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kalt
Kált, a., kälteſt: Ggſtz. von heiß (ſ. d.), wenig
(was natürlich immer relativ iſt) Wärme habend oder
erregend, eig. und übertr., vgl. Kühl: 1) eig.: Die
Suppe iſt zu heiß, laß ſie k. werden; Wer ſchmieden will,
darf das Eiſen nicht k. werden laſſen; K–e Bäder ſind ſtär-
kend und erfriſchend; Die k–e Zone; Im kälteſten Winter;
Bis Heiß und K. ſich dann zum Bad milchwarm miſchen.
Rückert BrE. 303; In K. und Hitz. Rollenhagen Fr. 49; Der
Ofen iſt kalt, es muß nachgeheizt werden; Die Stube iſt k.;
Es [die Temperatur] iſt in der Stube, draußen ſehr k., bitter,
grimmig k. ꝛc., mundartl.: Es macht (vgl. frz. il fait
froid) draußen barbariſch k. Holtei Lammf. 1, 131; Ein
k–er, ſchneidender Wind; Die Hände, die Füße ſind mir ganz
k., k. geworden, ich habe k–e Füße, habe k–e Füße bekommen
ꝛc., dagegen mehr mundartl. (vgl. frz. J’ai froid): Ich
ſaß auf dem Kutſcherſitz und hatte gar nicht k. [mich fror
nicht]. Bettine G. 1, 5; Gotthelf U. 1, 237; Sie haben [es
iſt bei Ihnen] k., ſchüren Sie doch. vHorn rhD. 2, 101ꝛc.;
Er liegt im Sterben, die Extremitäten ſind ſchon ganz k. ꝛc.,
daher: Ein Mann, den ſie mit raſchem Blei k. gemacht [ge-
tödtet]. Auerbach Tag. 227; Waldau N. 2, 6 ꝛc.; Erſieht e
[der Tiger] dich, ſo biſt du k. [todt]. Lichtwer 104; Thomas-
thor unſer! Gianettino k.! Sch. 174a ꝛc. Ferner: Der
k–e [k. machende] Tod, inſofern er durch das Stocken
des Bluts die Lebenswärme entweichen läſſt: In
dem k–en Tode | auszulöſchen meinen Flammenſchmerz.
Sch. 5b ꝛc., dazu: Ein k–er oder K.-Schlächter, Abdecker.
Ahnlich: Da packt die Andern k–er Graus. Uhland
380; Von k–em Schrecken todt. Gleim 4, 40; Der Schauer,
welcher mich mit k–er Angſt durchläuft. CFWeiße; Ein k–er
Schauer ꝛc., vergl.: K–er Schweiß. a) oft auch:
ohne Feuer, z.B.: K–er Schlag, nicht zündender Blitz;
K. rauchen (die Tabackspfeife). Benedir 5, 260; Rank Arm.
123 ꝛc.; K–e Küche (ſ. d. 2c), ungewärmte Speiſen;
K–e Schale (ſ. d.) ꝛc. Bergb.: K. keilen, Geſtein
ohne Sprengung durch Pulver gewinnen, durch Fäu-
ſtel und Eiſen. Metallarb.: K–e Vergoldung (Kar-
marſch 3, 561), Verſilbrung (568 ff.); K–e Füllung, beim
Probieren des Silbers ꝛc., ſ. Kaltſchmied ꝛc.
Salzſied.: K–es oder K.-Lager, wenn nicht geſotten
wird. K–e Seifen, die nicht eig. geſotten werden,
ſondern wo bloß die geſchmolznen Fette mit heißer
Lauge zuſammengerührt werden. Karmarſch 3, 270
u. ä. m. Auch außerdem in manchen techniſchen An-
wendungen z. B.: b) Arzn.: K–er Brand, sphacelus,
wobei ſchon das Abſterben begonnen und das Empfin-
dungsvermögen und der Kreislauf der Säfte in den
leidenden Theilen aufgehört hat; K–es Feuer (ſ. d. 5i);
K–es Fieber (ſ. d.): So wird er auf den hitzigen Paroxys-
mum in wenig Stunden das K–e bekommen. Weiſe Maſ. 135
ꝛc.; K–e Piſſe, Harnſtrenge. c) Bienenz.: Übrigens
hat man bei der Stellung der Waben im Verhältnis zum
Flugloche des Stockes ſogenannten kalten und warmen, oder
Längen- und Querbau zu unterſcheiden. Kirſten 8.
d) Glash.: K. ſchüren (ſ. d.). e) Hüttenw.: K–e
Schlacken, ſtrengflüſſige, ſ. Kaltbläſig. f) Schmied.:
Die Bälge blaſen k., nicht gehörig in die Kohlen.
g) weidm.: K–e Fährte, Spatfährte, im Ggſtz. der
„warmen“ (friſchen) Fährte, vgl.: Eine faule, k–e (ſ. 2)
und lahme Entſchuldigung. Luther 8, 177b ꝛc. u. ä. m.
2) übertr.: von geringer Wärme des Gefühls; nicht
ſtark erregt oder leidenſchaftlich bewegt, und: keine
ſtarke Erregung oder leidenſchaftliche Bewegung bewir-
kend; den raſchen Pulsſchlag der Empfindung, das er-
höhte Leben dér Begeiſtrung entbehrend, theilnahmlos,
gleichgültig, und gleichgültig laſſend, ausdrucks-, le-
benlos ꝛc., z. B.: K–es Blut (ſ. d. und vgl. kaltblü-
tig): „Er iſt heftig | .. In einem Augenblick des Unmuths,
ſei’s! | mag er ſich leicht einmal vergeſſen haben.“ | Bei
k–em Blute war er, als er mir | Dies eingeſtand. Sch. 357a;
Auf ſeine Unterthanen mit k–em Blute ſchießen. Forſter Br.
2, 80 u. V.; ferner: Ach, daß du k. oder warm wäreſt!
Weil du aber lau biſt! Offenb. 3, 15; Und wirſt in ihrem
Arm du k. und wüſt, | will ich zur Sünde dir die Kraft er-
neuen. Chamiſſo 5, 172; Sie grüßen ihn ſtaunend, gemeſſen
und k. 6, 236; Beſeht die Gönner [des Schauſpiels] in der
Nähe, | halb ſind ſie k., halb ſind ſie roh G. 11, 8; „Zeit
und Bekanntſchaft heißen dich vielleicht | die Gabe wärmer
fordern, die du jetzt | ſo k. bei Seite lehnſt und faſt ver-
ſchmähſt.“ | Der Mäßige wird öfters k. genannt. 13, 140;
Willkommner | ergriffe mich der Tod als dieſe Hand, | die k.
und ſtarr mich von ſich läſſt. 192; 285; „Der Liebende ver-
zweifelt, kannſt du hoffen.“ | Ein k–er Mann verlieh uns
beſſern Rath. 326; Einer von den geprüften, in ihrem Da-
ſein beſtimmten Leuten, die man gewöhnlich k–e Leute zu nen-
nen pflegt, weil ſie bei Anläſſen weder ſchnell noch ſichtlich
auflodern. 16, 66; Daß Ihr Euch in Eure k–e Eigenliebe
hüllet, wenn uns das Herz bricht. 17, 239; 18, 144; Wie
er jene Sophiſtereien über Recht und Beſitz .. auf eine ſo k–e
und ſchiefe Weiſe habe durchführen und dadurch eine uner-
laubte Handlung beſchönigen können. 19, 294; Da ich ſah,
daß die Sachen ſo böslich k. vorwärts gingen [ſo langſam
und gleichgültig betrieben wurden]. 29, 15; Die käl-
teſte Gegenwart des Geiſtes. Heinſe Hild. 1, 337; Durch die
Einbildungskraft faſſen wollen, was dem k–en Verſtande ver-
ſagt iſt. Klinger F. 50; Das kälteſte, langweiligſte Alltags-
gewäſche. L. Dramat. 52; Wie | Ihr mich empfingt, wie k.,
wie lau. Denn lau | iſt ſchlimmer noch als k. Nath.
5, 5; Wie kalt iſt dagegen unſer Volk für das Theater. 7,
...; Heiß iſt er gegen Kleinigkeiten und gegen große Dinge
k. Lichtwer 36; Ich ward zur Geſellſchaft der k–en Hunde ge-
rechnet, weil ich nicht glaubte, mich an einem Haufen Johan-
niswürmchen wärmen zu können. FNicolai (L. 13, 187); Er-
findung, | die des Dichters Bruſt entflammt und k–e Herzen
flieht. Platen 4, 285; 6, 3; Wie Pygmalion den Stein
umſchloß, | bis in des Marmors k–e Wangen | Empfindung
glühend ſich ergoß. Sch. 48b; In der Natur getreuen Ar-
men | von k–en Regeln zu erwarmen. 80b; K–e Pflicht ge-
gen feurige Liebe. 198b; Das Herz gefällt mir nicht, das
ſtreng und k. | ſich zuſchließt in den Jahren des Gefühls.
449a; Der trockne Alltagsmenſch, der k–e hölzerne Franz.
104b; Ich war zu hitzig, Jemand wohl zu thun, | der nun
zu k. iſt, mir es zu gedenken. Schlegel Rich. III. 1, 3; Mir
k–e Freunde. 4, 4; Für heiße That zu k. das müß’ge Wort.
Tieck Macb. 2, 1; Wer iſt weiſ’ und entſetzt, gefaſſt und wü-
thig, | pflichttreu und k. in einem Augenblick? 2, 2; 4, 3;
Ohne meinen Freund | zu leben unter dieſem fremden, k–en
Volk. W. 11, 128; Mit ſolchem trotzig k–en, | ſich ſelbſt be-
wußten Blick. 12, 4; Mit höflich k–en | Formalitäten. 54;
Ihr k–er Gruß. 56; Ohne Liebe .. iſt Alles ihm ſo k., ſo
todt. 72 u. ä. m. 3) (ſ. 2): a) Bergb.: K–es Ge-
ſtein, das vor dem Fäuſtel und der Brechſtange keinen
Klang giebt. b) Mal.: Der Gegenſatz von warmen
und k–en Farben der Maler zeigte ſich hier in abgeſonderten
blauen und gelben Rändern. G. 39, 449; 443; Einen all-
gemeinen Ton, einen warmen oder kalten über das Bild ver-
breiten. 37, 54; Der warme oder k–e Ton einer Farbe, d. h.
eigentlich bloß mehr gelb oder blau. KlGroth Plattd. 101;
Immermann M. 1, 9 u. v., vgl. G. 23, 305 „verkäl-
ten“ (ſ. d. 1).
Anm. Goth. kalds, ahd. chalt, mhd. kalt, dem lat.
gelidus entſprechend, vgl. Kühl. Veralt. Steigrung ohne
Uml.: Kalter und kraftloſer geworden. L. 7, 78; Kal-
terer Natur. Ryff Th. 15 ꝛc.
Zſſtzg. nam. den Grad der Kälte, oft durch einen
Vergleich bezeichnend, zuw. auch die Urſache oder eine
Modifikation ꝛc., z. B.: Bítter-: vom Wetter,
Wind ꝛc.: beißend, ſchneidend kalt (ſ. Bitter IV 1). Höfer
V. 116; Kinkel E. 282; Schlegel Haml. 1, 1; Tſchudi Th.
267 ꝛc. Dréck-: von ſchlackrigem kaltem Wetter, ſ.
feucht-, naß-k. (mundartl. mott-k., vgl. Moder).
Eīs-: ſehr kalt, kalt wie Eis: Wenn es mir nicht ſelber
e. über den Rücken gelaufen wäre. Chamiſſo 4, 260; E–e
Angſt durchlief die zitternden Gebeine. Sch. 29b; 113a; Als
wenn mir ein Kübel e. Waſſer übern Nacken ſpritzte. 131a,
Es trat uns Allen | e. bis an das Herz. 624a; Ihr Finſter-
ling’, im Herzen | e., im Kopfe warm. V. 4, 66. Fēūcht-:
vom Wetter, Winde ꝛc. Heine Lut. 1, 288; Lewald W. 2,
24 ꝛc., vgl. Naß-k. Fīēber-: kalt vom Fieber.
Flímmer-: kalt mit hellem Froſt, ſo daß die Sterne
flimmern: Stille einer f–en Winternacht. Kinkel E. 238.
Flūthen-: In ſein f–es Wittwerbett. Heine Lied. 315,
die kalten Fluthen. Fróſch-: kalt wie ein Froſch:
Dieſe f–en Kaffern. Auerbach Leb. 2, 122; Spindler Stadt 1,
7, ſ. ſchlangen-k. Fróſtig-: Benahmen ſich .. ſo f.
gegen einander. W. 19, 175. Fūß-: kalt an den
Füßen, am Fußboden: Die Stuben ſind dort heiß, aber f.
Gefǖhls- [2]: Die g–e Geldſeele. Gutzkow R. 1,
312. Grābes-: kalt wie das Grab, wie der Tod:
Faßte ſeine Hand an, ſie war g. Immermann M. 3, 437;
Baut’ ich den Kerker mir, den g–en. Meißner Gd. 102.
Grāū-: im Ggſtz. zum lebensfriſchen Roth ꝛc.: Bin
ich roth geworden? Blaß und marmorgelb-g. wie immer.
Gutzkow R. 6, 363. Grímm-: grimmig, bitter kalt,
vom Wetter ꝛc.: Auerbach D. 1, 468; Mörike N. 1, 225;
Sch. 167b; Lengf. 172 ꝛc. Húnds-: von der Tempe-
ratur. Frommann 3, 360. Kámpfer-: vgl. marmor-,
ſalpeter-k.: Der Buſen k., der ſonſt war moſchusheiß. Rückert
BE. 330. Knítter-: bitter-k., flimmer-k. Auerbach
Leb. 2, 221. Lēīchen-: grabes-k.: Die Welt ſtarrt
l. Schwab 65. Mármor-: kalt wie Marmor: Weiß
wie Marmor, aber auch m. Heine Reiſ. 3, 223; Marmor-
glatt und m. ꝛc. Náß-: ſtärker als feucht-k., reg-
neriſch und kalt. Gutzkow R. 7, 3. Salpēter-: ſ.
kampfer-k. IP. 21, 101. Schlángen-: ſ. froſch-k.:
Der lauernde ſch–e Mord. Stahr Nat.Z. 8, 43. Tōdt-:
ſ. grabes-k.: T–en Blicks. Heine Lied. 354. Wínter-:
kalt wie der oder wie im Winter: Ein w–er Spätherbſt-
morgen. Jahr. 2, 196 ꝛc. U. ā. m.