Faksimile 0878 | Seite 870
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Karren
I. Kárren, m., –s; uv.; Kärrchen, lein; -: 1)
ein leicht bewegliches, von einer Perſon zu ſchiebendes
einrädriges Fuhrwerk, eine Rad-Bahre oder -Berge,
zumeiſt ein Kaſten oder Behälter mit einem Rade, ſehr
häufig auch (z. B. in Mecklenburg ausſchließlich): die
Karre: Die einrädrigen Fördergeräthe [im Bergbau] nennt
man Karre (Laufkarre), die andern Wagen und Hunde.
Karmarſch 1, 174 ꝛc., ſ. Zſſtzg. Ferner: Einen
Verbrecher in die Karre oder in den K. ſchmieden, zur
Karre oder zum K. verurtheilen, zum Feſtungsbau,
ſo z. B.: Mit der Karre beſtraft. Erbvergl. Beil. 65; Ich
fürchte nur, daß wir im Karren eine böſe Figur machen
können. G. 10, 194 und übertr., ſprchw.: Bis dahin ich
nun noch in meinem K. ziehen muß. B. 467a, vgl. die Bſp.
in (2), da zumal bei Übertragungen die Bed. 1oder 2
nicht beſtimmt zu trennen ſind. 2) (ſ. 1) ein von
Zugthieren gezognes zweirädriges Fuhrwerk und zuw.
auch verächtliche Bezeichnung eines Fuhrwerks überh.
(ſ. Karrete), auch hier wie bei 1, doch ſeltner mit der
Nebenform: „Die Karre“: Da kommt ’was gefahren | auf
einem Wagen oder K. G. 6, 378; Nun kamen ſie mit allen
ihren K. . .. Ein Wagen berührte den andern. 29, 79; 5,
127; Den andern Tag erſchien der Karrn [der unſre Sachen
brachte]. 28, 312; Ein zweirädriger K. fuhr vorüber mit
grauem Verdeck. Gutzkow 3, 200; Armes Volk, wie Pferd
und Farren | bleibt es angeſchirrt am K. Heine Rom. 53;
Immermann M. 1, 386; Zu unſerem K. zu gelangen ..
Unſere Karre rollte .. durch die Straßen. Kohl Irl. 2, 177
180; 93; 1, 261; Borgte einen leichten K. .. Mit ſei-
ner Kutſche. Matthiſſon A. 9, 99; Nicolai 1, 277; Arbeitete
... ſich ... mit dem Ochſen und ſeiner Karre aus dem Wege.
Stilling 2, 42; Die karge Ausbeute eines ſteinichten Ackers
auf einem K. nach Hauſe zu führen. W. 18, 80 ꝛc. Viel-
fach übertr. und ſprchw. (ſ. 1), z. B.: Zieht der gries-
grämige Pietismus gleichfalls an einem K. mit der Kanzlei-
weisheit. Auerbach SchV. 138, vgl.: Gleichen Strang
ziehn; So beſchämt da ſtehn, wie ein Gaul, der ſeinen K.
umgeworfen. Fiſchart B. 1a; Wohlgeſchmiert und übel gefah-
ren, | ſo liegen wir alsdann unterm K. 261a; Dem Teufel
vom K. gefallen ꝛc. Gotthelf U. 2, 44; Sch. 66; 212 ꝛc.,
von einem ſchlechten Menſchen; Die zerbrochne Karre in
Gang gebracht. Holtei Lammf. 1, 318; Wer den K. in Dreck
geſchoben, mag ihn auch wieder herausziehn. Klinger F. 94
[ſeine Schuld büßen]; Den K. noch tiefer in den Dreck
ſchieben; Der K. hat ſich feſtgefahren. Prutz Muſ. 1, 30; Ich
bin es auch müde, ich laſſe den K. ſtehen. Sch. 197a, kümmre
mich nicht weiter drum; Hat ſeinen Haß wie man zu
ſagen pflegt auf einen andern K. geladen. König Kl. 3,
142, wartet auf eine andre Gelegenheit; So ſehne ich
mich .. aus dieſem ſchändlichen Autor-K., an dem ich no-
lens volens ziehen muß, ausgeſpannt zu ſein. W. Merck 2,
95; Es iſt ein angelegter K. Adelung, Spate, wohl verderbt
aus: eine angelegte Karte. 3) Buchdr.: Die ganze
aus dem Laufbrette, dem Fundamente und Kranze, der Form,
dem Deckel und Rähmchen beſtehende Vorrichtung heißt der
K., weil ſie in der Preſſe hin und her geſchoben wird, um
unter dem eigentlichen Preßapparat hinein- und nach geſche-
henem Abdrucke wieder herausgebracht zu werden. Karmarſch
1, 397. 4) Goldſchläg.: eine Vorrichtung, die
geſchlagnen Goldblättchen genau zu Quadraten zu
zerſchneiden, vgl. Quarré.
Anm. Ahd. charro (masc.) und charrâ (fem.), mhd.
karre, karn, vgl. Kar (ſ. nam. Meiſen-K.), lat. carrus, mit
vielen Ableit., ſ. Kar(r)ete, Kariole, Karoſſe, ferner: karikie-
ren, wie „chargieren“, zunächſt = beladen, Kargo ꝛc., Nbnf.
Karn (ſ. o.), verkl. Kärnlein. Spate; Das Poſtkärn-
chen. König Fam. 1, 29; Karch (ſ. d.); Die Kahr war
verfahren, als man mich in die Zügel greifen ließ. Gotter
3, 228; Den Kahren . .. in den Dreck kehren. Weidner
161; Ziehet der Grobheit Kahren. 107 = iſt im Joche der-
ſelben ꝛc., ſ. o. die Reime bei Fiſchart und G.; Zween Kärn
mit Wein beladen. Hammer RH. 378. Wortſpiel mit der
ſeltnen Verkl.: „Gott grüß dich, Kärlein“ [Kerlchen] .. .
Dank euch, Junker Wägelein. Zinkgräf 2, 70, vgl.: Wo will
man jetzo wohl ſo einen Karrels [Kerl] finden? Rachel 7,
546 ꝛc.
Zſſtzg. vgl. die von Wagen, namentl. nach dafür
[1 und 2] beſtimmter Ladung, z. B.: Dung-, Fiſch-,
Futter- (Lenau A. 110), Holz-, Kohl(en)-, Koth-, Miſt-,
Pulver-, Sand-, Schutt-, Torf-K. (oder -Karre), ferner
z. B.: Bāde- [1]: nam. in Seebädern, die Bade-
gäſte ins Waſſer, an die Badeſtelle zu karren. Monatbl.
2, 230b. Bāūer- [1 und 2]: Für den Erfinder der
Tragödie | wird Theſpis angeſehn. der ſeine Stücke | auf B.
durch die Dörfer führte. W. HBr. 2, 225. Drúck(er)-
[3]. Fléchten- [2]: mit ruthengeflochtnem Korb
oder Kaſten (Benne). Fūhr(manns)- [2]: ſ.
Laſt-K. und Kärrner. Kēūer-: Schub-K. beim
Deichbau, ſ. keuern. Kíppe- [1]: der durch Um-
kippen des Geladnen zu entledigen iſt, Stürz-, auch
Kumm-K., nach dem Kaſten oder dem Kumm.
Krān-: womit Gegenſtände zum Kran geſchafft wer-
den. Láſt- [1 u. 2]: Karren, langſam wie mit einem
L. fahren. V. 1, 189. Lāūf-: Bergb., Hüttenw.:
Schub-K. Mēīſen-: Meiſenkaſten, ſ. Kar: Aha,
der Vogel ſitzt im M. vHorn rhD. 2, 255. Mǖhl(en)-,
Müller(s)- [2]: Getreide nach, Mehlvon der Mühle
zu fahren. Pférch-: auf einem Karrn fahrbare
Hütte des Schäfers zum Ubernachten im Pferch.
Póſt- [2]. Schǟfer-: Pferch-K. Schīēb(e)-
[1], veralt.: Schaub-K. Rollenhagen Fr. 131.
Schīēß-: worauf die Karrenbüchſe (ſ. d.) zum Schie-
ßen von wilden Gänſen, Kranichen, Trappen ꝛc. be-
feſtigt iſt. Schínder- [2]: worauf der Schinder
verrecktes Vieh zum Schindanger fährt. Schūb-:
Schieb-K. Muſäus M. 5. 35 ꝛc. Stóllen- [1]:
Lauf-K. in den Stollen. Stürz-: Kipp-K.
Théſpis-: ſ. Bauer-K., oft Bezeichnung der Bühne
im erſten Stadium ihrer Entwicklung von wandernden
Schauſpieltruppen ꝛc.