Faksimile 0860 | Seite 852
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Kalb
Kálb, n., –(e)s; Kälber; Kälbchen, lein, Mz.:
Kälberchen, lein; -, –s-, Kälber-: 1) das Junge eines
Rinds im erſten Jahr: Die Kuh hat ein K. bekommen,
geworfen; Das K. blökt, bölkt; Das K. ſaugt, wird geſäugt;
Ein K. abbinden, abſetzen, ſpänen, entwöhnen; Ein K. an-
binden, groß ziehn, fett machen, mäſten, ſchlachten; Er hatte
ſie [die Kuh] vom K. an auferzogen. Auerbach Dorf. 1, 6;
Der Greis ja erzieht die Kälberchen. V. Th. 4, 4 ꝛc.
Sprchw.: Das K. will klüger ſein als die Kuh [das Huhn
als die Henne ꝛc.]; Ob denn das Kälbichen ſei älter als die
Kuh? Schottel 1006 ꝛc.; Springen wie ein K.; Wie ein K.
muthwillig. V. Th. 11, 21 ꝛc. (ſ. 3 und Kälbern); Augen
machen wie ein abgeſtochenes K. Gutzkow R. 6, 195; Die
Augen verdrehen wie ein K. 8, 404 ꝛc.; Das (L. 10, 194;
12, 230; Weidner 49 ꝛc.), dem (Auerbach Leb. 1, 225) K.
in das Aug (in die Augen) ſchlagen, Etwas verſehen, nam.
Einen durch rückſichtsloſes Ausſprechen einer Wahrheit
verletzen; Daß ich irgend ein großes K. [einen Großen,
Vornehmen] ins Aug geſchlagen. W. Merck 1, 247; Der
Kuh das K. abfragen, von einem unermüdlichen, quälen-
den Frager; Die Kuh mitſammt dem K. bekommen [eine
Schwangre heirathen]. Auerbach Leb. 1, 326; Wo man
ſein verlornes K. blöken hört, da geht man hin, es zu ſuchen.
Tieck N. 6, 136 ꝛc.; Kälber zu Bethel, Baalsprieſter. Fiſchart
B. 4b, ſ. 2. Kön. 10, 29; Das goldne K. verehren, ſ.
2. Moſ. 32, 8, dem Reichthum huldigen; Die Bauern-
arbeit macht dich groß| und eine Herde goldner Kälber
[Schätze] | ſie reißen ſich vom Boden los. G. 12, 19 ꝛc.;
Mit fremdem K–e pflügen. 4, 288; L. 10, 358, nach Richt.
14, 18 ſtatt eigner Leiſtungen fremde zu Markt brin-
gen ꝛc.; Ein K. machen, anbinden, kälbern (ſ. Kalben 2),
vomieren, wohl nach dem bölkenden Ton: Da gab ſich
Der, ſo viel gegeſſen | mit ſtark- und fetten Kälbern bloß.
Günther 165 u. ä. m. 2) das Junge vom Rothwild
(vgl. Hirſch-Kuh): Das Thier ſetzet das K. Döbel 1, 18b;
Das Lab eines jungen K–s, das in dem Leib des Wilds er-
würget iſt. Eppendorf 67; K., alles junge Roth-, Dam-
Elen- und Rehwild bis nach der Brunfzeit, nach welcher .. es
Schmalthier oder Schmalreh wird. Laube Brev. 266;
Die .. Hirſchkuh. .. Da kommt das zarte K. der Mutter
nachgeſprungen, | lautblökend ꝛc. Rückert Roſt. 27a ꝛc.
Selten von andern Thieren, ſ. Elephanten-, Eſel-,
Kamel-K. 3) (ſ. 1) ein verſtandesunreifer, muth-
willig dammelnder, ausgelaßner junger Menſch: Du
biſt doch das ungattlichſt K. auf der Welt. Gotthelf Sch. 107;
Der noch gelbſchnablichten Jugend | ziemt ein weidlicher
Sprung, man kälbere, weil man ein K. iſt. V. 1, 129 ꝛc.,
vgl.: Wenn wo ein junges Blut | das K. hat ausgejaget
[ſich froher, ungebundner Luſtigkeit hingegeben ꝛc.].
SDach (WMüler Bibl. 5, 75); Ihr .. habt nicht mehr Ver-
ſtand als Kälber. W. 12, 42; Kinder- und Kälbermaß müſſen
alte Leute wiſſen. Sprchw. z. B. Claudius 6, 65 ꝛc.
4) Bez. einiger Thiere, nam. in Zſſtzg. (Meer-K.); ſo
auch: Kälbchen, Kälblein, Herrgotts-, Marien-,
Oſter-, Sommer-, Sonnen-K., -Kälbchen, (-Kühlein)
ꝛc. = Marienkäfer (ſ. d.). 5) Schiff.: das die
beiden Wände eines Rapperts d. h. der Laffette einer
Schiffskanone verbindende Querholz, vgl. Kalbe.
Anm. Ahd. chalb, mhd. kalp, vgl. goth. kalbô, die
Kalbe, ahd. kilbere, mhd. kilbere, junges Schaf, das
noch nicht gelammt, bair. Kilben, ſchwzr. Kilbere, wie
m. Kilber, junger Widder, vgl. Mond-K. Ob auch dazu
(mundartl.): Kalpen od. Samenkapſeln. Reichard Gartenſch.
1, 221? Mundartl.: „Das Brat oder K. im Holz, pulpa,
carnosum in arbore.“ Schm. 1, 268, ſ. Kalpe.
Zſſtzg. meiſt zu 1, z.B.: Āber-: ein widernatür-
liches Gewächs (Mond-K.) im Tragſackträchtiger Kühe,
After-, Eber-, Jgel-K. Nemnich. Ábbinde-, Áb-
ſetz-: 4 bis 6 Wochen alt von der Mutter weggenom-
men. After-: Aber-K. Bóck- [2]: männliches
Reh-K. Búll(en)-: männliches Rinds-K., Och-
ſen-, Stier- K.: Schlegel Sh. 6, 75 ꝛc.; übertr. auf
Menſchen: Er denkt wohl, ſie hat ebenſoviel Kräfte als Er,
Bullkalb. Goltz 1, 56. Eber-: Aber-K. Ele-
phánten- [2]: Elephantenjunges: Tretet nicht ſo
maſtig auf, | wie Elephantenkälber. G. 11, 194; Ein Rudel
Elephantenkälber. Heine Lut. 2, 301, vgl. Plinius H. N. 8,
1. Eſel- [2]: veralt. ſtatt Eſelfüllen. Fiſchart B.
IlIa. Fǟrſen-: weibliches Rinds-K., Kuh-K.,
mundartl. Motſchen-K. Hérrgotts- [4].
Hēū-: das ſchon mit Heu gefüttert wird (Jährling),
im Ggſtz. zum jüngern Milch-K., ſ. Frommann 5, 485,
vgl. Heuochs. Hírſch- [2]: Hirſchjunges. Pfefel
Po. 3, 14 ꝛc., weidm. nam. das männliche im Ggſtz.
zum weibl. Wild-K. Döbel 1, 5a, vgl. Junghirſch und
die Zſſtzg. von Hirſch, z. B.: Das Elends-H. 19b ꝛc.
Jgel-: Aber-K. Kamēl- [2]: Kameljunges.
Droyſen Ar. 1, 405. Küchen-: das in die Küche ge-
ſchlachtet wird. Günther 392. Kūh-: Färſen-K. V.
Georg. 4, 547 ꝛc. Marīēen- [4]. März-: im
März geworfen: Kalberen wie die Märzenkälber. Weidner
177. Mêêr- [4]: Robbe, See-K., Seehund
(Phoca vitulina). Schaidenreißer 16b; Das M. ... Im
Schlaf blärren ſie, davon ihnen der Name ... Kalb herkommet.
Eppendorf 108 ꝛc.; übertr. auf widerliche, Ekel erregende
Menſchen ꝛc. Gotthelf G. 175. Mílch-: Kalb, das
noch an der Mutter ſaugt, Sauge-, Sog-K. (ſ. Heu-
K.). Stilling 1, 27. Mōnd-: ein ſich in der Bär-
mutter bei Menſchen und Thieren entwickelndes eirundes
Aftergebilde, Mola, wo nach Adelung’s Deutung
„Kalb“ allgem. ein Junges, ein Kind bez., vergl.
niederd. „Manenkind“, „Mon“ aber, wie in Mein-
eid ꝛc., das Falſche, vgl. Aber-K., doch ſ.: Allein unter
allen Thieren hat das Weib ihren Monatfluß, darum auch
das Weib allein ein Waſſerkalb etwan bei ihr hat, d. i.
ein ungeformt Stuck Fleiſch, das nit lebt. Eppendorf 14
(ahd., mhd. wazzerkalp, Waſſerſucht, ſ. auch Speck-
K.) und engl. moon-calf, ſ. Siebenmonatskind ꝛc.;
oft übertr. auf ein unförmliches oder lebensunfähiges
Weſen, vgl. Wechſelbalg, Mißgeburt ꝛc.: Romanhelden
.. Dieſe ihre Mondkälber mit dem reichſten Leichengepränge
auszuſtatten. Hamann (Mendelsſohn 4, 2, 314); Dafür be-
kommen wir, die wir ein Kind erwarteten, das reden und lau-
fen ſoll, Nichts als ein M. FNicolai (L. 13, 283); Ich ſteckte
mich unter des todten M–s [des mißgeſtalten Kaliban’s]
Mantel. Schlegel Sturm 2, 2; Wirklich brütete die fromme
Schwärmerei, | von Liebesgluth erhitzt, das wunderbarſte Ei |
in Röschen’s Buſen aus, das Schwärmerei und Liebe | je aus-
geheckt, wiewohl ums erſte Jubeljahr | ein M. dieſer Art
nicht unnatürlich war. W. 11, 275 ꝛc., vgl. Mondkälber-
ling. Prutz Woch. 70. Ugw. von einem wiees ſcheint
beſt. Thier (Meer-K. ?): Ihre Kleider bauſchten auf und
dick ward ſie von hinten wie ein M. mit ’nem Jungen. Alexis H.
1, 1, 221. Mó(t)ſchen-: Färſen-K. Ochſen-:
Bullen-K. Öſter- [4]. Rêh- [2]: das Junge
eines Rehs, ſ. Bock-K. Rückert BrE. 130 ꝛc.; Hüpfend
wie junge Rehkälber. W. 15, 103 ꝛc. Rínds- [1]:
Laube Band. 1, 3. Sāūg-, Sǟūg-: Milch-K.
Schaidenreißer 44a ꝛc. Sēē-: Meer-K.: Man konnte
nämlich, um nur nicht gar ein Stachelſchwein | und S. vor-
zuſtellen, unmöglich häßlicher ſein. W. 15, 254; Bewohner
des Feuerlands, die kaum etwas mehr als Seekälber ſind.
29, 154 ꝛc. Sōg-: Saug-K. Sómmer-,
Sónnen- [4]. Spān-: Saug-K., Kalb unter
einem Jahr: Ihr abgenommenes Sp. zu ſäugen. Zelter 3,
60; Neben der Schürze meiner Mutter wie ein Sp. herge-
gangen. 6, 255 ꝛc., ſ. Spanferkel und ſpänen.
Spéck-: ungewöhnlich großes Aber-K. Stalder.
Wáſſer-: 1) ſ. Mond-K., nach Stalder Mißgeburt
eines Kalbes, das wie ganz mit Waſſer angefüllt iſt.
2) Das ſ. g. W., Gordius aquaticus. Tſchudi Th. 275;
Oken 5, 555, ein Fadenwurm, der mit dem Waſſer
eingeſchluckt nam. den Kälbern ſchädlich ſein ſoll.
Wíld- [2]: Junges vom Rothwild, ſ. Bock-K.:
Die Wildkälber [beide Geſchlechter] kann man in Sommers-
zeit anders nicht wohl unterſcheiden, was ein Hirſch [m.] oder
W. [f.] ſei. Fleming J. 90a; Forſter Sak. 6 ꝛc.; Die Roth-
wild- und Tannwildskälber. Döbel 1, 27b ꝛc.
Zúg-: das großgezogen wird u. ä. m.