen. H. 9, 331; Wie Vastola zwei Keimchen aufgelesen, | die ihr, Gott weiß woher, ein Zephyr zugeführt | und die, in ihrem Leib allmählich evolviert, | so weit gediehn, bis sie .. der Töchterchen .. genesen. W. 12, 14.
3) übertr.: Das, woraus sich Etwas entwickelt oder entwickeln kann; die ersten Anfänge von etwas sich Fortentwickelndem etc.: Eine Leidenschaft, einen Aufstand im K. ersticken; Den K. zu etwas Besserem enthalten. Danzel 74; Sie als Brautleute, obgleich noch sehr im K–e, verbargen doch nicht ihre Zärtlichkeit. G. 20, 210; Bringen wir den K. des Gebrestens mit. Heine Verm. 1, 293; Führe meine Begierden im K–e aus und befriedige sie, bevor sie Willen geworden. Klinger F. 68; Ging wie der k.-reiche Gedanke der That voran. Monatbl. 1, 311b etc. und so Zsstzg.: Ein schwacher Anfangs-K. Pesalozzi 4, 370; Gedanken-K–e. Daumer H. 2, 189; Sie [die Träume] sterben schon im Morgen-K–e, | ewig nimmer an das Licht zu blühn. Sch. 5a.
Anm. Ahd. chîmo, mhd. kime, von goth. keian (Luk. 8, 8) mit der Fortbild. keinan, ahd. chinan, mhd. kinen, sich auseinander spaltend keimen, woraus die Verwdtschaft mit gähnen (s. d., Anm.), gienen etc. = von ein- ander klaffen erhellt. Vgl. schwzr.: Der Keist= K.; Samēn und dazu: keisten = Onanie treiben. Die Mz.: „Die K–en“ z. B. noch Reichard Gart. 3, 161, der aber auch den Diphthong „äu“ anwendet (vgl.: Diesen Samen zum Käu- men zu bringen. L. 7, 51; Mühlpforth Hochz. 5, vgl. dagegen: kimmen. Ryff Th. 42): Der erste Käum. 1, 69 und das Femin., nicht bloß abstrakt (s. 3 = Keimung): Die aufgequollenen oder in der Käume stehenden Kerne. 2, 29, sondern auch: Ein subtiler Strich bei der Käume. 1, 10 etc. und als neutr.: Dringt ja ein K. hervor, | so heben ganze Haufen | von Händen sich empor, | es wüthend auszuraufen. Tiedge Ep. 1, 227. Veralt.: Das Coagulum, d. i. der K. oder Lipp [s. Lab, Anm.]. Ryff Th. 61; So man den K. oder Lipp nimmt von einem jungen Hündlein. 16 etc.
Zsstzg. s. o., selten mit Vors., vgl. Zsstzg. von keimen, z. B.: Unsere Alten begegneten dem Auf-K. solcher Leidenschaften durch Zuchtmittel. Jahn V. 176.