Faksimile 0846 | Seite 838
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jetzt
Jétzt, adv.:
1) in dieser, d. h. der gegenwärtig seienden oder gegenwärtig gedachten Zeit: Früher war es anders, j. ist es so; J., wo (oder da) du es noch kannst, willst du es nicht; später wirst du es wollen, aber nicht mehr können; Ich brauche das Buch grade j. nothwendiger als je; Er ist eben (veralt. „gleich“) j. fortgegangen; Er wird j. gleich wiederkommen; Er war mir schon ganz nahe gerückt, j. [den vergangnen Zeitpunkt eindringlich und lebendig vergegenwärtigend] hob er den Säbel zum tödtlichen Streich, da traf ihn eine Kugel; Aber nachdem er erreicht das ferne entlegne Eiland, | j. aus bläulicher Fluth empor zum Gestade sich schwingend, | wandelt’ er. V. Od. 5, 56; Der Vater wird ihm bald die Herrschaft abtreten und in Ruhe auf seinen Schlössern leben. J. [den künftigen Zeitpunkt vergegenwärtigend = dann] hat der stolze Strudelkopf die Zügel in Händen. Sch. 114a etc. Den Reichen nennt es ihn | itzt mehr als je. L. Nath. 2, 2; Eben itzt, wo sich unsere Schaubühne anfängt zu bilden. Engel 7, 6; Sich meiner Liebe zu erfreuen! | der Nacht, die nie ein Ende nahm! | und erst die Mutter anzuschreien | j. [,,nun“ 1, 169] eben als der Morgen kam. G. 18, 62; Itzt daß der Sieg uns Friede giebt, | ist auch der Zierrath rühmlich worden. Haller IV; Ihn würdest du [sonst, unter andern Verhältnissen] aus Tausenden heraus | zum Freunde dir gewählt, ihn an dein Herz | geschlossen haben als den Einzigen | und j., da ihn die heilige Natur | dir gab, .. trittst du ihr Geschenk mit Füßen. Sch. 492b; Selbst itzt, nachdem glückliche Erfahrungen mich von dieser hochfliegenden Art zu denken zurückgebracht haben, glaube ich etc. W. 5, 10 etc.
a) zuw. wiederholt zur Hervorhebung eines Zeitpunkts: Ich habe mich lange danach gesehnt und j., j. endlich erhalt’ ich es etc.; J. ist es Mai, j. ist es frisch, j. ist die Zeit des Lenzen, | und j. will auch der fremde Gast in seine Heimath ziehen. WMüller Ngr. 2, 17; 37; J. [„Itzt“ 1, 60] müssen wir’s erfahren! | J. [,itzt“] muß er sich enthüllen. Sch. 14b; Jtzt, o Jüngling, suche dir, | durch die du besser werden kannst, itzt sauge | mit reiner Brust der Weisheit Lehren ein. W. HBr. 1, 66, vgl.: Nun sauge du, Jüngling. | Worte mit lauterer Brust, nun beut dich dem Besseren folgsam. V. H. 2, 225 etc., nicht zu verwechseln mit 2.
b) abhängig von Präpos., z. B.: Von j. (oder nun) an, ab. Bis j., wofür es ungewöhnl. heißt: Helfen Die bis nun, warum nicht weiter? Kapper Chr. 1, 90; Bis itzt. Engel 7, 31. Der Hauptzweck seiner gegenwärtigen Reise und aller künftigen Bemühungen mißlang ihm für j. und für immer. Sch. 970a etc.; Ihr kennet nun Freunde, soviel euch für itzt | zu wissen dient, die Hauptpersonen im Stücke. W. 15, 8 = vorläufig, für den Augenblick, fürs Erste etc.; Nicht den ganzen Tanz [verdirbt dieser Schritt] aber doch für j. den Takt. L. Gal. 4, 1, wofür Andre gegen den gewöhnl. heutigen Gebrauch „vor j.“ schreiben, z. B.: Vor j. und also bis hieher. Schelling 2, 2, 58; H. Cid 25; Komm vor itzt nur mit . . ., | es reift indeß bei mir vielleicht ein Anschlag. L. Nath. 2, 3; Er schwur .., daß er vorjetzt nicht hungrig sei. Lichtwer 39; Vorjetzo [„Voritzo“ Matthisson A. 9, 163] weiß ich nicht, warum? | wir werden’s aber hören. IBMichaelis 98; [Das] habe ich vorj. herzlich satt. Sch. G. 5, 36 etc., vgl.: Soviel iezt. G. Stolb. 128; Es wird sich zeigen, wie du dich betragst; für einmal will ich j. lieber von etwas Anderm reden. Pestalozzi 4, 15 etc. An-j., s. Zsstzg.
2) wiederholtes j. (nicht zu verwechseln mit 1a) wie wiederholtes „bald“ (s. d. 8), zuw. auch mit diesem oder mit „nun“, „dann“ vertauscht, bezeichnet die abwechselnde schnelle Aufeinanderfolge von Dingen oder Zuständen etc., z. B.: Das Schwert frisst j. Diesen, j. Jenen. 2. Sam. 11, 25; Befragt sie . . | j. mit sanften, j. mit strengen Worten. Chamisso 6, 248; Er schüttelte den Kopf itzt bei des Einen Zügen | und billigte darauf des Andern seinen Schlag. Gellert 1, 148; Was sich die Lippe schüchtern vorgelallt | mißrathen j. und j. vielleicht gelungen. G. 11, 6; Wässern wir, mäandrisch wallend, | j. die Wiese, dann die Matten, gleich den Garten um das Haus. 12, 224; J. der rauhen Winde Spiel, | j. eingefesselt. H. 9, 113; Ich kann Recht so j., jetzo so ertheilen. HKleist Kr. 54; Der es mit Turan j. und hält mit Jran itzt. Rückert Rost. 4a; J. zur Statüe entgeistert, | j. entkörpert steh ich da .. Lieblich j. . ., majestätisch prächtig nun . ., stürmend von hinnen j. . ., holdes Gesäusel bald ... schwerer nun und melancholisch düster [schallt’s]. Sch. 2b u. 3 [in der zwölfbänd. Ausgabe 1, 10 ff. überall „itzt“]; Daß ich das feste Gehäus itzt öffnete, jetzo verschlösse. V. Od. 11, 525 etc.
3) als sächl. Hw.: die Gegenwart, der jetzige Augenblick, die jetzige Zeit: Desto trüber steht das J. gegen dem Vormals. Arndt Ber. 326; Das J. und das Nachdiesem. Freiligrath H. 9; [Ein Blei], das blitzt und Luft und Ziel im gleichen J. [ältre Lesart „Nu“] durchbohrt. Haller 28; Macht mein J. zur Ewigkeit. H. 16, 68; Das glänzende Einst mit dem jammervollen J. zu vergleichen. Hettner gR. 299; WHumboldt 3, 423; Pfeilschnell ist das J. entflogen. Sch. 88b; Pygmäenhaft steigt die Zukunft auf die Schultern des J. Waldau N. 1, 125; Das Ehemals und J. verwirrt sich immer in meinen Vorstellungen. Zschokke N. 3, 8.
Anm. Mhd. iezuo, iezu, ieze, iezunt etc. (ob ellipt. = ie ze disen ziten?). Nbnf. (s. v.) z. B.: Was bedeutet denn diese „yetz“ so urbarliche [plötzliche] Berufung? Schaidenreißer 5b, vgl. noch: Alltäglich itz (als Reim auf „Blitz, Sitz, Witz“). Schwab im Guttenbergs Album (Braunschweig 1840) 117. Sehr häufig „itzt“, das neure Ausg. (z. B. Sch.’s s. o.: 1a) freilich oft in das heute gw. jetzt“ ändern, vgl. W. 20, 215: Das Nöthigste ist jetzt, als Reim (?!) auf „schützt“, obgleich z. B. 5, 10 (s. o.: 1); 144 etc. in der Prosa „itzt“ bewahrt ist etc. So z. B.: Eh focht ein Held, doch itzt | straft ein erzürnter Gott. Alxinger D. 123; Blumauer 2, 187; Brockes 9, 391; B. 18b; 156a; Engel 7, 6; 31; 59 etc.; Gellert 1, 243; 2, 11 etc.; Geßner 1, 11 etc.; WHumboldt 2, 150; EKleist 1, 139; L. 6, 326; 13, 53 (Mendelssohn); Matthisson A. 7, 240; 8, 260 und 303 (Göckingk); LHNicolai 1, 309; Ramler F. 2, 471; Rückert Mak. 1, 44; 64; Morg. 1, 173; Scheffel Tr. 129; 193; 188; Uz 2, 227; V. 4, 133; Ov. 1, 44 etc., vielfach im Reim. Gedehnt: So habe ich eben jetzo eine Gelegenheit. G. 16, 229; 256; 277 etc.; B. 190 v. 388; Gleich jetzo [= so eben] erhalte ich zwei Bogen. L. 3, 403; Vordessen war Jskenderi | und jetzo bin ich auf dem Thron. Rückert Mak. 2, 207; Scheffel 183; Jetzo auf den schroffen Zinken | hängt sie. Sch. 50b; Und jetzo war’s um mich geschehn, | da etc. 66b; V. Od. 1, 151; Il. 8, 163, seltner jambisch: Doch Raufbold traf jetzo (⏑ –) den naseweisen Knall. Zachariä 1, 79 etc., und in ältrer Form: itzo. Claudius 5, 58; L. 3, 68 etc., vgl.: Bis hiezu [bis itzo, bis jetzt]. Möser Ph. 1, 168. Ferner: Jetzund, trochäisch (– ⏑) Alxinger D. 293; G. 2, 100; Opitz 1, 11 v. 67; W. 11, 143 etc.; jambisch (⏑ –) Heine Lied. 208; 244; 282; Rom. 114; Verm. 1, 166 etc., u. in der ältern Form: itzund (⏑ –) Canitz 237; Gryphius S. 27. Ferner: Doch kein Teufel weiß jetzunder (⏑ ⏑),| wie sein Säbel, Gottes Wunder! | in die Zöpfe einst geflammt. Freiligrath 2, 67; G. 2, 212; 3, 105; Heine Lied. 204; 211; Immermann M. 1, 160; Scheffel Tr. 130; Zinkgräf 2, 12 etc.
Zsstzg.: All-: zuw. als Verstärkung und Hervorhebung des einfachen „jetzt“.
An-: häufig für all-j. Freiligrath Garb. 43; G. 5, 96; Sch. 496b; V. Od. 1, 337; 11, 501 etc.; daneben veraltend: Der Sperling unterm Dache sitzt | bei seiner trauten Sie anitzt. B. 30b; 146b; Gellert 1, 52; Bis anitzt. L. 3, 346; Uz 2, 7; V. Th. 1, 61 etc., vgl. Opitz 1, 90 v. 83: anjetzt (Reim abgenützt) etc. Anjetzo. Werder Ar. 11, 3 etc.; Anitzo. Daumer H. 1, 255 etc.