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Kalb
Kálb, n., –(e)s; Kälber; Kälbchen, lein, Mz.:
Kälberchen, lein; -, –s-, Kälber-:
1) das Junge eines Rinds im ersten Jahr: Die Kuh hat ein K. bekommen, geworfen; Das K. blökt, bölkt; Das K. saugt, wird gesäugt; Ein K. abbinden, absetzen, spänen, entwöhnen; Ein K. anbinden, groß ziehn, fett machen, mästen, schlachten; Er hatte sie [die Kuh] vom K. an auferzogen. Auerbach Dorf. 1, 6; Der Greis ja erzieht die Kälberchen. V. Th. 4, 4 etc. Sprchw.: Das K. will klüger sein als die Kuh [das Huhn als die Henne etc.]; Ob denn das Kälbichen sei älter als die Kuh? Schottel 1006 etc.; Springen wie ein K.; Wie ein K. muthwillig. V. Th. 11, 21 etc. (s. 3 und Kälbern); Augen machen wie ein abgestochenes K. Gutzkow R. 6, 195; Die Augen verdrehen wie ein K. 8, 404 etc.; Das (L. 10, 194; 12, 230; Weidner 49 etc.), dem (Auerbach Leb. 1, 225) K. in das Aug (in die Augen) schlagen, Etwas versehen, nam. Einen durch rücksichtsloses Aussprechen einer Wahrheit verletzen; Daß ich irgend ein großes K. [einen Großen, Vornehmen] ins Aug geschlagen. W. Merck 1, 247; Der Kuh das K. abfragen, von einem unermüdlichen, quälenden Frager; Die Kuh mitsammt dem K. bekommen [eine Schwangre heirathen]. Auerbach Leb. 1, 326; Wo man sein verlornes K. blöken hört, da geht man hin, es zu suchen. Tieck N. 6, 136 etc.; Kälber zu Bethel, Baalspriester. Fischart B. 4b, s. 2. Kön. 10, 29; Das goldne K. verehren, s. 2. Mos. 32, 8, dem Reichthum huldigen; Die Bauern- arbeit macht dich groß| und eine Herde goldner Kälber [Schätze] | sie reißen sich vom Boden los. G. 12, 19 etc.; Mit fremdem K–e pflügen. 4, 288; L. 10, 358, nach Richt. 14, 18 statt eigner Leistungen fremde zu Markt bringen etc.; Ein K. machen, anbinden, kälbern (s. Kalben 2), vomieren, wohl nach dem bölkenden Ton: Da gab sich Der, so viel gegessen | mit stark- und fetten Kälbern bloß. Günther 165 u. ä. m.
2) das Junge vom Rothwild (vgl. Hirsch-Kuh): Das Thier setzet das K. Döbel 1, 18b; Das Lab eines jungen K–s, das in dem Leib des Wilds erwürget ist. Eppendorf 67; K., alles junge Roth-, Dam- Elen- und Rehwild bis nach der Brunfzeit, nach welcher .. es Schmalthier oder Schmalreh wird. Laube Brev. 266; Die .. Hirschkuh. .. Da kommt das zarte K. der Mutter nachgesprungen, | lautblökend etc. Rückert Rost. 27a etc. Selten von andern Thieren, s. Elephanten-, Esel-, Kamel-K.
3) (s. 1) ein verstandesunreifer, muthwillig dammelnder, ausgelaßner junger Mensch: Du bist doch das ungattlichst K. auf der Welt. Gotthelf Sch. 107; Der noch gelbschnablichten Jugend | ziemt ein weidlicher Sprung, man kälbere, weil man ein K. ist. V. 1, 129 etc., vgl.: Wenn wo ein junges Blut | das K. hat ausgejaget [sich froher, ungebundner Lustigkeit hingegeben etc.]. SDach (WMüler Bibl. 5, 75); Ihr .. habt nicht mehr Verstand als Kälber. W. 12, 42; Kinder- und Kälbermaß müssen alte Leute wissen. Sprchw. z. B. Claudius 6, 65 etc.
4) Bez. einiger Thiere, nam. in Zsstzg. (Meer-K.); so auch: Kälbchen, Kälblein, Herrgotts-, Marien-, Oster-, Sommer-, Sonnen-K., -Kälbchen, (-Kühlein) etc. = Marienkäfer (s. d.).
5) Schiff.: das die beiden Wände eines Rapperts d. h. der Laffette einer Schiffskanone verbindende Querholz, vgl. Kalbe.
Anm. Ahd. chalb, mhd. kalp, vgl. goth. kalbô, die Kalbe, ahd. kilbere, mhd. kilbere, junges Schaf, das noch nicht gelammt, bair. Kilben, schwzr. Kilbere, wie m. Kilber, junger Widder, vgl. Mond-K. Ob auch dazu (mundartl.): Kalpen od. Samenkapseln. Reichard Gartensch. 1, 221? Mundartl.: „Das Brat oder K. im Holz, pulpa, carnosum in arbore.“ Schm. 1, 268, s. Kalpe.
Zsstzg. meist zu 1, z.B.: Āber-: ein widernatürliches Gewächs (Mond-K.) im Tragsackträchtiger Kühe, After-, Eber-, Jgel-K. Nemnich. Ábbinde-, Ábsetz-: 4 bis 6 Wochen alt von der Mutter weggenommen.
After-: Aber-K. Bóck- [2]: männliches Reh-K.
Búll(en)-: männliches Rinds-K., Ochsen-, Stier- K.: Schlegel Sh. 6, 75 etc.; übertr. auf Menschen: Er denkt wohl, sie hat ebensoviel Kräfte als Er, Bullkalb. Goltz 1, 56.
Eber-: Aber-K. Elephánten- [2]: Elephantenjunges: Tretet nicht so mastig auf, | wie Elephantenkälber. G. 11, 194; Ein Rudel Elephantenkälber. Heine Lut. 2, 301, vgl. Plinius H. N. 8, 1. Esel- [2]: veralt. statt Eselfüllen. Fischart B. IlIa.
Fǟrsen-: weibliches Rinds-K., Kuh-K., mundartl. Motschen-K. Hérrgotts- [4].
Hēū-: das schon mit Heu gefüttert wird (Jährling), im Ggstz. zum jüngern Milch-K., s. Frommann 5, 485, vgl. Heuochs. Hírsch- [2]: Hirschjunges. Pfefel Po. 3, 14 etc., weidm. nam. das männliche im Ggstz. zum weibl. Wild-K. Döbel 1, 5a, vgl. Junghirsch und die Zsstzg. von Hirsch, z. B.: Das Elends-H. 19b etc.
Jgel-: Aber-K. Kamēl- [2]: Kameljunges. Droysen Ar. 1, 405.
Küchen-: das in die Küche geschlachtet wird. Günther 392.
Kūh-: Färsen-K. V. Georg. 4, 547 etc. Marīēen- [4].
März-: im März geworfen: Kalberen wie die Märzenkälber. Weidner 177. Mêêr- [4]: Robbe, See-K., Seehund (Phoca vitulina). Schaidenreißer 16b; Das M. ... Im Schlaf blärren sie, davon ihnen der Name ... Kalb herkommet. Eppendorf 108 etc.; übertr. auf widerliche, Ekel erregende Menschen etc. Gotthelf G. 175.
Mílch-: Kalb, das noch an der Mutter saugt, Sauge-, Sog-K. (s. Heu- K.). Stilling 1, 27.
Mōnd-: ein sich in der Bärmutter bei Menschen und Thieren entwickelndes eirundes Aftergebilde, Mola, wo nach Adelung’s Deutung „Kalb“ allgem. ein Junges, ein Kind bez., vergl. niederd. „Manenkind“, „Mon“ aber, wie in Mein- eid etc., das Falsche, vgl. Aber-K., doch s.: Allein unter allen Thieren hat das Weib ihren Monatfluß, darum auch das Weib allein ein Wasserkalb etwan bei ihr hat, d. i. ein ungeformt Stuck Fleisch, das nit lebt. Eppendorf 14 (ahd., mhd. wazzerkalp, Wassersucht, s. auch Speck- K.) und engl. moon-calf, s. Siebenmonatskind etc.; oft übertr. auf ein unförmliches oder lebensunfähiges Wesen, vgl. Wechselbalg, Mißgeburt etc.: Romanhelden .. Diese ihre Mondkälber mit dem reichsten Leichengepränge auszustatten. Hamann (Mendelssohn 4, 2, 314); Dafür bekommen wir, die wir ein Kind erwarteten, das reden und laufen soll, Nichts als ein M. FNicolai (L. 13, 283); Ich steckte mich unter des todten M–s [des mißgestalten Kaliban’s] Mantel. Schlegel Sturm 2, 2; Wirklich brütete die fromme Schwärmerei, | von Liebesgluth erhitzt, das wunderbarste Ei | in Röschen’s Busen aus, das Schwärmerei und Liebe | je ausgeheckt, wiewohl ums erste Jubeljahr | ein M. dieser Art nicht unnatürlich war. W. 11, 275 etc., vgl. Mondkälberling. Prutz Woch. 70. Ugw. von einem wiees scheint best. Thier (Meer-K. ?): Ihre Kleider bauschten auf und dick ward sie von hinten wie ein M. mit ’nem Jungen. Alexis H. 1, 1, 221.
Mó(t)schen-: Färsen-K.
Ochsen-: Bullen-K. Öster- [4]. Rêh- [2]: das Junge eines Rehs, s. Bock-K. Rückert BrE. 130 etc.; Hüpfend wie junge Rehkälber. W. 15, 103 etc. Rínds- [1]: Laube Band. 1, 3. Sāūg-, Sǟūg-: Milch-K. Schaidenreißer 44a etc.
Sēē-: Meer-K.: Man konnte nämlich, um nur nicht gar ein Stachelschwein | und S. vorzustellen, unmöglich häßlicher sein. W. 15, 254; Bewohner des Feuerlands, die kaum etwas mehr als Seekälber sind. 29, 154 etc.
Sōg-: Saug-K. Sómmer-, Sónnen- [4].
Spān-: Saug-K., Kalb unter einem Jahr: Ihr abgenommenes Sp. zu säugen. Zelter 3, 60; Neben der Schürze meiner Mutter wie ein Sp. hergegangen. 6, 255 etc., s. Spanferkel und spänen.
Spéck-: ungewöhnlich großes Aber-K. Stalder.
Wásser-:
1) s. Mond-K., nach Stalder Mißgeburt eines Kalbes, das wie ganz mit Wasser angefüllt ist. 2) Das s. g. W., Gordius aquaticus. Tschudi Th. 275; Oken 5, 555, ein Fadenwurm, der mit dem Wasser eingeschluckt nam. den Kälbern schädlich sein soll. Wíld- [2]: Junges vom Rothwild, s. Bock-K.: Die Wildkälber [beide Geschlechter] kann man in Sommerszeit anders nicht wohl unterscheiden, was ein Hirsch [m.] oder W. [f.] sei. Fleming J. 90a; Forster Sak. 6 etc.; Die Rothwild- und Tannwildskälber. Döbel 1, 27b etc. Zúg-: das großgezogen wird u. ä. m.