Faksimile 0843 | Seite 835
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jammern
Jámmern, intr. (haben), tr. und zuw. (1b) refl.:
1) intr., mit perſönl. Subj.: Ich jammre: Jammer
empfinden, und nam. oft: dies Gefühl laut werden
laſſen, ihm Ausdruck geben, tief und ſchmerzlich klagen:
Ächzen (ſtöhnen, klagen, weinen, winſeln) und j.; Vor
Schmerz laut j. und aufſchreien; Vor Einem j., der es
hört; Zu Einem j., damit er es höre und ſich erbarme.
V. Il. 9, 583; Über Etwas [das den tiefen Schmerz er-
regt] j.. vgl. „ob“; Die Leute, ſo da ſeufzen und j. über
alle Greuel. Heſ. 9, 4; [Ich] weinte j–d in mein Saitenſpiel.
G. 8, 44; Daß ich j. muß, dich von dem abſcheulichſten
Mord zurückzuhalten! 9, 129; Daß er nicht ſo ſchneider-
mäßig gejammert. 17, 54; Dieſe J–de, Ächzende, | wie eine
Rohrdommel Krächzende. Rückert N. 103 ꝛc. Mundartl.:
Da klagen und j. ſie ihren blutigen Ellenbogen. Höfer Leb. 40,
mit der Anm.: Eine ſeltſame, aber ganz gebräuchliche
Redensart für „lebhaft, bitterlich klagen“. a) Ungew.
mit Dat. ſtatt „über“: Der ſtille Sabbath jammert dem
Verluſt. Chamiſo 4, 66, vgl.: Um Etwas j., deſſen Fehlen
den Jammer erregt, und ähnlich: Nach Etwas j., was
aber nicht bloß den Schmerz um das Fehlende, ſondern
zugleich das tiefſchmerzliche Verlangen und Sehnen
bez., z. B.: Über oder um einen Verluſt, oder das Ver-
lorne j.; Nach dem Verlorenen j.; Er jammert um verſagte
Freuden. Uz 2, 195; Sein ſüßes Leben verweint er, | j–d
um Wiederkehr. V. Od. 5, 154; Jl. 2, 290; Das Mütter-
lein, was immer nach dem Sohn jammert. Klencke Gſp. 1,
11; [So] ſoll die Mutter in die Kirche gehen. Sie hat all
die Zeit darnach gejammert. Lewald W. 1, 392; auch: Wir
ſtrebten ... | unzeitig, ach, zur lichten Höh. ... Ohn’ Ehre
modern wir und j. | zurück nach unſern Ruhekammern. V.
4, 162 ꝛc. b) ſo auch tr. und refl. mit Beifügung
des Erfolgs, z. B.: Wie ſein edles .. Weib .. voll Ahn-
dung von des Heldengatten Fall | wach all ihr Hausgeſinde
j. wird. B. 163a, vgl. ebenſo: Einen auf-j. ꝛc.; Die Weh-
klagen des zu Tode ſich j–den Mädchens. G. 14, 100, vgl.
ebenſo: Sich hin-j. ꝛc.; Sich müde, matt oder ab-j.
2) tr.: Einen j., tiefſchmerzliches Mitgefühl, zuw. auch
nur (ſ. Jammer 4 und 5): bedauerndes Mitleid und
dann iron.: Mitleid aus Verachtung der Armſeligkeit
(ſ. Jämmerlich 3) in Einem erregen: a) mit perſönl.
oder ſachl. Subj., welches Letztre auch ein Satz ſein
kann (ſ. Erbarmen 3): Es jammerte den Herrn ihr Weh-
klagen. Richt. 2, 18; Es jammerte ihn, daß Jſrael alſo ge-
plagt ward. 10, 16; Die Schmach bricht mir mein Herz und
kränket mich. Ich warte, ob es Jemand jammere. Pſ. 69,
21; Wenn ein Schlangenbeſchwörer gebiſſen wird, Das jam-
mert Niemand. Sir. 12, 13; Sah ihn ſein Vater und [er]
jammerte ihn. Luk. 15, 20; Mich jammert deine Noth. B.
87a; Jammert’s ihn ..., | daß ſo ſchön ſie ſei und ſterben
müſſe. Chamiſſo 6, 256; Wie jammert mich das ſchöne edle
Herz! G. 13, 168; In ihrem großen Geiſte | jammert ſie
des Menſchen Fall. Sch. 55b; Das jammert mich und ſchnei-
det mir ins Herz. 635a; Mich jammert Zeus, daß ihn die
Keiferin | mit ihrer ekelhaften Liebe keine Nacht | verſchont.
15b; Geh! ich will mich an dir nicht vergreifen! du jammerſt
mich, biſt mir zu jämmerlich ꝛc.; Es jammert mich [thut
mir leid], daß ich Das wegwerfen ſoll ꝛc. b) Oft ſteht
ſtatt des Subj. in a) aber auch der Genit., zumal in
der ältern und in der gehobnen Sprache, wodurch j.
zum vollſtändig unperſ. Zeitw. wird (ſ. Erbarmen 2),
z. B.: Dich jammert des Kürbis ... und mich ſollte nicht j.
ſolcher großen Stadt?! Jon. 4, 10 ff.; Meine Seele jam-
merte der Armen. Hiob 30, 25 u. v.; Auerbach SchV. 331;
Sie jammert’ es der Griechen. B. 142b; Veit jammert ſeiner
Bande. Hagedorn 1, 175; Dieſes ſchönen, ſchlanken Jüng-
lings | jammerte den rohen Krieger. Platen 1, 316; Mein
edler Feldherr, den des Blutes jammert. Sch. 460a; 533a;
V. Od. 1, 19; Sah ſo nackt und armſelig aus, daß mich
ſeiner jammerte. W. 9, 34; 29, 137 u. v. c) nur
ausnahmsweiſe und vereinzelt aber erſcheint in a) ſtatt
des perſönl. Accuſ. der Dat. (vgl.: Etwas thut mir
weh, leid ꝛc.): So jammerte es ihr in der Seele. Muſäus
M. 5, 27; Daß es Einem manchmal mehr j. als lächern
muß. W. Merck 1, 104 ꝛc. 3) tr.: zuw. ſtatt be-j.:
Weiſe j. nie vorhandnes Weh. Schlegel Rich. II. 3, 3.
Zſſtzg. z. B.: Áb-: 1) tr.: Einem Etwas a., es
durch Jammern von ihm erlangen. 2) refl. [1b].
Án-, tr.: Einen a., jammernd ihn anreden, ſich
an ihn wenden ꝛc. Höfer Leb. 26. Āūf-: 1) intr.:
laut jammern: Umſchlang ihm | flehend die Knie, a–d.
V. Od. 22, 311. 2) tr. [1b]. Āūs-: 1) intr.:
zu Ende jammern. 2) tr.: jammernd beenden: Sie
wird ihr Leben fern von mir und dir a. [ſ. hin-j. 2]. G. 9,
358; Als er den Todeskampf nun bald hat ausgejammert.
Werner Febr. 58 ꝛc. 3) refl.: ſich, ſein Herz durch
Jammern erleichtern, vgl.: ſich ausweinen. Be-,
tr.: Einen oder Etwas b., ſeinen Jammer (Schmerz,
Bedauern oder Mitleid) darüber ausdrücken: Gutes
Kind, | bedaure mich, indem du dich bejammerſt. G. 13, 340;
Er rühmte ſein Talent .. und bejammerte nur, daß er gerade
jetzt ... des Nothwendigſten ermangeln müßte. 25, 102;
Einen Verluſt, den Tod eines Freundes b. ꝛc. Ungewöhnl.:
Um meine bejammerte Heimkehr | weinend. V. Od. 23, 351
= jammervoll oder jammernd erſehnt? Durch-,
tr.: 1) Eine Zeit, die Nächte und Tage ꝛc. d., ganz in
Jammer verbringen. 2) vollſtändig mit Jammer
durchdringen und erfüllen: Abgearbeitet, ausgeweint
beinahe bis zur Gefühlloſigkeit durchjammert iſt das Geſicht.
Lavater 1, 113. Eīn-, tr.: ugw., ganz in Jammer
einſchließen und einpreſſen: Wie die Welt jetzt eingejam-
mert iſt. Chamiſo 5, 94. Empōr-, intr.: auf-, in
die Höhe jammern: So müßte ſie ja zu dir e. Tieck N. 5,
287. Entgêgen-, intr.: Dem Echo .. ſeine Liebes-
klagen e. Sch. 124a ꝛc. Er-: durch Jammern er-
langen: Dein Brot verdienen. Verdienen, ſag’ ich nicht
e. Werner Febr. 48; Börne 2, 453; Brentano Fr. 1, 455 ꝛc.
Hín-: 1) tr.: jammernd hinbringen: Die Jahre der
Fülle .. hinzutrauern, verzweifelnd, am Abgrund hinzujam-
mern. G. 9, 358. 2) tr.: Etwas jammernd hin-
ſagen, aushauchen: Dinge | zu ſagen, die man lieber in
die öde Luft | hinjammerte. Sch. 576a, ſo auch: aus-j.
3) rcfl. [1b] undintr. (ſein): jammernd hinſchwinden,
ver-j. (2). Mít-, intr.: gemeinſam mit Andern.
Nāch-, intr. mit Dat., ſowohl: Jemandes Jam-
mer nachahmen, als auch: nach Einem oder Etwas
jammern [1a], in ſehnſüchtigem Jammer ihm nach-
blicken ꝛc. Über-, tr.: Einen ü., ihn im Jammer
überbieten, übertreffen, übertönen. Um-, tr.: Et-
was um-j., von allen Seiten um dasſelbe jammern: Von
unterirdiſchem grauſem Geheule umjammert. Sonnenberg.
Ver-: 1) tr.: Eine Zeit, die Tage, ſein Leben ver-j., hin-
j. (1), jammernd verbringen: G. 9, 69; Haſt du ver-
jauchzt Sekunden? | haſt du verjammert Stunden? Koſegarten
Po. 1, 80. 2) intr. (ſein): jammernd vergehn,
hin-j. (3): Müſſen wir verzweifeln und ver-j. Körner 27a;
Ob ſie wirklich ver-j. müßte, | wenn ſie den Wunſch des Va-
ters erfüllt. 260b. Auch (vgl. 1): All die Schar von
Monden .., die mir durch dich verſchmachteten als Wunde,
die mir durch dich verjammerten als Klage. Rückert 2, 104.
Vōr-, tr.: Einem Etwas vor-j., vor ihm jammern,
ſo daß und damit er es hört: Hartmann Unſt. 2, 330;
Daß ihr mir nicht vorjammert, von hier und dort mich be-
lagernd. V. Il. 9, 312. Zū-, tr.: Einem Etwas z.,
es ihm jammernd zurufen ꝛc.: Das Wunderbild, das dem
Ritter hier ſeine Noth zujammerte. G. 26, 238. Zu-
rǘck-: Die ſcheidende Stimme der erſchrockenen mit Liebe
z–den Gattin. V. Georg. 306, die jammernd zurückmuß,
ſ. auch [1a] u. ä. m.