Faksimile 0854 | Seite 846
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Junker
Júnker, m., –s, (–n); uv., (–n); –chen, lein,
Jünkerchen, lein; -, –n-: zſgzgn. aus Jungherr (ſ. d.):
1) mundartl. im Ggſtz. zu „,Jungfrau“ eine ledige
Mannsperſon, die noch nicht Vater geworden. Schm.
2) ein junger vornehmer Herr, nam. ein junger Adeli-
ger, dem noch kein andrer Titel zukommt, z. B. früher
in Preußen beim Militär: Bis er als J. zur Garde kam.
Tieck (HKleiſt Hinterl. III), vgl. Fahnen-J., z. B.: Als
der J. an meiner Seite fiel. Ich ergriff die Fahne ꝛc. Pfeffel
Pr. 1, 55 ꝛc., früher (ſ. Schilter 498) ſelbſt von
fürſtlichen Perſ. im Ggſtz. des regierenden Herrn,
von ältern Adligen meiſt in dem verächtl. Sinn, daß
ſie kein Verdienſt als das der Geburt haben, ſ. Zſſtzg.
und die folgenden Wörter; dann auch übertr.: Einer,
der ein müßiges Wohlleben führt ꝛc.: Da demüthigen
ſich die J–n. Jeſ. 2, 9; Wenn ein Knecht von Jugend auf
zärtlich gehalten wird, ſo will er darnach ein J. ſein. Spr.
29, 21; Sir. 33, 26; Das Gekläffe biſſiger Pfäffchen und
J–lein. Heine Reiſ. 4, 116; Die übermüthigen J–chen. Holtei
Ob. B. 1, 87; Einiſt ſprach man Einem „Herr“ und ſeinen
Söhnen Junckherren, wa iſt der J.? Jetzt ſo ſie alt und grau
ſeind, ſo muß man ihnen J. ſprechen. Keiſersberg Brösl. 51;
[Chriſtophorus] findt auch ein zartes J–lein | mit goldnem
Kraushaar und lichtem Schein [Chriſtum]. FrKind (Echter-
meyer 164); Du biſt wohl eines J–s Sohn, | den Andre
Tag vor Tag aus Pflicht bedienen ſollen. Lichtwer 103; Kann
J. Kaīn ſagen: Nescio. Numquid custos sum fratris mei
ego, ſo kann Gott ſprechen: Maledictus tu de terra [1. Moſ.
4, 9 u. 11]. Luther 6, 361b; Die zornigen J–lin. SW. 30,
377; Unſre Jünkerlin. 38, 212 ꝛc.; Weil meine Frau den
Nagel hat, aus einem ihrer J. einen Miniſter zu formen.
Muſäus Ph. 1, 67; Die Jünkerchen. Pfeffel Pr. 1, 177;
Wenn ein edler Ritter fällt, aber .. wenn ein plumper J.
fällt. Perthes Leb. 2, 217; Und heller ging’s dem J. auf
[Ulrich, dem Sohn des Grafen Eberhard von Würtem-
berg]. Sch. 12a; Ihr ſeid immer mein beſter, köſtlichſter J.
[Sohn meines Herrn, des Grafen]. 130b; Ein nieder-
trächt’ger Bube, | ein Höfling muß es ſein, ein Spanier, |
der J. irgend eines alten Hauſes. 372a; Acht Tiſche Frauen-
zimmer und zwölf Tiſche J–n. Schweinichen 3, 45; Schwelg’,
o J. Schranz! V. 3, 90; Wer Ehr’ im Leibe heget, | arbei-
tet nie; der langt nur zu, | wie Pfaff’ und J. pfleget. 4,
127; Der Storch hat dieſe Nacht | für unſers J–s Frau ein
Jünkerchen gebracht. 137 ꝛc. Übertr. nicht bloß auf
Perſonen, z. B.: Als wollt J. Teufel gern .. eine Zwie-
tracht anrichten. Luther 6, 359b; J. Papſt und ſeine Kar-
dinäl. SW. 46, 221; J. Satan. 60, 76, wie G. 11, 176:
„J. Voland (ſ. Faland) kommt“, ſondern namentl. bei
Alteren auch auf Perſonif.: Nimmermehr nehm’ ich hier
gaſtlich auf den J. Krieg. Droyſen Ar. 2, 255; J. Geiz, der
da hindert am guten Leben. Luther 5, 410b; Wie ich zu mei-
nem Leib ſage: Lieber J., du wollteſt wohl gerne ſtehlen, hu-
ren, dich rächen ꝛc. 8, 303a; Den plaget J. Haß und Frau
Ehrgeiz. SW. 61, 56; Dann regt ſich der Abgott, J. Bauch.
35, 314, am Rand: Bruder venter; Mit „Junckherr“
Halm [dem Streulager] ſich behelfen müſſen. Weidner 45;
Geld iſt der „Junckherr“. 323 [die gebietende Macht] ꝛc.
3) (ſ. 2) bei Spielen, wo eine Perſon mehr iſt, als nach
den Regeln des Spiels jedesmal mitſpielen, die der Reihe
nach ausſcheidende u. dem Spiel der Andern müßig zu-
ſchauende, z.B. beim Toccadille-Spiel unter Dreien ſtatt
unter Zweien. 4) weidm.: J. werden, von Wach-
teln, die auf den Lockruf ſich nicht fangen laſſen, ſon-
dern frei bleiben. Fleming J. 340a. 5) der auf den
„Lachter“ folgende Bäckerknecht, in andern Gegenden
„der Kleine“ genannt; In größern Bäckereien giebt es
einen Ober- und einen Unter-Lachter und -J.
6) Brauer.: a) das Marburger Bier. b) Ko-
vent von Weißbier. 7) = Gutedel, eine vorzügliche
Art des Weinſtocks.
Anm. Die Formen auf „n“ in der Mz. und in den Ka-
ſus der Ez. außer dem Nomin. (ſ. o. u. z. B. im Dat. Zink-
gräf 1, 244 ꝛc.) ſind veralt., vgl. Pfarrer und Pfarrherr.
Nbnf.: Die Hofjunkers. Oehlenſchläger Inſeln 2, 301;
Die Junkerſen. Weidner 245.
Zſſtzg. vielfach zu 2, leicht zu mehren nach den fol-
genden, z. B.: Dínten-: verächtliche Bezeichnung
eines Gelehrten, Federfuchſer ꝛc.: Was iſt ein D.? | Ein
Reicher ohne Geld ꝛc. Rachel 4, 233. Dórf-: verächt-
lich ein Edelmann aus einem Dorf, vom Land, mit
bäuriſchen Sitten, Landwirthſchaft treibend ꝛc., Land-
J.: Herr von Maſuren, der ſo beliebte poetiſche D. [nach
dem Luſtſpiel la fausse Agnès von Destouches]. G. 21,
42. Fáhn(en)-: Fahnenträger beim Fußvolk, vgl.
Standarten-J. bei der Reiterei. Fúchs-: ein Ad-
liger, der leidenſchaftlich Füchſe jagt und kein andres
Verdienſt als ſeine Geburt und die noble Paſſion der
Jagd hat: Der F. in Yorkſhire glaubt, er ſei Herr der
ganzen Erde, denn er iſt in Yorkſhire Herr aller Füchſe. Zim-
mermann Einſ. 48. Genīē-: Einer, der in junker-
haftem Dünkel, den er auf ſein „Genie“ hat, ſich
einem wild regelloſem Treiben in der Kunſt hingiebt:
Wie bin ich des poetiſchen Larifari unſerer G. ſo überdrüſſig.
Knebel 3, 51. Gnād-: (vgl. Gnädig 2) veralt.
Luther 1, 390a; 5, 304a; Rollenhagen Fr. 154. Hǟ-
ger-, Hêger-: Grundherr eines Hegerguts, ſ. He-
ger 3. Hōf-: bei Hof zur Vermehrung von deſſen
Glanz aufwartender Junker: Da gab es Kraut-J.,
Jagd-J., Stall-J., Tanz-J., Hof-J., Spiel-J. . . War Das
eine Junkerei! Holtei Nobl. 2, 44. Húnde-: Stall-
Jagd und H. Münchhauſen 40, Junker als Pferde- und
Hundeliebhaber ꝛc. Jāgd-: Hof-J., die bei Jagden
mitwirken. Döbel 2, 89b; Nichts ziemt dem Deutſchen we-
niger als Inſolenz, es müßte denn ein J. ſein. Knebel 3, 39;
Des jungen Adels Kron’ . ., | verherrlichſt du den Glanz des
nahen Hofs und wirſt | J., dreiſt und keck. V. 4, 142 ꝛc.,
vgl. auch Fuchs-J. Kámmer-: ein Hof-J. zur
Aufwartung der fürſtlichen Perſonen, unter dem Hof-
marſchall ſtehend und im Range den Kammerpagen
vorangehend, aber niedriger als die Kammerherren.
Sch. 196b ꝛc. Krāūt-: Dorf-, Land-J.: „Viel
Nachbarſchaft umher?“ K. Müllner 7, 199; Mittelalterliche
K. und Spießbürger. Scherr Nem. 1, 178; Waldau N. 1,
53 ꝛc. Lánd-: Dorf-, Kraut-J. Míſt-: ver-
ächtliche Bez. eines Landmanns, nam. = Kraut-J.
Holtei Jahr 1, 400. Öber- [5]. Pūten-: auf-
geblaſen ſtolzer Junker (ſ. Pute). Sálz-: adelige
Pfänner (ſ. d.) in einigen Salinen: Welcher zu den
lüneburgiſchen Patriciern oder ſog. S–n gehörte. Guhrauer
Leſſ. 2, 334. Sēē-: bei Campe für „Seekadett“.
Spīēl-: ein der nobeln Paſſion des Spiels ergebner
Junker, vgl. Fuchs-J. und ſ. Hof-J. Stáll-:
Junker mit der nobeln Paſſion für Pferde, ſ. Hof-J.
u. vgl. Spiel-J. Standárten-: ſ. Fahnen-J.
Strōh-: Kraut-J. Stück-: junger Adliger,
der ſich bei der Artillerie zur Offizierswürde vorbereitet.
Tánz-: ſ. Spiel- und Hof-J. Unter- [5].
Zíns-: verächtl. Bez. Derer, die Geld auf Zinſen
ausleihen: Die Z–n. Luther 1, 196a.