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jucken Jucken
Júcken, Jǘcken: 1) intr. (haben):
eigentl. ein zum Kratzen reizendes Krabbeln (s. d.), Kribbeln, Prickeln u. Stechen empfinden, u. danach übertr.: (vgl. Kitzel) ein stechendes, brennendes und quälendes, lebhaft auf Befriedigung dringendes Verlangen nach Etwas empfinden:
a) mit bloßêm Subj. ohne weitre Nennung einer Person: Juckend sagt mein Daumen mir, | etwas Böses naht sich hier. Sch. 572a; Mein Daumen juckt; So jucken unsre Ohren . ., wir wollen Zweideutigkeiten. H. R. 7, 76 etc. So nam. auch im substant. Infin.: Das Jucken im Daumen sagt mir, daß wir bei ihm finden werden, was wir suchen. Alexis H. 1, 1, 294; Fühlst du irgendwo ein Jcken, | kratze dich! Heine Verm. 1, 185; Jedes Hindernis .., welches den Regierungen das Jücken, sich in Alles zu mischen erschwert. Niebuhr Nachgel. 230 etc.
b) mit beigefügtem Dat. der Pers., vgl.: Mein Daumen juckt, und: Mir juckt der Daumen schon. Tieck Macb. 4, 1, s. Herrig 15, 59, wofür sich freilich auch (s. 2a) findet: Hui, mich juckt der Daumen schon. B. 303b etc., z. B.: Nachdem ihnen die Ohren jucken. 2. Tim. 4, 3; Dem schändlichsten Falsar | juckt die .. Kehle [die Kehle hat ein Stechen und Prickeln im Vorgefühl des drohenden Todes durch den Strick]. G. 6, 169; Dem Schlucker juckt auch die Haut [er scheint nach Prügeln Verlangen zu tragen]. L. 12, 289; Dem Überbringer müßte der Hals eben so jucken als der Schreiberin. Sch. 206a [er müßte eben solches Verlangen nach dem Erhängtwerden haben]; Gieb keine Antwort! | die Finger jücken mir! [ich verspüre Lust dich zu prügeln]. Schlegel Sh. 1, 119; Den rechten Arm, welcher über und über scharlachroth wurde und dem Patienten juckte, daß er’s nicht länger auszuhalten vermochte. Stilling 4, 129; „Was kratzest du?“ .. Mir juckt der Arm. V. 4, 179 etc., vgl. 2a, womit es der Bed. und in einzelnen Fällen auch der Form nach zusammenfällt, z. B.: Juckt Euch der Buckel wieder? seid Ihr schon durchgeheilt? G. 9, 198 etc. 2) tr., wobei das Obj. aber auch oft fortbleiben kann, sich nahe mit 1 berührend: Jucken (s. 1) erregen:
a) mit best. Subj.: Die Hitze .. treibt, was Schärfe im Körper ist, nach der Haut und es ist besser, daß ein Übel jückt als daß es reißt und zieht. G. 24, 58; „Dort findet ihr | .. Händel von der ersten Sorte.“ Juckt dich zum dritten Mal das Fell? 11, 36; Die Würfel jucken mich schon in der Tasche [sie erregen in mir die brennende Begier zum Würfeln]. 12, 63; Sie streicht ihm mit dem Füßchen übern Rücken, | er denkt im Paradiese zu sein. | Wie ihn alle sieben Sinne jücken! 2, 73; Kein Kummer nagte, keine Hoffnung jückte | sein welkes Herz. Gotter 1, 253; Meine Hühneraugen jücken, | habe deutsche enge Schuh. Heine Rom. 150; Beide Herren muß ein verborgenes Geschwür jucken, das sie mit aller Gewalt aufgestochen wissen wollen. L. 6, 261; Was juckte mich nur für ein Grind [was für ein Teufel, welcher Vorwitz plagte mich], | daß ich verließ mein Weib und Kind! Nicolai 1, 178; Dein Köpfchen muß, weil du’s von freien Stücken | mir vor die Füße legst, dich unerträglich jücken. W. 20, 67; Vorwitz juckt das Ohr der guten Alten [treibt sie zum Lauschen]. 103 etc. Es findet sich auch hier zuw. der persönl. Dat. statt des Obj.: Jücke ihm doch das Dichtersalz in den Adern. Gervinus Lit. 3, 515 = es jucke in seinen Adern etc., s. 1b; 2b und Herrig 15, 59 etc.
b) mit unpersönl. Subj.: Es (s. d. und vgl. Herrig 18, 106 ff.) juckt mich am Arm, ein unbestimmtes nur aus seinen Wirkungen erkennbares Etwas erregt das Gefühl des Juckens an meinem Arm; Wen’s juckt, der kratze sich! Sprchw., das Gesagt gilt Dem, der sich davon getroffen fühlt: Nur wen’s juckt, kraut sich. Alexis 2, 1, 38; Der sich gottlob kratzen kann, wenn es ihn juckt [seinen Gefühlen keinen Zwang anzuthun braucht]. Heine Verm. 1, 253; Es juckt mich lange in allen Talenten, ihm einmal ein Schnippchen zu schlagen. Eichendorf Lärm 2; Ein Pedant, den es jückt locker und lose zu sein. G. Xen. 37; Da zwickte und jückte es mich ordentlich in den Fingern. Goltz 2, 145; Den jückt es vielleicht, ein Katilina, zu werden. Heine Börne 46; Es juckt mich alle Tage darnach. L. 12, 542; Es juckt und brennt mich nach dem Namen. Sch. 596a; Wenn ihn die Nessel sticht, | jückt es ihn nicht? Werner Osts. 1, 35; Wofern dichs jückt, mein Schwert in deinem Wanst zu fühlen. W. 20, 16; So müsse mich’s gar sehr nach Wunden jücken. 10,44 etc. Zuw. auch hier (s. 1a und 2a) mit persönl. Dat. statt Obj.: Es hatte ihm schon ein paar Mal im Arm gejuckt [er hatte das Verlangen gespürt, den Andern zu prügeln]. Hebel 3, 128; Kratzt sich ungescheut, wo es ihm juckt. Möser Ph. 1, 76; Wem jückt es nicht ein bischen an der Stirne, | wenn er sich Kuckuck grüßen hört? Schlegel Sh. 1, 223; Mancher krauet sich, da es ihm nicht jücket. Schottel 1124b etc.
c) im substant. Infin.: Welches Jucken, seine Belesenheit zu zeigen! L. 8, 17; 10, 201; Das Jucken der Phantasie, das Neuerer . . fühlen. H. Ph. 13, 59. 3) tr. und refl. (s. 1 und 2): eine juckende (1) Stelle kratzen: Jucken und Borgen thut nur kurze Weile gut; Wir jucken uns noch von den Schröpfköpfen etc. König Kl. 2, 202; Da stach ihn eine [Mücke], da musst’ er jücken. Rückert Erb. 1,,134; Der Aussätzige mag sich jucken, unsere Haut ist gesund. Schlegel Haml. 3, 2 etc. Auch mit Angabe der Wirkung, z. B.: Einen oder sich blutig jucken; Einem oder sich die Haut wund jucken; Sich die Haut ganz ab-, durch-, herunter-j.; Ein Geschwür auf-j., durch Jucken öffnen; Und durften sie [die Flöhe] nicht knicken | und weg sie jucken nicht. G. 11, 92, sie durch Jucken wegjagen u. ä. m. Ahnlich: Einem Etwas an- oder auf-j., es durch Jucken an oder auf ihm haften machen, z. B.: [Der Moralist], der die ganze Summa tugendhafter Ideen und Gefühle sich und Andern aufzujücken weiß auf der obern Haut [oberflächlich und äußerlich erregen]. FHJacobi 5, 171.
Anm. S. Juck, Anm. und vgl. schwzr.: Den Gugger [Trieb] haben, Predigten anzubringen. Gotthelf G. 410.
Zsstg. s. 3 und Juck, Anm.