Faksimile 0852 | Seite 844
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jung
Júng, a., jüngst:
Ggstz. von „alt“ (s. d.), in Bezug auf etwas Wachsendes, sich Fortentwickelndes, Werdendes, in der ersten Zeit seines Daseins u. Werdens stehend:
1) von Personen:
a) geringen Alters, allgm. oder bezüglich, z. B.: J–e Kinder, Knaben, Mädchen, Männer, Frauen, Herren, Leute beiderlei Geschlechts; Ein j–es Blut; J–er Fant, Laffe; Der j–e Herr im Hause, im Ggstz. des alten, der Sohn, vgl. Junker; J–e Huren [sind oder werden gw.] alte Betschwestern etc.; J–e Frühlingsgötter. G. 1, 60; Alber und j–e Teufel. Luther 8, 17a [im Ggstz. der alten, ausgelernten] etc.; Eine j–e Frau, entweder: eine noch jugendliche Frau, oder: eine erst seit Kurzem verheirathete, eine Frau kurz nach der Hochzeit, ebenso doppeldeutig: Ein j–er Mann, ein j–es Ehepaar, ein j–er Beamter etc. Er ist (um) zwei Jahr jünger als ich = ich bin (um) zwei Jahr älter als er; Die jüngern Geschwister; Mein jüngster Bruder etc. Auch substant.: Es schritt ihm [dem Alten] frisch zur Seite der blühende Genoß. | Der Alte sprach zum J–en. Uhland 444; Ein J–er von Adel etc. (s. Junge), namentl. oft Mz.: Da mich die J–en sahen und sich versteckten und die Alten vor mir aufstanden. Hiob 29, 8; 1. Kön. 12, 8; 1. Tim. 5, 1; 1. Petr. 5, 5; Die J–en und die Alten. Herwegh 1, 50; Die Alten heraus und die J–en hinein! 82 etc. und dafür oft: Alt (s. d. 7) und J., auch gesteigert: Der Jüngere wird stolz sein wider den Alten. Jes. 3, 5; Ein munterer Greis .. empfing uns mit einem Gruße, mit dem er die begrüßenden Jüngern anzusprechen pflegte. G. 22, 351; Er ist der Jüngste von uns Allen; Er ist der Jüngste nicht mehr [ist schon bei Jahren]. Ferner: Von J. auf = von Jugend auf, vgl.: Von Klein auf, was eine noch frühere Zeit, die Kindheit nämlich, bez.: Da die militärische Erziehung des Nachwuchses von J. auf begann. Rüstow grK. 41, vgl. bei Uhland 385 ff. die Gedichte: Klein-Roland und: Roland Schildträger, in welchem letztern ergw. als „Jung Roland“ oder „Roland, der j–e“ bez. ist; J. Siegfried war ein stolzer Knab! 383 etc. Mundartl.: Die j–e Magd, Junge-Magd (s. d.), Stubenmädchen, ferner: J. werden = geboren werden (Adelung u. Schm.), z. B.: Ich bin in einem Kantorshaus j. geworden. OLudwig Thür. 1, 453; Die sind gewiß in Freßdorf j. geworden. W. 34, 313; Ein Pferd, das .. nicht weit von Drontheim j. geworden. Brockes 1, 571, vrsch. b.
b) (s. a) von dem Alter und dessen Einwirkungen nicht berührt, im Wesen und in der Erscheinung jugendlich frisch und kräftig etc., so z.B. doppeldeutig: Ein j–er Greis, Einer der früh ergreist und altgeworden, oder ein bejahrter Mann, der sich trotz der Jahre jugendlich frisch und rüstig erhalten; Auf alle Fälle ist er jünger als seine Jahre, man möchte beinahe etwas Kindliches an ihm finden. G. 19, 167, vgl.: An Körper alt und j. an Jahren. 6, 58; Er hat sich lange j. erhalten; Die frohe Botschaft macht mich wieder j.; Der deinen Mund fröhlich macht und [= daß] du wieder j. wirst (versch. a) wie ein Adler. Ps. 103, 5; Hiob 33, 25, vgl.: Das j–e Deutschland etc., als Bezeichnung einer jugendlich strebenden Partei in Deutschland etc. u. s. 5e.
2) von Thieren (s. 1a u. vgl. JungeII): geringen Alters: J–e Vögel, Hunde, Katzen etc. Bei Thieren jedoch, wo das Junge (s. d.) in der ersten Lebenszeit einen eignen Namen führt, unterscheidet man gw., z. B.: Das Junge eines Schafs heißt ein Lamm; ein j–es Schaf dagegen heißt das Thier gw. erst in dem Alter, wo es aufhört „Lamm“ zu heißen, vgl. dagegen: Ein j–es Lämmchen, weiß wie Schnee. Ebenso vrsch.: Ein Kalb u.: Eine j–e Kuh; Ein j–er Ochs; vgl. ferner: Ein j–es Pferd u.: ein Füllen; Ein j–es Schwein u.: ein Ferkel; Ein j–es Wildschwein, eine j–e Sau u.: ein Frischling; Ein j–es Huhn, ein j–er Hahn, u.: ein Küchlein etc., vgl. 4b.
3) von Pflanzen etc.: noch im Wachsthum, in der Entwicklung begriffen: J–es Gras; J–er Anwuchs; J–er Rasen; J–e Blätter, Keime, Knospen; J–e Bäume, Pflanzen; J–es, zartes Gemüse; J–e Erbsen, Bohnen; J–es Gebüsch schlang sich um die alten Mauern. Novalis 1, 160; Seine [des Lenzes] Veilchen sticken | der Erde j–es Kleid. Platen 1, 192, während es von einem eigentlichen Kleid nicht „j.“ heißen kann, da dabei an ein Wachsthum, eine Fortbildung nicht zu denken ist; Es schmückt mit zarter Decke kaum | das j–e neue Laub den Baum. 2, 64; Augen treibt das j–e Reis. Sch. 54a; Aus des Frühlings j–en Sprossen. 55aetc.
4) zu etwas Jungem (s. 1—3) gehörig, darauf bezüglich etc., z. B.:
a) (s. 1a u.
b) J–e Beine haben, in Bezug aufs Gehn jugendlich rüstig sein; In meinen jüngern Jahren, in meiner Jugend; Alt ist die Maske, dahinter | birgt sich ein j–es Gesicht; So dick sie sich mit Schminke überzog, | so künstlich ihr Gesicht bei Licht und in die Weite | sich dreißig Jahre jünger log. W. 12, 321; Darvon ihr j–es Herz mocht zerbrechen. Schaiden- reißer 65a; Soll ich denn mein j–es Leben | solchem alten Kerl hingeben?; Kindliche Mädchen in j–em Grame sich härmend. V. Od. 11, 39 etc. b) (s. 2) Landwirthsch., Kochk. etc.: J–e Milch; J–es Fleisch, von jungen Thieren, vrsch.: frische Milch etc.
c) (s. 3) Der Wiesen j–es [zartes, frisches] Grün. Ramler etc.
5) auch außer den in 1—3 erwähnten Fällen von Etwas, das im Anfang der Entwicklung steht, das noch im Werden begriffen ist, z. B.:
a) von Getränken, noch im Gärungsproceß begriffen: Das Bier, der Wein ist noch j.; In j–em Most bezecht. W. 12, 335 etc.
b) Deichb.: J–er Grund, erst kurze Zeit dem Wasser oder Sumpf abgewonnenes Marschland.
c) mehr in gehobner Rede, von dem Licht der Sonne, dem Tag, dem Jahre etc., insofern sie als allmählich wachsend und bis zur Vollendung zunehmend gedacht werden, mehr oder minder an die Personif. grenzend: Der j–e Tag. Chamisso 4, 116; Gotthelf G. 15; Stahr Rep. 1, 302; Thümmel 7, 115 etc. (versch.: Der jüngste Tag, s. 7b); Wie j–e Morgen glühn. LHNicolai 1, 120; Purpurisch zuckt durch düstrer Tannen Ritzen | das j–e Licht. Sch. 8b; Des j–en Jahres Hyacinthen. Platen 2, 7; Als der j–e Lenz die Au’n besuchte. Streckfuß Rol. 9, 7 etc.
d) (s. c) in gehobner Rede zuw. überhaupt von Etwas, das erst kurze Zeit da ist: Der Vogel fliegt waldaus von seinem j–en [jüngst gebauten, s. 7] Neste. Auerbach Leb. 2, 25; O könnt’ ich stolz die j–e Flagge tragen | des ein’gen Deutschlands! Freiligrath 2, 269; Des Volkes j–e Fahnen flattern. Pol. 2, 42 etc.
e) (s. b) jugendlich frisch und kräftig ungealtert etc.: Bei grauen Haaren | das Herz sich froh und jung bewahren; Die Welt wird alt und wird wieder j. Sch. 81b etc., nam. auch: Ewig j. [unalternd] ist nur die Phantasie. 52a; Das Lied vom Odysseus, | das alte, das ewig j–e Lied. Heine Lied. 320 etc.
6) (veralt., mundartl.) Kochk.: Eine j–e Gans etc. oder: Das J–e einer Gans, Ente = Gänse-, Entenetc. Klein (s. d. u. vgl. verjüngen 2).
7) im Superl., s. o., aber auch = letzt:
a) namentl. als Adverb der Zeit = neulich, vor Kurzem, in einer nicht weit von der Gegenwart entfernten Vergangenheit: Jch sah ihn jüngst; Jüngst, als etc.; Die jüngst vergangne Zeit (bei Einigen als Verdeutschung für ,,Jmperfekt“) etc.; Aus dem jüngst [zuletzt] Gesagten erhellt. Platen 5, 9; Das jüngst geborne Kind, sowohl das neulich geborne, als auch das zuletzt geborne, das der Geburt nach jüngste etc. So auch als Ew.: In den jüngsten [letzt vergangnen] Tagen; In der jüngsten Zeit sind mehrfache Unordnungen vorgekommen; Die jüngsten [jüngst vorgefallnen] Ereignisse; In Ihrem jüngsten [letzten] Schreiben; Das war von vielen tausend | sein jüngster dummer Streich [der zuletzt begangne]. Freiligrath Garb. 51; Bei der jüngsten Besetzung der Ober- und Untergerichte. König Jer. 1, 397 etc., seltner wo in den Hw. der Begriff der Zeit minder hervortritt: Der jüngste [zuletzt aufgerichtete] Grabstein barst empor. Geibel Jun. 120 etc.
b) in einigen stehenden Wendungen = letzt, von der Zukunft, d. h. also am weitesten von der Gegenwart entfernt: Jemandes jüngster Tag, sein letzter Tag, sein Ende: Auch diese blühende Welt erlebte ihren jüngsten Tag. Kosegarten Rh. 3, 308; Der hätte wirklich sollen schwören, | dies sei der Mäuse jüngster Tag. Lichtwer 57; Da ruht auch ihre Klage, | so lange sie lebte, nimmer bis zu ihrem jüngsten Tage. Simrock N. 1081; 2151 etc., und ohne Genit.: Der jüngste Tag = das jüngste Gericht, das Welt-Ende. Bibel; Am jüngsien [vgl.: An jenem] Tag, wenn die Posaunen schallen | und Alles aus ist mit dem Erdeleben. G. 2, 12; Sch. 109a; 138a; Simrock N. 1684 etc.; auch: Ich will ein solches jüngstes Gericht antrommeln, das es eine Art hat. Mörike N. 514 u.: Von Gemälden ist nur ein jüngstes Gericht bemerkenswerth. WHumboldt 3, 192 etc.
Anm. Goth. juggs (Kompar. juhiza), ahd., mhd. junc, vgl. skr. juwan, lat. juvenis etc. Dazu: Jugend etc. Veralt. Kompar. ohne Umlaut, wie ahd. und mhd.: Etwas junger dann du. Schaidenreißer 9b.
Zsstzg. nam. zu 1, z. B.: Áffen-: G. 11, 145, s. Affe 1e und vgl. hunds-j.
Blítz-: verwettert, verdammt jung (s. Blitz 2c): Da wart Jhr noch b. Laube DW. 8, 82.
Blūt-: sehr jung (s. Blut9): Sie war damals b., nicht älter als sechzehn Jahr. G. 9, 315; Engel 1, 92 u. o.
Húnds-: jung u. albern (s. affen-j.): H. und pudelnärrisch. Holtei Jahr 2, 80, s. Schm.
Un-: 44 Ggstz. von jung, doch nicht so entschieden wie „alt“, = nicht mehr jung etc.: Un-j. und nicht mehr ganz gesund. Heine Rom. 180.
Ür-: von der Urzeit her jung: Sein stets u–es, stets urschönes Dasein. Schefer Laienbr. 174 etc.